Kunst:Aus einem Künstlerleben

Der Bildhauer Hans Kastler starb 2016. Seine Erinnerungen an seine Kindheit in Oberösterreich bis zu seinem Schlaganfall hat Tochter Petra Welker in einem Buch herausgegeben.

Von Benjamin Engel

Die Klamschlucht wird für den schwedischen Dichter August Strindberg (1849-1912) zum mystischen Ort: "Der Wasserfall und die Mühle, das Rauschen ähnelt dem Ohrensausen, das mich seit den ersten beunruhigen Ereignissen in Paris verfolgt . . . Dann die Schmiede mit den nackten und nackten Schmieden, bewaffnet mit Feuerzangen, Haken, Klemmen, Schmiedehämmern inmitten von Feuer, Funken, glühendem Eisen und geschmolzenem Blei; ein Lärm, der das Gehirn auf seiner Unterlage erschüttert und das Herz im Brustkorb zum Hüpfen bringt." So beschreibt Strindberg eine seine Wanderungen durch die Klamschlucht in Oberösterreich Ende des 19. Jahrhunderts. Damals hielt sich der schwedische Dichter in der Gegend auf.

Nur etwa vier Jahrzehnte später wird Hans Kastler in dieser familieneigenen Schmiede stehen. Als Bub schaut der 2016 verstorbene Bildhauer seinem Vater zu, wie er aus glühendem Eisen unter dem schweren Hammer Pflugeisen oder Werkzeug formt. Die Erinnerungen an die Kindheit in der Schlucht werden ihn bis zum Lebensende begleiten - das Rauschen des Wassersfalles, das Getöse des Hammers in der alten Schmiede und das Spielen mit den Steinen im Wasser.

In seinen Lebenserinnungen erzählt Hans Kastler seinen Weg "von der Klamschlucht in die Welt der bildenden Kunst", wie es im Untertitel heißt. Doch als er mit den Aufzeichnungen beginnt, kann er nicht mehr künstlerisch tätig sein. Nach einem Schlaganfall ist er halbseitig gelähmt. Mit der linken Hand muss er das Schreiben erst lernen. Trotzdem füllt er 120 DIN-A4-Seiten. Jetzt hat Neffe Ambros Kastler die handschriftlichen Notizen redigiert. Daraus hat Petra Welker, die Tochter von Hans Kastler, ein Buch mit 135 Seiten zusammengestellt und herausgegeben. Dem Leser gewährt der renommierte Bildhauer einen intimen Blick in seine private Gedankenwelt. Selbst die Krankheiten und Zumutungen des Alters spart er nicht aus.

In Klam bei Grein in Oberösterreich wird Kastler am 2. Juli 1931 geboren. Er wächst in eine vom Handwerk geprägte Familie hinein. Vater Josef betreibt zu dieser Zeit die familieneigene Hammerschmiede. Mutter Theresia stammt aus der Stürmmühle. Und dann sind noch die vier älteren Brüder von Hans Kastler. Nur die ältesten beiden werden den Zweiten Weltkrieg überleben.

Vom Bach, dem Wald und den Felsen mit den vielen Verstecken spricht Kastler als seinem Kindergarten. Früh macht ihn sein Onkel Ernst Graner, ein Wiener Maler, mit der Welt der Kunst vertraut. Den Wunsch Schnitzer zu werden, weckt schließlich die Lektüre von Ludwig Ganghofers Buch "Der Herrgottschnitzer von Oberammergau". Für die Ausbildung in der Bundesschule für Holz- und Steinbearbeitung in Hallein muss Kastler seine Geburtsregion im Alter von 15 Jahren verlassen. Die Fahrt in den knapp 190 Kilometer entfernten Ort im Salzburger Land empfindet er als Weltreise. Mit Motorrad, Lastwagen und Zug dauert es 15 Stunden, bis er sein Ziel erreicht.

