Fußball:Wolfratshausen schwärmt vom Spiel gegen den FC Bayern München

Der Rekordmeister beschert der Stadt einen großen Tag - obwohl die Münchner nur drei Profis mitbringen. Zwei Spieler des BCF sind besonders glücklich.

Von Sebastian Leisgang

Nach allem, was überliefert ist, hat sich Thomas Müller kein Trikot von Sandro Wolfinger gesichert. Nicht, dass dies nicht erstrebenswert wäre. Wolfinger, 25, spielt nicht nur für den BCF Wolfratshausen in der Bayernliga, sondern auch für die Nationalmannschaft Liechtensteins. Müller darf man jedoch zugutehalten, dass er über Wolfingers Prominenz offenbar nicht im Bilde war.

So stand nur Wolfinger nach dem Spiel vor dem Kabinentrakt des Isar-Loisach-Stadions und strahlte. "Ich habe das wertvollste Trikot", jubelte er, Müllers Trikot mit der Nummer 25 um den Nacken geschlungen. "Die anderen", verriet Wolfinger, "haben mich schon ein bisschen neidisch angeschaut." Schließlich war Müller der Publikumsliebling an diesem Donnerstagabend beim Testspiel in Wolfratshausen - und neben Mats Hummels und Kingsley Coman einer von nur drei gestandenen Profis.

Ein halbes Dutzend Stammspieler hatten die Bayern im Vorfeld angekündigt, letztlich mussten sich die 4000 Zuschauer beim 4:1 der Münchner mit der Hälfte begnügen, da etwa Franck Ribéry und Juan Bernat kurzfristig absagen mussten: Sie waren angeschlagen. Grämen wollte sich beim BCF aber niemand. "Es war trotzdem ein Erlebnis", versicherte Wolfinger und schob diesen erfrischend freimütigen Satz hinterher: "Es ist egal, wenn neben Thomas Müller ein paar rumlaufen, die ich nicht kenne."

Der BCF hatte sich wochenlang auf diesen Tag vorbereitet. 40 Helfer schmierten Semmeln. Mitglieder pinselten Transparente für Ehrenbürger Edmund Stoiber, der als FCB-Aufsichtsrat die Partie an der Loisach eingefädelt hatte, und für Gattin Karin, die am Donnerstag ihren 74. Geburtstag feierte. 25 Einlaufkinder wurden auserkoren - und die begehrteste Hand, die von Weltmeister Müller, durfte die Tochter von BCF-Trainer Marco Stier greifen, die siebenjährige Miley.

Als Müller (und jene, die Wolfinger nicht kannte) am Donnerstagabend einliefen, schrie sich ein Mädchen die Seele aus dem Leib: "Müller! Müller! Müller!" Immer wieder. "Müller! Müller! Müller!" Bis die Bayern-Fans ihren ersten Gesang intonierten und die Rufe verschluckten.

Die 60 Minuten selbst, auf die sich die Bayern mit Wolfratshausen verständigt hatten, waren zwar nicht mehr als ein Sommerkick, doch der Außenseiter hielt sich wacker gegen Müller, Hummels, Coman, den reaktivierten Torwart-Oldie Tom Starke und eine Reihe von Nachwuchs- und Regionalligaspielern. "Das Ergebnis ist sehr zufriedenstellend", sagte Wolfinger, "wir hatten überraschend viel Ballbesitz - und das Tor hat es perfekt abgerundet."

Die Bayern gingen früh durch Manuel Wintzheimer in Führung (4.), Thomas Müller (30.) und Franck Evina (32., 58.) legten nach. Doch in der Schlussminute gelang Vincenzo Potenza der überschwänglich bejubelte Ehrentreffer. "Ich bin an Mats Hummels vorbeigekommen", staunte der Torschütze, als er sein Kopfballtor nach einem Freistoß von Marian Knecht beschrieb. "Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel war", sagte Potenza, "bin ich emotional auf dem höchsten Punkt."

Als Potenza diesen Satz formte, war er merklich nervös: Er stammelte etwas. Es steht zu vermuten, dass der Italiener noch nie vor einer derart großen Journalistenschar referiert hat wie an diesem Abend. Was er aber sagte, war Ausdruck ehrlicher Freude.

Souveräner jedoch war Müller, als er vor die Medien trat. Der Weltmeister ist ein Meister der Rhetorik. Das Freundschaftsspiel? "Passt super in die erste Trainingswoche rein." Die Ziele für die neue Saison? "Das Maximale rausholen." Der Urlaub? "War schnell vorbei." Und: "Es ist nicht so, dass man sich fünf Wochen auf eine einsame Insel legt und nicht weiß, was man tun soll, sondern es muss auch der Rasen zu Hause gemäht werden. Jetzt hat man wieder Spaß mit Ball am Fuß."

Hinterher waren beim BCF alle wunschlos glücklich - freilich auch ohne Sieg. "Ich bin mega stolz", schwärmte Wolfratshausens Trainer Stier, "wir haben super dagegenhalten. Die Jungs hatten Eier in der Hose, wir haben von hinten rausgespielt und die Bälle nicht einfach rausgespielt. Dann noch ein Tor zu machen, das ist gigantisch." Und Abteilungsleiter Manfred Fleischer bilanzierte: "Wir sind ein kleiner Verein, deswegen war es eine große Sache für uns."

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