Flüchtlinge:Zu wenig Wohnraum 

Die SPD im Kreis streitet über Fluchtursachen, ist sich in einer Sache aber einig

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland, in der öffentlichen Diskussion überlagert das alle anderen Themen. So auch beim politischen Jahresauftakt der Kreis-SPD in der Wolfratshauser Flößerei, wo der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Reiner Berchtold, die Situation in den 21 Kreisgemeinden mit aktuellen statistischen Zahlen verdeutlichte: Demnach waren zum Jahreswechsel in 121 Liegenschaften 1575 Personen untergebracht, davon 1442 offizielle Asylbewerber, die aus 31 Nationen kamen, darunter wiederum sehr viele aus Syrien, Afghanistan und Irak, aber auch aus Ländern wie Niger und Eritrea. 146 Personen wurden in den beiden "Notfalleinrichtungen" eingewiesen - das sind die umgerüsteten Turnhallen in Bad Tölz und Geretsried.

Flüchtlinge: In der Flößerei beherrscht allein ein Thema die Diskussion der Kreis-SPD: die Frage, wie es in der Flüchtlingskrise weitergeht.

In der Flößerei beherrscht allein ein Thema die Diskussion der Kreis-SPD: die Frage, wie es in der Flüchtlingskrise weitergeht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Diese auf den Stichtag bezogene Zahl verändere sich aber von Tag zu Tag durch Verlagerungen und Neuzuweisungen, die Wartezeit der Antragsteller dauere derzeit etwa elf Monate. Die Prognose bis Ende 2016 liegt nach Berchtolds Statistik bei 5000 zusätzlichen Asylbewerbern im Landkreis, deutlich mehr als jene 3400 Personen, die Landrat Josef Niedermaier noch vor einem Monat vorausgesagt hatte. Der Landkreis nehme derzeit 2,8 Prozent der Asylbewerber auf, die in Bayern untergebracht werden müssen, so Berchtold. "Die großen Themen" seien Integration, Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt, letzterer stelle von allen das größte Problem dar. Bei der Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum "läuft uns die Zeit weg", sagte Berchtold, "einige Kommunen scheinen da zu schlafen". Gleichwohl könne man dies alles schaffen, die Situation sei weit weniger schwierig als beispielsweise im Nachkriegsjahr 1947.

Flüchtlinge: Reiner Berchtold beim Vortrag.

Reiner Berchtold beim Vortrag.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ilse Nitzsche, die Vorsitzende des SPD-Arbeitskreises Frieden, bedankte sich "für diese positive Einschätzung" und verband damit die Frage an den Kocheler Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel, wieso es denn nicht möglich gewesen sei, "innerhalb von 14 Jahren Afghanistan "so nachhaltig zu befrieden, dass die nicht mehr alle herkommen müssen". Barthel sah die Ursache dafür in einer "verfehlten Politik der militärischen Einmischung in einem Land, in dem man sich nicht auskennt". In Afghanistan sei man drauf und dran, "auf diesem falschen Weg weiter zu gehen. Ohne Einmischung der USA hätten sich nach Meinung Barthels nicht "kriminelle Strukturen und Verbrecher breitmachen können". Man habe nur die Strukturen zerschlagen, ohne die Menschen zu gewinnen. Da müsse man sich nicht wundern, "dass sich die Leute dort in Bewegung setzen und dann auch nicht mehr aufzuhalten sind", denn Deutschland habe mehrere hundert Kilometer Grenze. Die total zu überwachen und abzusperren sei völlig unmöglich. Dieser Einschätzung widersprach Rainer Holthaus von der Wolfratshauser SPD heftig. Barthel mache es sich zu einfach. Es handle sich bei den Taliban und dem IS um "Mörderbanden". Wer sich denen nicht widersetze, mache sich "der unterlassenen Hilfeleistung" schuldig. Die immer gereiztere Debatte schnitt der Kreisvorsitzende Wolfgang Werner schließlich mit dem Hinweis ab, dass wohl eine Veranstaltung über sozialdemokratische Außenpolitik nötig sei.

Einig dagegen waren sich die Diskussionsteilnehmer zumindest über die Vordringlichkeit des Wohnungsproblems. Dies wirke sich nicht zuletzt auf die Obdachlosenunterkünfte aus, sagte Monika Hoffmann-Sailer aus Kochel. Nicht einmal für die Einheimischen gebe es Wohnungen. Das führe auch zu einer immer höheren Fehlbelegungsquote in den Asylantenunterkünften. Für das Defizit machte wiederum Berchtold nicht nur die Gemeinden verantwortlich, sondern auch den bayerischen Freistaat, der gerade erst "auf die Schnelle 30 000 Sozialwohnungen verkauft hat".

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