Europawahl regional:Anreize aus Brüssel

St. Ursula Gymnasium Hohenburg

Gäste aus sechs Ländern zum Abschluss eines Projekts der EU am St. Ursula Gymnasium.

(Foto: Manfred Neubauer)

Auch im Landkreis werden viele Projekte durch die EU mitfinanziert. Das reicht von Hilfen für Landwirte über Austauschprojekte für Schüler bis zum grenzüberschreitenden Radwegebau

Von Ingrid Hügenell

Politiker, vor allem bayerische, stellen es oft so dar, als zahle die Bundesrepublik hauptsächlich Geld an die EU und bekomme nichts zurück. Dabei profitieren auch im Landkreis Menschen direkt oder indirekt von Fördermitteln der EU, die etwa an Landwirte oder in bestimmte Projekte fließen. Meist gilt dabei, dass die EU nicht komplett alles bezahlt, sondern dass Kommunen, das Land oder Teilnehmer an Projekten einen Eigenanteil beitragen müssen. Der Landkreis ist dabei nicht einmal eine der Gegenden, die besonders gefördert werden. "Zum Glück sind wir kein Zielgebiet", sagt Andreas Wüstefeld, der sich im Landratsamt sowohl um Marketing wie auch um das EU-Leader-Projekt kümmert. Denn das würde bedeuten, dass der Landkreis zu den strukturschwachen Gegenden zählen würde.

Umwelt und Landwirtschaft

Ob es im Landkreis ohne die Europäische Union noch Streuwiesen gäbe, auf denen im Frühling Mehlprimeln und Enziane blühen? Oder Nasswiesen mit Trollblumen und Orchideen? Das weiß Joachim Kaschek nicht. Aber Kaschek, der im Tölzer Landratsamt im Sachgebiet Umwelt tätig ist, weiß, dass die EU Landwirte unterstützt, die extensiv bewirtschaftete Flächen pflegen. Hunderttausende Euro fließen laut Landwirtschaftsministerium jedes Jahr auch in den Landkreis. Die Landwirte verpflichten sich im Gegenzug, feuchte Wiesen und Magerrasen ebenso weiter zu bewirtschaften und so deren einzigartige Flora und Fauna zu erhalten wie Wiesenbrüterflächen. "Ohne dieses Programm hätten wir nicht den Konsens, dass die ursprüngliche, extensive Kulturlandschaft erhalten werden kann", sagt Kaschek. Eingeführt habe das Programm der Freistaat Bayern schon in den 1980-er Jahren, über den Bund gelangte die Idee nach Brüssel. Die EU stieg 1996 in die Förderung ein. "Die Mittel sind damals deutlich gestiegen", sagt Kaschek. Denn der Freistaat zahlte weiter, und die EU legte noch einmal etwa die selbe Summe drauf.

Berufliche Bildung

Eagle Burgmann in Wolfratshausen, Unicomp in Geretsried, Dorst in Kochel am See - alles Firmen, die global agieren. Und die folgerichtig Mitarbeiter suchen, die gut Englisch sprechen und einigermaßen sicher im Kontakt mit internationalen Geschäftspartnern sind. 25 kaufmännische Auszubildende der Tölzer Berufsschule erhalten über das Leonardo-Programm der EU jedes Jahr die Möglichkeit, drei Wochen lang das European College of Business und Management in London zu besuchen, wie Schulleiter Josef Bichler sagt. Sie legen danach eine Prüfung ab und erhalten, wenn sie bestehen, den Europass für berufliche Mobilität, ein Zertifikat der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer.

"Das hilft bei der Bewerbung", weiß Bichler. "Inzwischen ist es fast normal, dass das Geschäft weit über Deutschland hinaus reicht." Finanziert wird der London-Aufenthalt teilweise von der EU, die Teilnehmer müssen selbst etwa 1000 Euro aufbringen, die jedoch oft von den Ausbildungsbetrieben ganz oder teilweise übernommen werden. Momentan sind zudem neun Zimmerer-Azubis zu einem Austausch in Tschechien. In Hradec Králové (früher Königgrätz) absolvieren sie ein zweiwöchiges, freiwilliges berufliches Praktikum. Die jungen tschechischen Austauschpartner waren im vorigen September in Bad Tölz. Dorthin seien sie mit vielen Vorbehalten gekommen, sagt Bichler, und dann habe es ihnen so gut gefallen, dass sie gar nicht mehr heim gewollt hätten.

