Aktmalerei:Kunst der Emotionen

Die Malerin Traudl Klor veranstaltet einen Workshop in ihrem Atelier in Hohenschäftlarn. Auch die Teilnehmerinnen entblößen sich - mit ihren Gefühlen, die sie auf die Leinwand bringen.

Von Andreas Scheuerer, Schäftlarn

Starke, emotionsgeladene Farben sind auf dem Gemälde zu sehen, an dem Isabelle gerade arbeitet. Ihre Pinsellinien führen kreuz und quer über die Leinwand. Zwischendurch wischt und tupft sie mit den Fingern über bereits gemalte Stellen, ehe sie wieder zum Pinsel greift. "Chaotisch? Nein, nein", sagt die 17-jährige Nachwuchskünstlerin, "das hat schon alles seine Ordnung." In dem abstrakten Dickicht aus bunten Farben zu erkennen: der Körper eines Mannes. Das reale Vorbild befindet sich am anderen Ende des Raumes auf einem Podest und sitzt heute Akt für den Workshop der Künstlerin Traudl Klor.

Der Kurs im Zeichnen von Körpern, wie Gott sie schuf, findet in Klors Atelier in Hohenschäftlarn statt, einem großen, lichtdurchfluteten Raum mit hohen Decken. Ein langer Tisch, auf dem sich unzählige Acrylfarbflaschen, Kreide und andere Malutensilien stapeln, steht in der Raummitte. Und aus dem CD-Player, der in einem Wust von Büchern über Picasso und anderen Malerpersönlichkeiten fast zu verschwinden droht, ertönt klassische Musik. An den Wänden hängen etliche Bilder von Klor selbst, die das Zimmer mit ihren kraftvollen Farben und Formen gänzlich einnehmen - vor allem der Frauenakt dient als Sprachrohr von Klors Emotionskunst.

Aktmalerei: Nicht schüchtern: Aktmodell Christian Franz Silys posiert für die ausschließlich weiblichen Teilnehmer eines Workshops von Traudl Klor.

Nicht schüchtern: Aktmodell Christian Franz Silys posiert für die ausschließlich weiblichen Teilnehmer eines Workshops von Traudl Klor.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Neben Isabelle nimmt auch Lena Dergach an Klors Workshop teil, vor dessen Bild Klor gerade Platz genommen hat, um es zu begutachten. "Ich finde es fantastisch und würde nichts mehr daran ändern", sagt sie. Die 45-jährige Urheberin des Bildes ist geschmeichelt. Für sie ist es das erste Mal überhaupt, dass sie Akt malt. Vorher habe die Angestellte eines Architekturbüros nur ein paar naturalistische Motive zu Hause auf einen Block gemalt. "Ein Naturtalent", konstatiert Klor.

Natürlich übt Klor, die mittlerweile ein halbes Jahrhundert als Künstlerin tätig ist, auch Kritik an den Teilnehmern ihres Workshops und leistet immer wieder Hilfestellung mit eigenen Pinselstrichen. Ihr ist es wichtig, dass die Bilder Emotionen und die Individualität des Künstlers transportieren, erklärt die 78-Jährige. Es spiele keine Rolle, ob ein Fuß des Aktes grün und der andere blau gemalt wird, solange das Bild neugierig macht. "Etwas an dem Gemälde darf einen nicht mehr loslassen", so Klor. Erst wenn das Bild diese Eigenschaften erfüllt, dürfen die Schüler ihr Atelier verlassen. Voraussetzungen für die Teilnahme gebe es aber nicht. Lediglich einen Kittel und die Lust auf Kunst sollten die Interessierten mitbringen.

An diesem Tag sind sämtliche Teilnehmer weiblich. Das Aktmodell Christian Franz Silys wirkt jedoch ob der Frauenpower keineswegs eingeschüchtert. Im Gegenteil, die Posen vor den Damen seien entspannend und gäben ihm eine gewisse Freiheit, sagt der Schauspieler und Fotograf aus München. Das Aktstehen sei zudem eine gute Übung, denn auch als Schauspieler müsse man häufig Schamgefühle überwinden. Dieses verspüre er, nachdem er schon seit zwei Jahren vor Gruppen posiert, nur noch selten. Besonders spannend findet der 34-Jährige jenen Moment, in dem er das fertige Bild zu sehen bekommt. Wie die Künstler ihn inszenieren findet Silys beeindruckend und mache den Reiz an der Arbeit als Aktmodell aus.

Aktmalerei: Künstlerin Traudl Klor (rechts) lobt und verbessert die Bilder ihrer Schülerinnen. Denn erst, wenn sie einen nicht mehr loslassen, sind sie fertig.

Künstlerin Traudl Klor (rechts) lobt und verbessert die Bilder ihrer Schülerinnen. Denn erst, wenn sie einen nicht mehr loslassen, sind sie fertig.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In der Pause des Workshops sitzen er und die Künstlerinnen zusammen und diskutieren, natürlich über Kunst. Diether Kunerth, der im Stile von Picasso male, ist Thema und begeistert alle Anwesenden. Klor erzählt dann noch ein wenig von ihrem Werdegang, der bei dem Ickinger Künstler Ludwig Maurer-Franken begonnen hat, wo sie impressionistisch malte. Auch die Trauer um den Tod ihres Künstlervaters habe sie jedoch dazu bewegt, ihre Emotionen in ihre Bilder einfließen zu lassen, diese gar davon abhängig zu machen.

Am Ende spricht Klor dann noch über ihre "späte Tochter", ihre Schülerin und Kursteilnehmerin Isabelle. Dieser habe sie inzwischen sogar einen Schlüssel für ihr Atelier anvertraut, denn Isabelle male oftmals nachts. Klor kommt vor allem ins Schwärmen bei einem der neuesten Werke der angehenden Abiturientin: "Flüchtlingskrise" heiße es, sagt Isabelle: Menschen, die sich aus Boten an das Ufer retten möchten, sind darin zu sehen. Das, was Klor ihren Teilnehmer aber am meisten wünscht und mitgeben will, ist, authentisch und autonom zu bleiben. Hierfür sei Isabelle, sagt Klor, ein Musterbeispiel.

Die Vernissage zur neuen Einzelausstellung der Künstlerin Traudl Klor "Kunst und Eros" findet am 1. Juni um 19 Uhr im Künstlerhaus am Lenbachplatz in München statt. Finissage ist am 24. Juni.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: