Gefahr am Fluss:Mit dem Megafon am Ufer

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Rettungskräfte haben einen Posten an der Isar aufgestellt, der Freizeitkapitäne vor der Schlaubootfahrt warnt. Nach den gefährlichen Einsätzen vom Wochenende fordern Retter und Isartalverein Verbote bei Hochwasser

Von Iris Hilberth und Klaus Schieder

Als braune, schnell fließende Brühe kommt die Isar in diesen Tagen daher, Äste, ja sogar ganze Baumstämme ragen aus dem Wasser und flitzen am Ufer vorbei. Dass der Pegelstand wesentlich höher als normal ist, bleibt auch dem Laien nicht verborgen. Dass das gefährlich werden kann, wenn man sich die freien Tage mit einer Schlauchbootpartie vertreiben will, offenbar manchem schon.

Am Wochenende hatten die Einsatzkräfte am Fluss wieder alle Hände voll zu tun, um uneinsichtige und havarierte Freizeitkapitäne aus dem Wasser zu ziehen. Der Frust und Ärger mancher Retter über den Leichtsinn der Leute wächst. "Die Isar ist ein Gebirgsfluss und hochgradig gefährlich", mahnt Martin Gärtner, der stellvertretende technische Leiter der Kreiswasserwacht München. Die Rettungskräfte und der Isartalverein sind daher der Ansicht: Schlauchbootfahren bei Hochwasser sollte verboten werden.

Derzeit bleiben die Behörden allerdings dabei, lediglich eine Warnung auszusprechen. Das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt München mahnt zu "erhöhter Vorsicht" beim Baden und Bootfahren und erinnert daran, dass nach der geltenden Bade- und Bootverordnung das Bootfahren grundsätzlich nur bis zu Bootshäusern auf Höhe der Thalkirchner Brücke erlaubt ist. Auch die Landratsämter Bad Tölz-Wolfratsausen und München raten vom Schlauchbootfahren ab. Hoher Wasserstand und Treibholz machten das Vergnügen gefährlich, wegen der hohen Fließgeschwindigkeit ließen sich die Boote schwerer kontrollieren, unbekannte Strudel und Walzen bergen große Gefahr. Im vergangenen Sommer hatten die beiden Kreisbehörden aus diesen Gründen noch ein einwöchiges Fahrverbot ausgesprochen. "Generell sind das aber Einzelfallentscheidungen, bei denen nicht nur der Wasserstand, sondern auch die Menge des Treibholzes und die Abfließgeschwindigkeit eine Rolle spielen", sagte Christine Spiegel, Sprecherin des Landratsamts München. Im Übrigen hätten sich trotz Kontrollen auch nicht alle an das Verbot im vergangenen Jahr gehalten, "die haben ihre Boote einfach ein paar Meter weiter zu Wasser gelassen".

Ein solches Verhalten macht Wasserwachtler Gärtner richtig sauer. "Das ist ein partywütiges Volk, das sich mit billigen Schlauchbooten in Wolfratshausen auf den Fluss wagt, die Luftpumpe dort einfach in den Wald wirft und dann auch noch alkoholisiert und ohne Rettungswesten unterwegs ist", schimpft er. Seit Jahren gehe das nun schon so und verursache bei den Rettungskräften inzwischen einen extrem hohen Personaleinsatz. 100 bis 150 Mann stünden an einem solchen Wochenende bereit, Hubschrauber inklusive. Auch die DLRG hat inzwischen ihr Team aufgestockt. Seit einer Woche agiert auch sie mit einer sogenannte Schnell-Einsatz-Gruppe an der Isar, "darunter sind geschulte Taucher mit spezieller Ausbildung", erklärt Sprecher Förster. Die Rettungskräfte haben am Großhesseloher Wehr einen Posten mit Megafon aufgestellt, der Schlauchbootfahrer vor einer Weiterfahrt warnt.

Dagegen bezeichnet Ingo Roeske, technischer Leiter der Kreiswasserwacht Bad Tölz-Wolfratshausen, die Zahl der Einsätze wegen leichtsinniger Bootsfahrer zumindest im Gebiet zwischen Icking und dem Sylvensteinsee Jahr heuer nicht als ungewöhnlich hoch. Im Moment herrsche sogar eher Ruhe. Der Grund dafür seien die starken Regenfälle der vergangenen Woche. Auf der Isar seien am Wochenende nur "ein paar Unentwegte" unterwegs gewesen, und das meist im Kanu. Andreas Schäfer mag denn auch nicht gleich ein Verbot fordern. Für den Kreisvorsitzenden des Roten Kreuzes Bad Tölz-Wolfratshausen spielt die Ausrüstung der Freizeitkapitäne eine gewichtige Rolle. Die sei auf einer Tour mit professionellen Anbietern fachmännischer als bei einem Ausflügler mit "Aldi-Paddelboot und Schwimmflügeln".

Anders beurteilt der Isartalverein die Lage. "Die vom Landratsamt ausgesprochene Warnung für Schlauchbootfahrer wurde teilweise nicht beachtet", erklärt Vorsitzender Erich Rühmer. Derzeit führe die Isar circa 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, weshalb es unverantwortlich sei, mit einem Schlauchboot zu fahren. An den Einstiegstellen in Wolfratshausen, Icking und Grünwald wurden laut Rühmer einige Fahrer am Samstag gesehen, die trotz Hochwasser ihre Gefährte zu Wasser ließen. "Wenn schon die Flößer nicht fahren dürfen, warum dann auch nicht die Schlauchbootfahrer?", fragt der Vorsitzende und meint, dass gut gemeinte Warnungen ohne Wirkung blieben. Der Isartalverein fordert deshalb ein grundsätzliches Fahrverbot bei Hochwasser. Dies ermögliche den zuständigen Landratsämtern, Bußgeldbescheide zu erlassen. Sinnvoll wären Rühmer zufolge auch weitere Verbotsschilder an Einstiegstellen und Warnungen im Internet.

Den Kopf über leichtsinnige Bootfahrer schütteln auch die Kenner wilder Gewässer. Jochen Langbein, Vorsitzender des Deutschen Touring Kajak-Clubs München (DTKC) verweist darauf, dass ein Kanute stets Schutzkleidung trägt, "denn er weiß, dass er auch bei schönem Wetter in einem fließenden Gewässer sehr schnell auskühlt". Auch eine Schwimmwest sei natürlich unerlässlich, "da können sich Gelegenheitspaddler ein Beispiel an den Profis nehmen", sagt er.

© SZ vom 01.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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