Flößerstadt:Belege, die Geschichte schreiben

Flößerstadt: Behutsam aber neugierig begutachtet Stadtarchivar Simon Kalleder die Dokumente zur Flößerei, die ihm Gabriele Rüth überreicht hat.

Behutsam aber neugierig begutachtet Stadtarchivar Simon Kalleder die Dokumente zur Flößerei, die ihm Gabriele Rüth überreicht hat.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Verein Flößerstraße übergibt dem Wolfratshauser Stadtarchiv wertvolle historische Dokumente zur Flößerei. Sie stammen von Ernst-Otto Holthaus, der sie einst gesammelt hat.

Von Konstantin Kaip

Das Flößereiarchiv im Wolfratshauser Stadtarchiv ist um einige wertvolle Dokumente reicher. Am Montag hat die Vorsitzende des Vereins Flößerstraße Gabriele Rüth dem Stadtarchivar Simona Kalleder drei gebundene Bücher und eine Kladde mit 24 Einzeldokumenten übergeben. Die handschriftlichen Dokumente reichen zurück bis ins Jahr 1701. Gesammelt hat sie der Gründer des Isar-Kaufhauses Otto-Ernst Holthaus, der auch Mitglied im Verein ist. Er hatte sie jahrelang in dem Restaurant Flößerstube ausgestellt, das von 1972 bis 1990 im Wolfratshauser Isar-Kaufhaus untergebracht war.

Archivar Kalleder freute sich über die historischen Dokumente. In der Kladde mit losen Blättern entdeckte er unter anderem eine Floßmeisterordnung aus dem Jahr 1640, allerdings in einer Abschrift von 1750, wie er sagte. Beim ersten Anlesen der verschnörkelten Kurrent-Schrift wunderte sich der Historiker über den Begriff "Tölzer Flößer". Gut möglich sei es jedoch, dass man aus praktischen Gründen einfach die existierende Floßmeisterordnung von Tölz auf Wolfratshausen übertragen habe, sagte Kalleder. Um das herauszufinden, muss er das Dokument aber noch genauer untersuchen. Unter den losen Blättern fand er auch ein "Zeugniss", das an Landgericht und an Magistrat gerichtet war. Es bescheinigt einem Flößer die nötigen technischen Fähigkeiten und finanziellen Mittel, um Holz zum Bau einer "stabilen Brücke" bei Deggendorf zu transportieren. "Das ist für uns sehr wertvoll", sagte Kalleder über die Seiten aus Büttenpapier, die er vorsichtig durchblätterte. Schließlich könne man daraus auch Rückschlüsse auf die Regionalgeschichte ziehen. So zeigten Rechnungen aus den Jahren 1705 und 1706 Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekrieges auf das Handwerk: ob etwa weniger nach München geliefert wurde oder mehr, weil dort die Zerstörung durch den Krieg zu erhöhtem Bauaufkommen geführt habe. In den Dokumenten fand Kalleder auch die Rechnung für zwei Stangenträger, die im Jahre 1710 für die Sebastianiprozession 24 Gulden erhalten hatten. "Das ist ein definitiver Nachweis dafür, dass es 1710 eine Prozession in Wolfratshausen gegeben hat", freute sich der Archivar.

Neben der Kladde bekam er noch drei gebundene Bücher. Zwei Protokollbücher tragen unterschiedlichen Titel und Jahreszahlen: "Flößerverein" 1818 bis 1819 und "Verein der Flößer" 1829 bis 1868. Noch wertvoller ist für den Historiker jedoch das Rechnungsbuch der Flößerinnung, in dem die Einnahmen aus den Nutzungsgebühren für den Floßkanal aufgelistet sind. "Hier sind alle Flößer verzeichnet, die dort durchgefahren sind", stellte Kalleder fest. Die Fährleute kamen unter anderem auch aus Garmisch, Bichl und München. Ein Beuerberger musste 1871 für zwei Flöße 36 Kreuzer zahlen, ein anderer Unternehmer hatte in dem Jahr 134 Flöße aufgelistet - für 40 Gulden und zwölf Kreuzer. Das Buch sei ein wichtiger Beleg für die Wolfratshauser Flößerei im 19. Jahrhundert, konstatierte Kalleder. Schließlich lasse sich damit eindeutig die Frequenz bestimmen. "Wir können sehen, was gute und was schlechte Jahre waren." 1874 sind laut den Aufzeichnungen der Innung insgesamt 3864 Flöße über den Kanal gefahren.

Wie Kalleder erklärte, gibt es im Wolfratshauser Stadtarchiv zwar einige ähnliche Dokumente zur Flößerei. Nach der Auflösung der Innung sei vieles in Privatbesitz gelangt, "und davon ist einiges zu uns gewandert". Allerdings sei das Flößereiarchiv an vielen Stellen lückenhaft. "Das hier wird sicher einige Lücken schließen", sagte der Archivar über die neuen Dokumente.

Der Verein Flößerstraße hat die Dokumente kürzlich von Holthaus bekommen, der sie in den 1970er Jahren selbst gesammelt und in den vergangenen Jahren in seinem Keller aufbewahrt hat. Der Vorstand habe beschlossen, sie dem Stadtarchiv zu geben, sagte Rüth. "Hier werden sie ordnungsgemäß aufbewahrt und von Herrn Kalleder fachgerecht gewürdigt", erklärte sie. Zudem seien sie für alle Bürger zugänglich, die sich für die Geschichte der Flößerei interessierten, ergänzte Kalleder. Die Flößerstraßen-Vorsitzende Rüth nutzte die Übergabe dann auch zu einem Aufruf: Jeder, der zuhause noch historische Unterlagen finde, die mit der Flößerei zu tun haben, solle sie bitte dem Stadtarchiv aushändigen. "Ich bin mir sicher, dass in vielen Speichern und Kellern noch solche Dokumente liegen."

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