Friedwälder:Der Traum von der letzten Ruhe im Wald

Bäume sind Symbole des Lebens - bald muss man nicht mehr in die Schweiz, um unter Bäumen bestattet zu werden.

Bernhard Lohr

Der Wald ist ein Sinnbild für das Leben. Und er gilt vielen Menschen auch als Sinnbild für Ruhe und Frieden. Immer mehr Menschen wollen im Wald ihre letzte Ruhestätte finden. Deshalb könnte es bald in Geretsried die Möglichkeit geben, sich unter einem Baum bestatten zu lassen.

Friedwälder: Im Anschluss an die Gräberreihen des Geretsrieder Waldfriedhofs könnte eine Art Naturfriedhof entstehen, in dem Bestattungen unter Bäumen möglich werden.

Im Anschluss an die Gräberreihen des Geretsrieder Waldfriedhofs könnte eine Art Naturfriedhof entstehen, in dem Bestattungen unter Bäumen möglich werden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Peter Krayer arbeitet seit 25 Jahren beim Geretsrieder Bestattungsunternehmen Klein. Er erlebt, wie sich die Bestattungs- und Trauerkultur ändert. Mehr Menschen als früher entscheiden sich für eine Feuerbestattung. Und viele können mit der Urnenwand oder dem Urnengrab nur wenig anfangen. Krayer verweist die Angehörigen in solchen Fällen notgedrungen an die "Oase der Ewigkeit". Die GmbH aus dem schweizerischen Beatenberg bietet manches an, was in Deutschland, Bayern und Geretsried nicht oder noch nicht möglich ist.

Der Vorstellung, dass der Mensch nach seinem Tod in den Kreislauf der Natur zurückkehrt, können viele etwas abgewinnen. Der Wunsch, auf einem Naturfriedhof beigesetzt zu werden, ist der logische nächste Schritt. Die Schweiz war Vorreiter - hierzulande vollzieht sich der Wandel langsam. Das Bestattungsrecht wurde schrittweise liberalisiert. Seit einigen Jahren ist die Waldbestattung in der Urne in Bayern erlaubt, sie stößt auf Interesse. Einige Firmen bieten Ruhestätten in mehr oder weniger naturbelassene Waldstücken unter dem Namen Friedwald, Ruheforst oder Gedenkwald an.

In Geretsried arbeitet Stadtarchitekt Christian Müller an einem Konzept, wie der Waldfriedhof mit seinen klassischen Gräberreihen nach Norden hin in ein Waldstück hinein erweitert werden kann, um dort Bestattungen unter Bäumen möglich zu machen. Bestatter Krayer rechnet fest damit, dass in Geretsried Baumgräber bald möglich werden. Eine Stele aus Holz könnte als zentraler Gedenkort im Wald stehen, an Bäumen könnten Plaketten auf die Verstorbenen hinweisen. Am besten fände es Krayer, wenn man auf die verrottbaren Urnen verzichten und die Asche völlig naturschonend einfach in ein kleines Loch einbringen könnte.

Über solche Details wird noch nicht gesprochen. Die grundsätzliche Bereitschaft, in Geretsried einen Naturfriedhof ohne Grabsteine zu schaffen, ist aber groß. Im Stadtrat gab es viel Zustimmung. Volker Witte von den Grünen, der um jeden Baum in der Stadt kämpft, sagte, er würde gerne unter einem Baum seine letzte Ruhe finden. Auch Inken Domany kann sich das vorstellen. Die Ansprechpartnerin für Umweltfragen im Rathaus ist fachlich für den Stadtwald, den Waldfriedhof und den künftigen Bestattungswald zuständig. "Eine tolle Sache", sagt sie. Ihr gefällt die Idee, dass Angehörige an einen bestimmen Baum gehen, um sich an einen Verstorbenen zu erinnern. Ein solcher Friedhof habe eine ganz andere Atmosphäre.

Nach Ostern plant das Rathaus eine Exkursion, um sich einige Beispiele für Friedwälder anzusehen. Man wird etwas reisen müssen. Denn in unmittelbarer Nähe gibt es keine. Die Friedwald GmbH etwa betreibt drei Wälder, in denen Bestattungen möglich sind, unter anderem in Nordbayern. Sie hat sich den Namen "Friedwald" schützen lassen. Die Gedenkwald GmbH, betreibt einen solchen Wald in Bad Feilnbach. Die Gedenkwald GmbH ist als Tochterunternehmen aus der Firma Hartl Bestattungen in Prien hervorgegangen. Der Bestatter in Prien machte ähnliche Erfahrungen wie der in Geretsried. Stephan Rüttenauer ist Forstwirt, hat sich zum Forsttechniker weitergebildet und entwickelt bei der Gedenkwald GmbH mit Sitz in Prien am Chiemsee Naturfriedhöfe. Derzeit plant er in Seeon-Seebruck einen zweiten solchen Wald. Er sagt, die Firma habe es sich zur Aufgabe gemacht, Naturbestattungen zu ermöglichen, weil man zuvor Hinterbliebene mit ihren Wünschen für ihren Verstorbenen nur an andere Anbieter weiterverweisen konnte.

Dabei leistet Rüttenauer Pionierarbeit. Denn in Süddeutschland gibt nur wenige außergewöhnliche Waldfriedhöfe. Rüttenauer sieht dafür mehrere Gründe, wie etwa die größere Verbreitung von Nadelwald und klassischem Nutzwald im Süden und die Eigentümerstrukturen. Eine Schwierigkeit ist, für einen jahrzehntelangen Zeitraum die Nutzungsrechte für einen Wald zu bekommen. "Es muss gewährleistet sein, dass die Bäume stehen bleiben können", erklärt er. Dazu kämen Vorbehalte vor allem in katholischen Regionen.

Tatsächlich stand die katholische Kirche der Naturbestattungs-Bewegung wegen ihrer naturreligiösen Ideen lange ablehnend gegenüber. Pfarrer Georg März von der Geretsrieder Pfarrei Heilige Familie hat zunächst keine Vorbehalte. Er wurde bisher auch nicht mit solchen Fragen konfrontiert, sagt er. Lange war er Jugendpfarrer, sei einigen Monaten betreut er eine Pfarrgemeinde und hat natürlich viele Beerdigungen als Seelsorger begleitet. Der Wunsch, in einem möglichst naturbelassenen Wald beigesetzt zu werden, sei ihm gegenüber bisher nicht geäußert worden, sagt er. Wenn jemand danach frage, sehe er im Grunde kein Problem, es komme auf die hinter dem Wunsch stehende Intention an.

Bestatter Krayer erlebt in Beratungsgesprächen immer wieder die Sehnsucht nach einer möglichst natürlichen Bestattung. Die Verehrung für Bäumen spiele bei dem Wunsch eine Rolle: Der Baum gelte als Symbol für das Leben, als Zeichen der Beständigkeit. "Das ist einfach die Naturliebe", sagt er. "Beisetzung in den Isarauen", wäre ein Name, den sich Krayer für die Geretsrieder Version des Friedwalds vorstellen könnte.

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