Flugplatz Königsdorf:Luftige Leidenschaft

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Beim Sommerfest zeigen die Piloten, warum der Standort in der Szene weltweit ein Begriff ist. Tausende Besucher staunen über die Kunststücke am Himmel.

Von Thekla Krausseneck, Königsdorf

Der Modellflieger schraubt sich steil in den Himmel empor, kippt in die Schräge, gleitet, schlägt einen halsbrecherischen Looping und stürzt plötzlich in die Tiefe - um sich kurz vor dem Aufprall doch noch aufzurichten und in einem eleganten Bogen wieder aufzusteigen. Schwerelos kreuzt der Flieger den Himmel, landet nach einer ausladenden Kurve auf dem Rasen und rollt noch einmal an der langen Reihe der Zuschauer vorbei, wie um sich zu präsentieren. Dann dreht er sich mit der Nase zum Publikum und bleibt stehen. Applaus erhebt sich von den Wiesen und Bierbänken: Tausende Besucher sind auch heuer zum zweitägigen Flugfest des Königsdorfer Segelflugzentrums gekommen, um gesellig beisammen zu sitzen, sich zu informieren und sich die Show-Flüge der Flieger anzusehen, der großen motorisierten, der Segler und der Modelle.

Die blau-gelb lackierte Extra 260 ist mit knapp einem Meter Spannweite und noch nicht einmal einem Kilogramm Gewicht einer der kleinsten Flieger, die es am Samstag zu sehen gibt. Der Ingenieur Jens Leubach, der die kompliziert wirkende Fernsteuerung - einen schwarzen Prügel mit zwei Steuerknüppeln und Schiebereglern für die Landeklappen - an einem Riemen um den Hals trägt, hat die Extra 260 selbst gebaut. Angefangen hat er mit zwölf Jahren, heute ist er 47. Ein Hobby, das ein ganzes Leben prägen kann.

Mit dem Segelfliegen ist es nicht anders: Wer sich für einen Flugschein und eine Mitgliedschaft im Königsdorfer Segelflugzentrum entscheidet, der muss eine Menge Leidenschaft mitbringen. Das Fliegen ist kein Hobby, dem man alleine nachgehen kann: Es braucht ein ganzes Team, jemanden, der das Flugzeug mit auf die Startbahn schiebt, jemanden, der die Startleitung übernimmt, jemanden, der die Winde betätigt, damit der Flieger überhaupt in die Luft kommt - acht bis zehn Leute sind für einen einzigen Flug im Einsatz, schätzt Alex Liebig, der während des Fests den Infostand betreut. Er hat vor zweieinhalb Jahren den Schein gemacht, seither ist er fast jedes Wochenende im Einsatz. Die Mitglieder verpflichten sich dazu, an 70 Stunden im Jahr im Verein anzupacken.

Liebig muss sich unterbrechen, als ein kleines, tropfenförmiges Flugzeug die Startbahn hinaufdonnert. Es nimmt Fahrt auf, hebt ab und ist einen Moment später bereits außer Sichtweite. Es sei ein tschechisches, zweimotoriges Reiseflugzeug, kommentiert Michael Watzke, dessen Stimme aus Lautsprechern tönt: Von den ursprünglich 380 gebauten Exemplaren der Let L-200 gebe es nur noch wenige flugfähige. Watzke ist auch so ein Beispiel für gelebte Flugleidenschaft: Aus seiner Moderation spricht die Liebe für den Sport. Als die libellenartige Mü 28 - ein handgebautes Flugzeug der studentischen Fliegergruppe Akaflieg München, zu der auch Watzke gehört - lautlos über den Platz schwirrt, gerät er ins Schwärmen. Der Segelflug sei die schönste Art des Fliegens, sagt er: Es sei ein stilles Fliegen, man gleite durch die Luft, höre nur das Rauschen des Winds. Und das bei rasanten Geschwindigkeiten. Die Mü 28 könne bis zu 400 Stundenkilometer erreichen.

280 000 Kilometer haben die Königsdorfer Segelflieger heuer zurückgelegt. Das entspreche "sieben Erdumrundungen im lautlosen Flug", sagt Watzke: Kein zweites Segelflugzentrum in Deutschland könne einen solchen Kilometerstand vorweisen. Selbst in den USA sei der Name des oberbayerischen Dorfs in der Fliegerszene ein Begriff. Das liege an der weltweit einzigartigen Lage des Reviers. "Die Alpen sind ein Paradies für Thermik-Flug", sagt Watzke. Die Sonne treffe in den Bergen nicht nur auf den flachen Boden, sondern auf etliche Schrägen. Dadurch entstünden besonders viele aufsteigende Luftpakete, die Flieger lange am Himmel hielten.

Während am Wochenende laufend Flieger abheben, sitzt Eduard Eichenseher an einem Laptop. Jeden Start und jede Landung trägt der 88-Jährige gewissenhaft in eine Tabelle ein. Eichenseher war schon dabei, als das Segelflugzentrum in den Sechzigerjahren eröffnete: Auch ihn hat das Fliegen nie wieder losgelassen.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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