Geothermie:Aufgerüttelt

Bevor in einem hundert Quadratkilometer großen Gebiet südlich von Pullach seismische Untersuchungen des Untergrunds beginnen, versuchen die Geothermie-Unternehmen, Bedenken der Bevölkerung zu zerstreuen.

Von Michael Morosow

Die matschige Erde auf dem Hof von Landwirt Franz Strobl in Schäftlarn vibriert, als hätte der Teufel im Untergrund Schüttelfrost. Wer auch immer im Tiefenreich das Regiment führt, am Freitag wäre er kräftig durchgerüttelt worden. Das Epizentrum des Bebens bildet ein futuristisch anmutendes Fahrzeug mit französischem Kennzeichen, dessen hervorstechendes Merkmal eine mächtige Rüttelplatte unter seinem Bauch ist, die soeben von zwei hydraulisch beweglichen Strahlarmen bis zum Bodenkontakt hinabgelassen wird. Die vielen Menschen, die gebannt um den sogenannten Vibro-Truck stehen, spüren zuerst ein kleines Kitzeln an den Sohlen, als stünden sie auf einem Fußmassagegerät. Dann aber, der Lärm des Motors und das Dröhnen der Rüttelplatte haben sich zu einem Fortissimo gesteigert, nimmt das Beben an Stärke zu, ergreift das Kitzeln den ganzen Körper, der jetzt leicht zu vibrieren beginnt. So wie man es von der Disco kennt, wenn man neben einem wummernden Lautsprecher steht.

Geothermie: Der vom Vibro-Truck erzeugte Schall wird von Geophonen empfangen.

Der vom Vibro-Truck erzeugte Schall wird von Geophonen empfangen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

An 13.000 Stellen werden die Rüttelfahrzeuge den Boden zum Schwingen bringen

Geothermie: IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold hält ein Geophon in der Hand. Links: Simon Aldinger vom französischem Seismik-Unternehmen.

IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold hält ein Geophon in der Hand. Links: Simon Aldinger vom französischem Seismik-Unternehmen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

"Das ist alles, mehr passiert nicht", sagt Helmut Mangold, Geschäftsführer der Pullacher Geothermie-Gesellschaft IEP. "Mehr passiert nicht" - diese Erkenntnis sollen die Besucher der kleinen Vorführung mit nach Hause nehmen. Nein, die Fenster ihrer Wohnungen werden nicht zerbersten, wenn die Rüttelplatte draußen den Boden unter der Straße durchschüttelt. Nein, die Erdstöße sind nicht stark genug, um Risse in Häusern zu verursachen. Das sind die Botschaften, die Helmut Mangold sowie Norbert Baumgärtner als Vertreter der Grünwalder Geothermie-Gesellschaft unter die Leute bringen wollten. Die Aktion war zur Beruhigung der Bevölkerung gedacht. Immerhin wird es bald nicht nur auf dem Hof von Landwirt Strobl beben, sondern an 13 000 Stellen innerhalb eines hundert Quadratkilometer großen Aufsuchungsfeldes südlich von Pullach und Grünwald.

Geothermie: Die Schallwellen sollen insgesamt 9000 hochempfindliche Erdmikrofone auffangen.

Die Schallwellen sollen insgesamt 9000 hochempfindliche Erdmikrofone auffangen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die seismischen Messungen bilden dabei den Auftakt für ein Gemeinschaftsprojekt, auf das sich die Pullacher IEP zusammen mit den Stadtwerken München GmbH (SWM) und der Erdwärme Grünwald GmbH (EWG) verständigt haben. Die drei kommunalen Unternehmen verbindet dabei die Hoffnung, auf mit heißem Tiefenwasser reich gefüllte Schichten zu stoßen. Die Wahrscheinlichkeit, fündig zu werden, ist groß. Nicht nur im Bayerischen Geothermie-Atlas ist dieses riesige Aufsuchungsfeld als aussichtsreich gekennzeichnet, bereits seit Kohlenstoffbohrungen in den Siebzigerjahren in Schorn bei Starnberg weiß man von Bruchstrukturen in 2700 Metern Tiefe, die auf Thermalwasservorkommen hindeuten - mindestens 120 Grad heiß. Ein exaktes Bild von den tiefen Schichten soll nun das hochmoderne Erkundungsverfahren liefern, das dank einer erst seit wenigen Jahren verfügbaren 3-D-Seismik die Suche revolutioniert hat.

Das Prinzip der seismischen Messungen ist relativ simpel: Die Vibro-Trucks schicken Schallwellen in die Tiefe, wo sie von den verschiedenen Gesteinsschichten im Untergrund unterschiedlich reflektiert werden. Aufgefangen werden diese Wellen von insgesamt 9000 hochempfindlichen Erdmikrofonen, die entlang von Messlinien ausgelegt werden. Alle 18 Meter stoppt der Truck an einem Anregungspunkt und zieht dann zügig weiter, "wie bei einer kleinen Wanderbaustelle", wie es in einem Flyer der IEP heißt. Angesichts des riesigen Aufsuchungsfelds werden von kommenden Freitag, 9. Februar, an vier Vibro-Trucks des französischen Spezialunternehmens CGP die Messlinien abfahren. Betroffene Grundstückseigentümer, sind bereits informiert und um Genehmigung gebeten worden. Die Gemeinderäte in Grünwald, Pullach, Schäftlarn und Baierbrunn haben schon vor Wochen ihr Plazet gegeben, am Montag zog Straßlachs Bürgermeister Hans Sienerth nach, Klagen einiger Bürger hatten ihn zögern lassen. "Wie werden Schäden an Häusern reguliert?", lautete denn auch die Frage einer Bürgerin auf dem Strobl-Hof. "Wir nehmen alles auf, lassen nichts auf sich beruhen", antwortete ihr Mangold. Zur eigenen Sicherheit, so der IEP-Geschäftsführer zur SZ, fahren Mitarbeiter zur Beweissicherung die Stecken ab und dokumentieren bereis bestehende Risse an Gebäuden.

Die so genannte Seismikkampagne lassen sich die drei Energie-Unternehmen 2,5 Millionen Euro kosten, die Anteil der Basiskosten ist für alle drei gleich, die variablen Kosten, die bei den Messungen entstehen, werden im Verhältnis der Größe der jeweiligen Claims aufgeteilt. Bekanntlich haben die Münchner Stadtwerke sowie die Grünwalder und Pullacher Geothermie-Gesellschaften Aufsuchungsrechte auf diesem hundert Quadratkilometer großen Areal erworben. Für die 2,5 Millionen Euro haben sie freilich eine geschlossene Schatzkiste mit unbekanntem Inhalt erworben.

Wie zum Beispiel geht es weiter, wenn im Untergrund von Pullach eine Heißwasserquelle geortet wird? Gehen dann die beiden anderen Investoren leer aus, sieht man vom Gewinn seismischer Daten ab? "So weit sind wir noch nicht", sagt Mangold. "Wie der Schatz ausgebeutet wird, werden wir danach besprechen."

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