Familiengerichtsverfahren:Ein Leitfaden zum Wohl des Kindes

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Amtsgericht, Jugendamt, Erziehungsberatung und Rechtsanwälte erarbeiten ein Modell, bei dem Beratung und einvernehmliche Lösung im Vordergrund stehen.

Felicitas Amler

Rechtsanwältin Susanne van Lier und Andreas Brommont, Leiter der ökumenischen Erziehungsberatungsstelle, erläutern das neue Modell. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das entscheidende Wort heißt "Wohl des Kindes": Unter diesem Aspekt hat das Amtsgericht Wolfratshausen zusammen mit dem Jugendamt, der ökumenischen Erziehungsberatungsstelle und Rechtsanwälten einen Leitfaden für Familiengerichtsverfahren erarbeitet. Im Kern geht es darum, Konflikte zwischen klagenden Eltern so zu entschärfen, dass betroffene Kinder geschützt und geschont werden. Dies betrifft Auseinandersetzungen über den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht und die sogenannte Herausgabe des Kindes.

Gespräche statt Schriftsätze, Beratungen statt Dauerstreit, außergerichtliche Lösungen statt Urteile: All dies sind Elemente des Leitfadens, den Amtsgerichtsdirektorin Elisabeth Kurzweil zusammen mit den anderen Beteiligten am Donnerstag der Presse vorstellte. Andreas Brommont, Leiter der Erziehungsberatungsstelle, sagte, das Ganze sei "wie ein Balsam für die Kinder".

Erste Erfahrungen zeigten, dass man zu guten Ergebnissen komme, wenn "Hochstreitigkeit" zwischen Eltern vermieden werde. Eine Einigung zwischen den Partnern führe vor allem dazu, dass den Kindern eine Aussage vor Gericht erspart bleibe. Langfristig sei es erwiesen, dass Kinder nach einvernehmlichen und friedlichen Trennungen ihrer Eltern besser beziehungsfähig seien, außerdem weniger verhaltensauffällig und suchtgefährdet.

Susanne van Lier, Fachanwältin für Familienrecht, schilderte anschaulich, wie sich die Situation zunehmend auch bei den Anwälten verändere. Früher sei es absolut üblich gewesen, dass ein Vater oder eine Mutter im Streitfall einen schlagkräftigen Anwalt wollte, der erst einmal der Gegenseite ordentlich eins überbrät. "Die Chance, sich zu einigen, ist da ziemlich aufs Spiel gesetzt." Nun aber gehe es darum, den Konfliktparteien Gehör zu verschaffen, sei es beim Jugendamt, bei der Erziehungsberatung oder der Familienrichterin. Wenn sich dann verstanden fühle, zeige keine Aggression mehr, erklärte van Lier.

Wichtig sei es, dass möglichst alle Rechtsanwälte ihre Mandanten dazu ermuntern, einvernehmliche Lösungswege zu suchen. "Wenn einer anfängt zu schießen, wird der andere zu seinem Anwalt sagen, warum machst du jetzt nichts?" Daher haben die Rechtsanwälte im Landkreis zusätzlich einen Verhaltenskodex erstellt. Auch darin wird das Kindeswohl als zentrales Ziel beschrieben.

Die Richterinnen Anne Köhn und Adelinde Gessert-Pohle sagten, die Resonanz auf den neuen Weg sei sehr positiv. Gessert-Pohle betonte, es gehe so auch alles viel schneller. Köhn erklärte, das Gericht erhoffe sich zusätzlich mehr Transparenz. Und Amtsgerichtsdirektorin Kurzweil stellte fest: "Wir schreiben nicht mehr so viel und hauen uns beim Schreiben nicht mehr so viel um die Ohren."

Das Modell fügt sich ein in eine neue Linie, die allgemein an den bayerischen Gerichten vorgegeben wird: die richterliche Mediation. In Wolfratshausen ist dies eigentlich nichts Neues, denn Elisabeth Kurzweil hatte, bevor sie Anfang 2011 Direktorin des hiesigen Amtsgerichts wurde, das Konzept für den bayerischen Modellversuch "Güterichter" erarbeitet.

So wird die Mediation hier auch schon seit zwei Jahren erprobt - in sämtlichen Dingen, wie Kurzweil sagte: von Betreuungs- bis zu Wohneigentümer-Streitigkeiten. Ein Gespräch des Güterichters mit den Konfliktparteien sei streng vertraulich, und es könne schon mal fünf, sechs Stunden dauern. Der Richter sei dabei in einer anderen Rolle als sonst: "Er darf nicht bestimmen, sondern muss zuhören, begreifen, unterstützen." Die Erfolgsquote liege bei 75 Prozent.

© SZ vom 19.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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