Die Ausbildung verändert sein Denken und den Bezug zur Kunst. "Die Form war plötzlich wichtiger als das Thema. Und so fand ich allmählich in eine neue Art der Gestaltung hinein. Ich glaubte es zunächst jedenfalls, aber es stimmte nicht ganz. Ich merkte, dass das Gefühl noch wichtiger war", schreibt er. Sein Lehrerprofessor Hans Baier war ein Schüler des Tierplastikers Fritz Behn. Bei dem wird Kastler seine Ausbildung von 1951 bis 1954 fortsetzen.

Von ihm übernimmt er wohl das Interesse an Tierfiguren. In einem Sägewerk im Münchner Stadtteil Moosach will Kastler Schnitzholz kaufen. Er entdeckt ein Stück Ulmenholz, aus dem er einen Schimpansen schnitzt. Die Affenfigur bleibt ihm lebenslang treu. "Immer wenn ich Glück hatte, war der Schimpanse in irgendeiner Form mit im Spiel."

Tierplastiken werden später für die Kunst Kastlers prägend, etwa der Gorilla in Geretsried oder auch der Wolf in Wolfratshausen oder beispielsweise ein Panther an der Ecke von Rosenheimer und St.-Martin-Straße in München. Sechs Meter hoch und 22 Meter lang ist die Monumentalplastik in Form einer Schlange, die Kastler aus Beton gießt - für die Ruderregattaanlage zu den Olympischen Spielen in der bayerischen Landeshauptstadt. Charakteristisch sind auch die sogenannten Stabi-Mobs, Skulpturen mit stabilen und mobilen Elementen, die sich ineinander verdrehen können.

Horizonterweiternd wird für den Wolfratshauser Kulturpreisträger und Bundesverdienstkreuzträger das Reisen. Ein Stipendium führt Kastler Mitte der 1960er-Jahre zur Wurlitzer Foundation nach Taos im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexico. Die rituellen Hirschtänze der Pueblo-Indianer werden für ihn zur Inspiration.

In seinen Lebenserinnerungen erzählt Kastler nicht nur davon, sondern auch von seinem Hauskauf in Happerg. Dort lebte er seit 1969. Genauso erfährt der Leser, wie er seine Frau Renate kennenlernte. Selbst deren jahrelangen Kampf gegen den Krebs verschweigt er nicht. Genauso schreibt er über seinen Schlaganfall rund zwei Jahre vor seinem Tod. Danach musste er sein Atelier-Haus im Eurasburger Ortsteil Happerg für immer verlassen. Selbst seinen geliebten Chow-Chow Carla musste er abgeben.

Die letzten zwei Lebensjahre bis zu seinem Tod am 26. August 2016 verbrachte er in einem Pflegeheim in Benediktbeuern. Erst jetzt habe er den schwedischen Dichter Strindberg richtig begreifen können, der einige Zeit in der Klamschlucht in Oberösterreich gewohnt hatte und von der Schlucht und der Schmiede so beeindruckt gewesen sei, schreibt Kastler. An sein Schaffen erinnert noch der Skulpturenpark in Happerg. Die Gemeinde hat noch zu seinen Lebzeiten das Grundstück gegenüber seinem Atelier gekauft. Vertraglich hat sie zugesichert, sich 100 Jahre um den Park zu kümmern. Bis vor Kurzem lief eine Ausstellung mit Mini-Plastiken im Eurasburger Rathaus. Im November sind die Stücke im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen zu sehen.

Hans Kastler, Lebenserinnerungen - Von der Klamschlucht in die Welt der bildenden Kunst, herausgegeben von Petra Welker, Redaktion: Ambros und Julia Kastler, 2017, 19 Euro, bestellbar über die Homepage www.hans-kastkler.de, 1. Auflage ausverkauft, wieder erhältlich ab Anfang November; Ausstellung mit 25 Klein-Plastiken im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, Professor-Max-Lange-Platz 1, in Bad Tölz von 9. bis 30. November

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