Flotte Lieder:Äsen im Gebrümpf

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Flotte Lieder am E-Piano gehören bei Chris Boettcher zum Programm. (Foto: Manfred Neubauer)

Chris Boettcher erweist sich in Bad Tölz als unterhaltsamer Spötter und starker Parodist

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Wenn Chris Boettcher kommt, dann nicht alleine. Er hat eine ganze Starparade mitgebracht: Die Angela, den Trump und den Erdogan, den Loddar, den Franz und den Jogi. Den Udo, den Grönemeyer und den Maffay - und das sind längst nicht alle, die am Sonntagabend auf der Bühne im vollbesetzten Kurhaus zu Wort kommen. Gesehen hat man den Ingolstädter Comedian Boettcher vielleicht noch nicht, aber vermutlich schon mal gehört: Seine Bayern 3-Reihe "Lothar und Franz" oder "Fränglisch mit Loddar" genießt Kultstatus. Auch am Sonntag ist der Amüsierfaktor hoch: Zwei Stunden unterhält der smarte 54-Jährige das Publikum mit seinen Parodien, den flotten Liedern am E-Piano und den bissigen Gedichten bestens.

"Freischwimmer" heißt das neue Programm, das auch ältere Hits enthält - ein buntes Potpourri ohne roten Faden, aber mit Pointen, die sich nahtlos aneinanderreihen. Seinen Figuren ordnet Boettcher bekannte Melodien zu und passt die Texte an: Da gibt es den "Sex Bomb"-Trump, den "Macho-Macho"-Putin oder den "Ich-schoss-noch-niemals-nach-New-York"- Kim Jong Un.

Vor allem am amerikanischen Präsidenten arbeitet er sich ab: Etwa im Gedicht von der Suche nach Trumps Gehirn, das am Ende gar nicht verloren, sondern nie vorhanden war. "It's okay, it's okay, this is the American Way", singt Boettcher. Dort gebe es nun mal, anders als im Rest der Welt, keinen Klimawandel. Auch die Szene vom Wiener Opernball, dieser "Mischung aus Schmäh und Schnee", das Gedicht "Herr Hofer" über den Rechtsruck in Österreich oder das "Bundesdeutsche Heimatlied", gesungen von Angela und Horst, fallen böse aus. Boettcher kann freilich auch harmloser: "I have enough from you. You go me on the Cookie" - so laute etwa die Schlussmacher-SMS vom Loddar für seine aktuelle Freundin, die inzwischen gefährlich nah ans Grundschulalter heranrücke.

Genial ist Boettchers Grönemeyer-Parodie. Seit 30 Jahren stehe der Bochumer auf der Bühne. "Aber ich hab nie verstanden, was er singt", sagt Boettcher. "Du holst den Wind zum Trocknen rein", zitiert er eine verschwurbelte Textzeile. Da kann Boettcher mithalten: "Die Vernetztheit deiner Träume, lass mich äsen im Gebrümpf", schmettert er mit heiligem Ernst - umwerfend komisch ist das.

Boettcher, der nach einem abgebrochenen Lehramtsstudium als Redakteur und Moderator bei verschiedenen Radiosendern gearbeitet hat, reduziert seine Figuren auf wenige Merkmale, die er karikierend überzeichnet. Bunga-Bunga-Berlusconi, Bumm-Bumm-Boris, Merkel-Raute und Jogi-Scheitel, Stoiber-"Äh" und Carpendale-"Sch". Seine Ausflüge ins politische Kabarett, die Urteile über Trump, Erdogan oder den österreichischen Rechtspopulisten Strache fallen klar aus, gehen aber inhaltlich nicht weiter in die Tiefe. Seine Stärke ist die Parodie. Er entzaubert die Lichtgestalten, reduziert die Mächtigen auf ihren Größenwahn und die Stars auf ihre Attitüde. Boettcher gibt sie der Lächerlichkeit preis und verpackt den Spott in gut gemachte Lieder.

Dabei schreckt er auch nicht vor Schlüpfrigkeiten zurück, freilich unter Vermeidung schlimmer F-Wörter: Kurz vor der Zielgerade lenkt er die Pointe in harmloses Fahrwasser, was ebenfalls wieder für Lacher sorgt.

Nach der Pause fokussiert Boettcher von der großen auf die kleine Welt: Ein völlig verkorkster Muttertag, das Piercing-Lied über schmerzhaften Körperschmuck ("Nur im Kopf fehlt dir eine Schraube"). "In der Pubertät, da werd der Mensch unendlich bläd", singt Boettcher, der selbst Vater von zwei Söhnen ist. Auch das Lied über das Sexleben von Eltern, deren Kinder noch zu Hause leben, kommt gut an: "Es ist wie beim Yeti, es soll ihn geben."

In einem großen Finale verabschieden sich die Stars des Abends schließlich; mühelos springt Boettcher von einer Figur zur nächsten. Weil der Applaus aber nicht abebben will, gibt es als Dreingabe noch einen Hit, bei dem alle mitsingen: "10 Meter geh" - eine Abrechnung mit "Heidis Doofmodels".

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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