Wolfratshausen:Schlauchboot-Partys: Naturschützer fürchten Ansturm auf die Isar

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Die Isar ist bei Schlauchbootfahrern ein beliebtes Freizeitrevier. Das Foto zeigt die Stromschnellen an der Isarburg nahe Lenggries. (Foto: Manfred Neubauer)

Mehrere Verbände warnen vor Massenveranstaltungen auf dem Fluss. Das könne das Ende einiger bedrohter Tierarten sein.

Von Benjamin Engel und Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Geplante Massenveranstaltungen mit Schlauchbooten auf der Isar im Mai und Juni alarmieren Behörden, Umwelt- und Naturschützer im Landkreis. Hunderte Nutzer hatten schon für eine Aktion im Mai zugesagt. Die Ankündigung ist zwar inzwischen von der Seite einer Facebook-Gemeinschaft für Freizeit-Tipps verschwunden. Doch noch immer lädt ein Privatmann öffentlich zu einer Bootstour im Juni von Bad Tölz nach Wolfratshausen ein - mit hübschen Bildern vergangener Fahrten.

Neben Informationen zur Anreise mit der Bahn und dem Treffpunkt hat der Gastgeber eine umfangreiche Checkliste von empfohlenen Ausrüstungsgegenständen beigefügt. Die Teilnehmer der Veranstaltung, die offenbar keine kommerziellen Absichten verfolgt, werden dazu aufgerufen, allen Müll wieder mitzunehmen, um das Naturschutzgebiet so zu hinterlassen, wie sie es vorgefunden haben. Bis Montag haben bereits mehr als hundert Menschen ihre Teilnahme zugesagt, fast 1500 Facebook-Mitglieder zeigen sich interessiert.

Facebook-Party auf der Isar
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Es gehe nur um eine Einladung für Freunde und deren Bekannte. Und den Müll nehmen alle immer wieder mit.

Jetzt reicht es den Umweltschützern. "Die Isar ist kein Ballermann": Unter diese Überschrift haben der Landesbund für Vogelschutz (LBV), der World Wild Fund for Nature (WWF) Deutschland und der Landesfischereiverband Bayern ihre Ablehnung solch großer Schlauchbootfahrten gestellt. Seit Jahren beobachte man schon "eine unkontrollierte Zunahme des Bootsverkehrs, unter dem die Isar im Süden von München zunehmend leidet", heißt es in ihrer gemeinsamen Erklärung. Die Grenze der Belastbarkeit für diese Flusslandschaft, die unter Naturschutz stehe, sei längst erreicht und werde bereits jetzt stellenweise deutlich überschritten.

In den Aufrufen zu Bootstouren in den sozialen Medien wie Facebook sieht Fabian Unger "nochmals eine ganz andere Dimension" als in den Fahrten kommerzieller Anbieter. Der regionale LBV-Projektmanager befürchtet "1000 Leute, die ins Gewässer gehen" und über vom Aussterben bedrohte Vögel und Fische "wesentlich weniger informiert sind". Würde die Isar zu einer Art grünen Partymeile, wäre dies seiner Ansicht nach "ein Supergau" für den Fluss mitsamt seiner Flora und Fauna.

Bad Tölz-Wolfratshausen
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Hunderte von Freizeitkapitänen könnten das Aus für die nur noch wenigen Brutpaare des Flussuferläufers und die seltene Flussseeschwalbe bedeuten. Eine ähnlich große Gefahr droht den Fischen, die vor allem an den seichten Kiesbänken leben. "Die kaum wahrzunehmenden Fische im Flachwasser werden dabei schlichtweg zermalmt und zertrampelt", warnt Patrick Türk vom Landesfischereiverband.

In tiefer Sorge zeigt sich auch der Verein "Rettet die Isar jetzt". Vorsitzender Karl Probst hat deshalb die Münchner Firma angeschrieben, die verantwortlich für die Facebook-Seite mit Freizeit-Tipps zeichnet. Auch er sieht durch den Raftingbetrieb auf der Isar die Grenze des Vertretbaren als bereits überschritten an. Die Isar sei ein empfindliches Ökosystem, so Probst: "Massenaufläufe nach der Art von Facebookpartys haben in diesen Naturräumen nichts verloren und stoßen auf unseren erbitterten Widerstand."

Landratsamt will Partys verbieten

Für Franz Steger vom Tölzer Landratsamt sind der Fluss und seine Ufer als Natur- und Landschaftsschutzgebiet "keine Spaß-Fun-Action-Zone für Münchner". Anders als bei kommerziellen Anbietern oder Bootstouren, die etwa als Regatta ordnungsgemäß angemeldet sind, steht der Sachgebietsleiter Umwelt bei Ankündigungen in den sozialen Medien jedoch vor der Aufgabe, erst einmal den Veranstalter zu eruieren.

"Da braucht es einen Verantwortlichen, den man heranziehen kann, das ist nicht immer so leicht herauszufinden." Gelingt dies, werde man die geplante Aktion untersagen. Steger verweist auf eine andere Erfahrung mit unorganisierten Paddlern: Am Ende müssten die Einsatzkräfte der Wasserwacht sie wieder aus dem Fluss ziehen, die Isar-Ranger kaputte, am Ufer zurückgelassene Boote entsorgen.

Auch die Naturschutzverbände ärgern sich darüber, dass auf der Isar oftmals die Natur- und Landschaftsschutzverordnungen ignoriert werden. "Wir sind nicht gegen das Naturerlebnis auf der Isar, aber uns stören die Massenveranstaltungen", sagt Fabian Unger. Schließlich sei im Artikel 18 des Bayerischen Wassergesetzes geregelt, dass zwar jeder die Flüsse und Seen zur Freizeitgestaltung nutzen dürfe. "Voraussetzung ist aber, dass dadurch kein Schaden für das Gewässer entsteht".

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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