Geretsried:Arbeit gibt es, aber keine Wohnungen

Geretsried: Gämmerler-Chef Jörg Westphal zeigt den Besuchern der Agentur für Arbeit die Betriebshalle (v.l.): Nicole Cujai, Udo Kohnen und Karsten Höhn.

Gämmerler-Chef Jörg Westphal zeigt den Besuchern der Agentur für Arbeit die Betriebshalle (v.l.): Nicole Cujai, Udo Kohnen und Karsten Höhn.

(Foto: Hartmut Pöstges)

150 Flüchtlinge im Kreis haben einen Job, etwa beim Maschinenbauer Gämmerler. Der Betrieb hat versucht, den Mitarbeiter aus der Unterkunft zu holen - vergeblich.

Von Felicitas Amler

Wie soll ein Unternehmen feststellen, ob ein Flüchtling geeignet wäre, im Betrieb zu arbeiten? Für ein Bewerbungsgespräch können Asylsuchende oft noch nicht gut genug Deutsch, und Zeugnisse ihrer Qualifikation haben sie nicht unbedingt im Gepäck. Beim Geltinger Maschinenbauer Gämmerler hatten Geschäftsführer Jörg Westphal und Personalerin Christin Tack die Idee: Sie gaben dem Ickinger Helferkreis, mit dem sie in Kontakt standen, eine technische Zeichnung und ließen sie unter den Flüchtlingen herumreichen. Einer konnte sie lesen und dies auf Englisch zu verstehen geben - das verhalf ihm zu einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag als Aushilfe in der Montage bei Gämmerler. Eine Ausbildung zum Mechatroniker könnte womöglich folgen.

Der 26 Jahre alte Syrer, der nach eigener Auskunft zu Hause auf dem Bau gearbeitet hat, habe sich "als Glücksfall erwiesen", sagt der Geschäftsführer. Der neue Mann sei "ein Herz von Mensch", er sei bestens aufgenommen worden, die anderen Mitarbeiter kümmerten sich fürsorglich um ihn, man wisse inzwischen sogar, in welcher Richtung Mekka liegt. Und vor allem: "Man hat schnell gemerkt: Der will", sagt Westphal. Das sei für ihn grundsätzlich das entscheidende Beurteilungskriterium: Wie motiviert ist ein potenzieller Mitarbeiter? "Können kann ich beibringen." Westphal will die gute Erfahrung seines Unternehmens bei einer Veranstaltung der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG) weitergeben. Seine zentrale Botschaft lautet: "Man muss einfach anfangen."

Wichtiger Ansprechpartner der Unternehmen bei der Beschäftigung von Flüchtlingen ist die Agentur für Arbeit. Sie vermittelt die sogenannte "Maßnahme beim Arbeitgeber" (MAG). Es gebe dafür "keine Patentlösungen", sagt Udo Kohnen, Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in Bad Tölz. Sein Haus versuche, unkonventionelle Wege zu gehen, die Anzahl von 150 Flüchtlingen im Landkreis, die in Betrieben untergebracht sind, nennt er "enorm hoch". Nicole Cujai, Leiterin der Agentur für Arbeit Rosenheim, die außer Bad Tölz-Wolfratshausen auch die Landkreise Miesbach und Rosenheim überblickt, bestätigt das. Kohnen weist darauf hin, dass es zudem Integrationsmaßnahmen der Agentur zusammen mit verschiedenen Bildungsträgern und Weiterbildungsangebote, vom Staplerschein bis zum Führerschein gebe. Er sieht in den Flüchtlingen "ein enormes Potenzial", zumal die meisten sehr jung seien.

Die Vermittlung eines Flüchtlings in einen Betrieb sei mühsam, sagen Kohnen und Cujai, 40 bis 50 Kontakte zwischen den verschiedenen Beteiligten seien dazu erfahrungsgemäß erforderlich. Dennoch: Aus Sicht der Gämmerler GmbH gibt es ein anderes Problem, das bedeutend größer, aktuell vermutlich sogar unlösbar ist: die Wohnungssuche. Der junge Syrer lebt in einer großen Gemeinschaftsunterkunft und leidet nach den Worten der Personalchefin stark unter den dortigen Lebensbedingungen. Lärm und Konflikte machten ihm zu schaffen, es bestehe die Gefahr, dass sich das auf seine Leistung im Job auswirke.

Anerkannte Flüchtlinge dürfen nicht nur, sie müssen sich theoretisch sogar selbst eine Wohnung suchen. Dass ihnen dies auf dem schwierigen Mietmarkt im Großraum München fast nie gelingt, belegt die Anzahl der sogenannten "Fehlbeleger" in den Unterkünften, die eigentlich den Asylsuchenden vorbehalten sind: im Landkreis sind es aktuell 430 von 1878.

Gämmerler hat es daher nicht seinem syrischen Beschäftigten allein überlassen, eine Wohnung zu suchen. Christin Tack berichtet, dass sie dies schon bewusst im Namen des Unternehmens getan und dabei auch darauf hingewiesen habe, Gämmerler würde eine Bürgschaft für die Kaution übernehmen. Ohne Erfolg.

Für die Arbeitsagentur ist dies keine Überraschung. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen treffe nicht nur Flüchtlinge, sagt Kohnen. Es seien immer zwei Probleme, die Unternehmen der Agentur meldeten: der Mangel an Fachkräften und das Defizit auf dem Wohnungsmarkt.

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