"Völkerverständigung funktioniert besonders gut, wenn die jungen Leute merken, die anderen sind so wie sie, haben die gleichen Sorgen und Nöte", sagt Bichler. Auch mit dem italienischen Rovereto besteht ein Austausch. Die Italiener waren bereits zu Gast in der Wolfratshauser Metallabteilung der Berufsschule, der deutsche Gegenbesuch wird gerade vorbereitet.

Schul-Projekte

Diverse Schulen im Landkreis sind an verschiedenen Comenius-Projekten beteiligt. Die Grund- und Mittelschule Lenggries erhielt im vorigen Jahr das Siegel als Europa-Schule, weil dort seit vielen Jahren Comenius-Projekte laufen. Die Grund- und Mittelschule Königsdorf verlängert gerade ihr Projekt mit ihrer norwegischen Partnerschule. Norwegen gehört zwar der EU nicht an, beteiligt sich aber dennoch an Comenius. Das Königsdorfer Programm diente dem Austausch, vor allem aber der Schulentwicklung.

Schulrätin Marianne Konrad schätzt die Effekte sehr, die die Programme auf Schüler wie Lehrer haben: die Offenheit gegenüber anderen Kulturen, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zu sehen. Auch Gymnasien beteiligen sich an Comenius-Projekten, etwa das Hohenburger Gymnasium in Lenggries. Ulrike Brosch-Cruel, die Lehrerin, die das Projekt dort koordiniert, sagt, in den Köpfen der jungen Leute sei Europa schon angekommen. Comenius-Projekte gab oder gibt es auch an den anderen Gymnasien im Landkreis und in Penzberg. Die Tölzer Fach- und Berufsoberschule hat schon teilgenommen, ebenso die Realschule Bad Tölz.

Leader

Große Summen kommen über die Leader-Projekte nicht in den Landkreis. Bei diesem Förderprogramm geht es um Nachhaltigkeit, darum, eine Anschubfinanzierung zu geben für Vorhaben, die sonst wenig Chancen hätten, verwirklicht zu werden, wie Andreas Wüstefeld, Leader-Manager im Landkreis, erklärt. An einer Förderperiode war der Landkreis bisher beteiligt, sie lief von 2007 bis 2013. Die Bewerbung für die zweite Periode wird vorbereitet. Ausbezahlt wurde an 23 Projekte knapp eine Million Euro. Profitiert haben etwa der Kräuter-Erlebnispark in Bad Heilbrunn, die Sternwarte in Königsdorf, der Erlebnispfad im Wolfratshauser Bergwald und das Kloster Benediktbeuern, das einen Masterplan bekommt, der ihm Wege in die Zukunft weisen soll. Auch bei Leader gilt: Maximal 50 Prozent der Mittel kommen von der EU, der Rest muss anderweitig aufgebracht werden.

Interreg

Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg - das ist eine Grundidee der europäischen Integration. Der Landkreis ist daran mit einem Interreg-Programm beteiligt, in dessen Rahmen ein Radweg entsteht, der die Alpen überquert. Er wird von München nach Venedig durch drei Länder führen. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat bei dem Projekt die Leitung. Die "Freundschaftsradroute", so der offizielle Name, soll helfen, den Tourismus anzukurbeln, weshalb es einen einheitlichen und attraktiven Markenauftritt für die gesamte Strecke geben wird. Die Route solle eine "Alpenradroute für jedermann" sein und schaffe gleichzeitig reizvolle Möglichkeiten zur Verbindung mit bestehenden Radfernwegen, heißt es in der Projektbeschreibung. Die Fertigstellung ist für Februar 2015 geplant. Die Kosten: etwa 324 000 Euro, aus EU-Mitteln kommen 60 Prozent, etwa 194 000 Euro.

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