Flüchtlinge:Not bei der Unterkunft

Das Landratsamt vermied bislang Sammelstellen und verteilte Asylbewerber meist auf Wohnungen. Diese Strategie lässt sich kaum aufrechterhalten,wenn der Kreis weitere 150 Flüchtlinge aufnehmen muss

Von Klaus Schieder

Es sollte die letzte Sitzung der Kreisräte vor den Ferien sein, aber nun ist nicht ausgeschlossen, dass sie mitten in der Sommerpause nochmals zusammenkommen müssen. Falls sich die Zahl der Asylbewerber in den nächsten Wochen drastisch erhöht, muss der Kreistag in einer Sondersitzung darüber befinden, wie die Menschen untergebracht werden sollen.

Landrat Josef Niedermaier (FW) rechnet damit, dass der Landkreis in den Urlaubswochen womöglich doppelt so viele Flüchtlinge wie bisher aufnehmen muss. Derzeit leben hier 140 Asylsuchende, bis zum Herbst könnten es "bis zu 250, eher noch mehr, vielleicht 300 werden", sagte Niedermaier am Mittwoch im Kreistag.

Als Grund für seine Prognose nannte er den ungebrochenen Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland. Weil Aufnahmelager wie in Zirndorf oder München permanent überfüllt seien, gehe die Regierung von Oberbayern dazu über, die Leute direkt an die Landratsämter zu schicken, sagte Niedermaier: "Sie fragt nicht mehr, wo Plätze frei sind." Bad Tölz-Wolfratshausen hatte nach seinen Angaben zuletzt noch vier freie Plätze gemeldet, in den vergangenen drei Wochen aber doppelt so viele Asylsuchende zugewiesen bekommen.

Die Flüchtlinge, die im Landkreis bereits untergebracht sind, leben in sechs Kommunen, vorwiegend im Süden. Das Landratsamt vermied bislang Sammelunterkünfte und verteilte die Menschen meist auf Wohnungen. Diese Strategie lässt sich Niedermaier zufolge kaum aufrechterhalten, falls sich seine Prognose bewahrheitet. "Es gibt keine dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten mehr", sagte er.

Für mehrere tausend Euro hat die Kreisverwaltung bereits Annoncen aufgegeben, um weitere Domizile für Asylbewerber zu finden. Ohne jeden Erfolg. "Da hat sich überhaupt nichts getan", berichtete der Landrat. Derzeit wird geprüft, ob es in den kreiseigenen Gebäuden noch eine Möglichkeit gibt. Ansonsten sieht Niedermaier nur drei Optionen, um die erwartete Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen.

Die erste sieht vor, dass der Landkreis ein Grundstück mit Baurecht in Pacht oder Erbpacht anmietet, um darauf in "modularer Bauweise errichtete Gemeinschaftsunterkünfte" zu errichten, wie der Landrat formulierte. Einfacher ausgedrückt: Die Flüchtlinge würden in Container einziehen müssen. Die zweite wäre, Schulturnhallen in den Sommerferien rasch in Notunterkünfte umzuwandeln.

Den dritten Weg will Niedermaier möglichst vermeiden. In diesem Fall würde der Kreis die eine Hälfte, die Kommunen die andere Hälfte der zugewiesenen Asylbewerber übernehmen. Das dürfte schwierig werden. In Bad Heilbrunn, wo bereits 32 Menschen aus Krisengebieten wohnen, hatte Bürgermeister Thomas Gründl schon vor zwei Monaten erklärt, dass die Kapazitäten der knapp 3200 kleinen Gemeinde ausgeschöpft seien. Lenggries, wo noch kein Flüchtling lebt, hat laut Bürgermeister Werner Weindl (CSU) überhaupt keine eigenen Immobilien, die geeignet wären.

Ähnlich äußerten sich andere Rathauschefs im Landkreis. "Die Bürgermeister hätten schon gemeldet, wenn etwas da wäre", sagte Niedermaier. Deshalb wolle er "alles tun, um eine Weiterverteilung auf die Gemeinden zu verhindern". Versprechen könne er dies allerdings nicht.

Wenn der Kreistag im Sommer zusammentritt, muss er nicht bloß das Geld für Grundstücksmiete oder Container billigen. Diese Summe dürfte "im sechsstelligen Bereich liegen", sagte der Landrat. Das Gremium muss auch darüber befinden, ob mehr Stellen für die Betreuung der Asylbewerber im Landratsamt geschaffen werden. Bisher gibt es dafür 2,7 Stellen. "Sehr schlank gerechnet", sagte Niedermaier, wäre eine Vollzeitkraft für je 50 Flüchtlinge notwendig. Der Landkreis könnte dies nur über Schulden oder die Streichung anderer Mittel im Haushalt finanzieren.

Wie das Landratsamt verfährt, wenn ein Vermieter jetzt seine Wohnung anbietet und sie im November wieder anderweitig nutzen möchte, wollte Kreisrätin Monika Hofmann-Sailer (SPD) wissen. "Wir sind auf Vieles angewiesen und würden uns auf Vieles einlassen", erwiderte Daniel Waidelich, Leiter des Sozialamts. Da gelte es, jeden Einzelfall anzuschauen. Von den 140 Flüchtlingen, die bereits da sind, dürfte kaum jemand bald ausziehen, selbst wenn sein Asylantrag genehmigt ist. Die Menschen seien auf dem Wohnungsmarkt "schwer vermittelbar", sagte Niedermaier. Außerdem berichtete er über den Fall eines Flüchtlings, der bereits seit Mai 2012 im Landkreis lebt. Einen Bescheid zu seinem Asylantrag hat er bis heute nicht.

Offenheit und Transparenz forderte Kreisrat Paul Wildenauer (Ausschussgemeinschaft) bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Damit meinte er nicht die Container, sondern den Umgang das Landratsamtes mit dem Thema. "Deshalb sage ich das hier ja", antwortete Niedermaier.

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