Fahrtkosten zur Schule:Gericht bleibt auf Linie

Pullacher Familie scheitert mit ihrer Klage: Der Kreis muss die Fahrt zur Realschule nach Wolfratshausen nicht bezahlen.

Von Ulrike Schuster

Mit einem grundlegenden Missverständnis räumte Richter Peter Klaus gleich zu Beginn der Verhandlung auf: "Es gibt keinen verfassungsmäßigen Anspruch auf die Kostenfreiheit des Schulwegs." Dass überhaupt Fahrtkosten erstattet würden, sagte er, sei eine freiwillige Leistung des Staates. Und die erfolge nur, wenn die Kinder die nächstgelegene Schule besuchten - also die, die am kostengünstigsten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei.

An dieser Linie entlang entscheiden Gerichte seit Jahrzehnten, wenn es darum geht, die Grenzen der Schulwegkostenfreiheit in Bayern auszuloten. Am Dienstag war vor dem Verwaltungsgericht München das Urteil klar auf Linie: Wer die nächstgelegene Schule wählt, kriegt Geld zurück. Wer nicht, kriegt Null. In diesem Fall müssen die Eltern die Fahrt mit Bus und Bahn bezahlen. Die Klage von Familie Schwaiger aus Pullach wurde abgelehnt, die die Fahrt ihrer Kinder in die Realschule nach Wolfratshausen nicht vollkommen aus eigener Tasche zahlen wollte. Der Landkreis hat nach Meinung des Gerichts in der Vergangenheit aber rechtmäßig entschieden.

Seit drei Jahren herrscht zwischen den beiden Parteien Streit. Über drei Dinge ist man sich einig: Sohn und Tochter Schwaiger besuchen nicht die nächstgelegene Realschule in Fürstenried zum MVG-Preis von 37,40 Euro im Monat, sondern die Realschule in Wolfratshausen, für 78,90 Euro. Das 41,50 Euro Extra-Geld geht auf Rechnung der Eltern.

Aber wer bezahlt den Rest? Die 37,40 Euro "fiktiven Beförderungskosten", die alle Standard-Schulen-Eltern erstattet kriegen, die Extra-Schulen-Eltern aber nicht. Für das "Extra" haben sich die Schwaigers nicht deshalb entschieden, weil sie in den Schulen unterschiedliche Qualität entdeckten, sondern weil sie ihren Kindern nicht zumuten wollten, einmal umzusteigen - von der S- in die U-Bahn. "Es gibt keinen Anspruch auf den bequemsten und einfachsten Schulweg", sagte Richter Klaus.

Die Landkreis-Vertreterin meldete sich in der Verhandlung nur ein einziges Mal zu Wort: "Wir handeln nicht nach Emotionen, sondern nach dem Gesetz," sagte Regierungsinspektorin Rosemarie Jesipow. Die restlichen 40 Minuten debattierten Richter Klaus, Vater Norbert Schwaiger und Anwältin Kerstin Baltz im Pingpong hin und her. Es ging ums große Ganze: um Gleichheit, Gerechtigkeit, Föderalismus.

"Im Landkreis herrscht ein Zwei-Klassen-System", sagte Schwaiger. "Eltern, die ihre Kinder auf die Schule, die sie für die richtige halten, schicken, sind dem Land weniger wert, als die Eltern, die ihre Kinder auf die nächste und günstigste schicken." Eine Ungleichbehandlung, die er als hochgradig ungerecht empfinde. Richter Klaus schaute auf die andere Seite der Medaille: "Man könnte auch sagen, diejenigen werden belohnt, die es dem Staat ermöglichen, die Schulen gleichmäßig auszulasten sowie plan- und maßvoll mit den Finanzen umzugehen." Mit dieser Praxis werde der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, denn Gleiches werde gleich behandelt. Alle Eltern, die ihr Kind auf die nächstgelegene Schule schickten, kriegten ihr Geld zurück. Schwaiger hielt dagegen, nannte diese Logik staatlich verordneten Schulzwang, dem sich vor allem die finanziell schlechter Gestellten beugen würden. Bei den Starken hingegen, die es sich leisten könnten, sich dem System zu verweigern, wolle der Landkreis sparen.

Das Duo Schwaiger und Baltz verlor. Für eine Überraschung, sagte Baltz, "hätte es einen mutigen Richter gebraucht, der sich gegen das Verfassungsgericht stellt". Aufgeben werden sie nicht. Die Anwältin sieht eine Schwachstelle in dem ihrer Meinung nach zu weit gefassten Ermessensspielraum. "Andere Bundesländer schaffen es auch, ihre fiktiven Beförderungskosten konkret zu regeln."

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