"Ganes" in Bad Tölz:Fabelhaft

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Das Trio entführt ein restlos begeistertes Publikum im Tölzer Kurhaus in die mystische Welt der ladinischen Sagen.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Man wird nach diesem Abend nie wieder auf dem Weg ins geliebte Italien durch die Berge Südtirols fahren, ohne an diese Gestalten zu denken: die zu ewigem Kampf verurteilte Königstochter, die ihren Frieden erst im Tod finden soll; die Bäuerin, die nachts beim Hexentreffen verspeist wird und mit des Teufels Hilfe leibhaftig aufersteht; den Kriegshelden mit dem romantischen Namen Ey de Net - Nachtauge. Mystische Figuren, Nixen, Feen und Murmeltiere geistern am Donnerstagabend beim Auftritt der Ganes auf der Bühne herum. Die drei Musikerinnen und Sängerinnen aus dem Ort La Val in den Dolomiten präsentieren ihr neues - das fünfte - Album "An cunta che": Unter diesem ladinischen Titel (Man erzählt, dass ...) locken sie die Zuhörer ins Reich der Sagen ihrer Heimat. Und das Publikum im proppenvollen Tölzer Kurhaus lässt sich gern entführen, ist schon nach der ersten Nummer zu kleinen Jubelrufen aufgelegt und schwingt den ganzen Abend über begeistert mit. Ein Jodler, wunderbar schlicht a capella gesungen, schickt die offenkundig beglückten Zuhörer nach zwei Stunden nach Hause.

"Sirenen", "Grazien der Berge", "himmlischer Dreigesang": Maria Moling, Elisabeth und Marlene Schuen faszinieren Kritiker ebenso wie Zuhörer. Zart und stark treten die drei Frauen auf, sehr musikalisch, sängerisch raffiniert, mal betörend, mal verstörend. Sie spielen Geigen, Hackbrett, E-Gitarre, Keyboard, und Maria Moling ist eine vitale Drummerin, ganz bei sich und ihren Rhythmen. Alle drei singen oft mit viel Hauch, meist glockenhell, manchmal rauchig, immer melodiös. Und sie sind wahrhaft einzigartig: Wo würde man sonst verjazzten Pop mit ladinischen Texten hören? Diese Sprache hat einen reizvollen Klang, auch wenn man sie gar nicht versteht, oder vielleicht gerade deswegen - ein wenig hart, ein wenig weich, geheimnisvoll jedenfalls.

Für wirkliche Geheimnisse bleibt allerdings in diesem Konzert kein Raum. Eine männliche Sprecherstimme aus dem Off führt in die Fabelwelt der Ganes und Fanes ein, gibt zwischen den Stücken immer wieder Erklärungen. Und auch die Sängerinnen sagen den einen oder anderen Liedinhalt an. Gut so, denn man ahnte ja sonst kaum, worum es geht. Den Rest aber dürften die Musikerinnen getrost der Kraft ihrer Kunst überlassen, die eindrücklich genug ist. Stattdessen liefern sie eine heftige technische Überinszenierung dazu. Permanent wird ins Bild gesetzt, was Gesang und Musik ganz allein transportieren könnten. Kriegerische Situation: blutrote Bühne. Mystische Atmosphäre: wabernder Nebel. Zwerge spinnen das Licht des Mondes über die Dolomiten: eine Mond-Projektion an der Bühnenrückwand. Jemand liegt in einer Blumenwiese und sinniert über Wolken, und schon wird die Szene grasgrün und pink und über die Decke schieben sich Wolkenbilder.

Dabei hätten Ganes platten Kitsch und effektheischende Überfrachtung überhaupt nicht nötig. Elisabeth Schuen demonstriert das mit einer grandiosen Einlage, in der sie sängerisch alle Register zieht. Wie auf einem Atem wechselt sie von der Hexe zur Fee, klingt wie ein Kind und gleich darauf wie eine Alte, lässt die Stimme lachen und weinen, locken und drohen: Hinreißend!

Bei der Zugabe drehen die drei Frauen noch einmal ordentlich auf, animieren das Publikum zum Mitschnipsen und lassen es zu einem fetzig-rockigen "Bang bang bun" aufstehen und mitklatschen. Zum Schluss aber wenden sie sich von allen Instrumenten ab, stecken die Köpfe zusammen, konzentrieren sich ganz aufeinander und jodeln. Einfach schön. Südtirol, wie man es ganz gern auch im Kopf behalten wird.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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