Erneuter Schlag für Bad Tölz:Moralt verlässt Bad Tölz

Die Traditionsfirma gibt nach 100 Jahren ihren Stammsitz auf und zieht nach Hausham. Der Hersteller von Türsystemen stritt mit der Stadt wegen der Genehmigung neuer Gebäude. Nun gibt es Schuldzuweisungen

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Nach dem Aus für das Freizeitbad Alpamare trifft Bad Tölz der nächste Schlag: Die traditionsreiche Firma Moralt zieht nach Hausham um. Das Unternehmen, das Türsysteme herstellt, ist seit genau 100 Jahren in der Kurstadt ansässig und Namensgeber für den Moraltpark, ein kleines Viertel mit Kino, Geschäften, Kneipe, Disco und Freigelände. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, sagt Klaus Feile, Vorstand der Moralt AG. Der Stadt wirft er vor, sie habe sich "nicht sonderlich zu uns bekannt". Bürgermeister Josef Janker (CSU) weist den Vorwurf zurück. Er bezeichnet es zwar als traurig, dass der Traditionsbetrieb weggeht, nimmt es aber gelassen: "Moralt ist eine Marke, aber davon kannst du nicht runterbeißen."

Der Abschied hatte sich schon seit langem angekündigt. Der Türenhersteller mit 35 Mitarbeitern und rund 6,5 Millionen Euro Jahresumsatz hat an seinem Standort an der Lenggrieser Straße das Problem, dass seine Gebäude betagt und marode sind. Deshalb wollte die Firma eine neue Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen errichten, einen Vorbescheidsantrag lehnten die Stadträte jedoch im November 2014 ab. Neben der ungeregelten Zufahrt von der Bundesstraße 13 aus spielte dabei vor allem der Hochwasserschutz eine Rolle.

Klaus Feile von 'Moralt Tischlerplatten' in Bad Tölz, 2011

Klaus Feile, Vorstand der Moralt AG, zieht mit seiner Firma von Bad Tölz nach Hausham um.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das neun Hektar große Gelände, das sich Moralt mit dem Stäbchenplatten-Produzenten SWL teilt, liegt im Überschwemmungsgebiet der Isar. Seit dem Hochwasser im August 2005 projektierte das Wasserwirtschaftsamt Weilheim dort mehrere Maßnahmen, die noch nicht ganz abgeschlossen sind. Die Firma Moralt plante ihre neue Halle wegen der Überflutungsgefahr auf einem 80 Zentimeter hohen Podest und erklärte sich Feile zufolge auch bereit, alte Gebäude abzureißen, "damit das Wasser Platz hat". Auf einen Bescheid des Wasserwirtschaftsamtes Weilheim, der die Grundlage für die Genehmigung des Bauvorhabens durch das Landratsamt gewesen wäre, wartete er aber vergebens. Die Behörde habe ein Planungsbüro mit einem Gutachten beauftragt, das zeigen soll, wo das Wasser bei einer Überschwemmung wie hoch steht und wo es sich ausbreitet. Das liege bis heute nicht vor, so Feile. "Es wäre die Basis gewesen, um zu beweisen, dass unser Bauantrag funktioniert." Darüber zeigt sich Peter Gröbl, Sachgebietsleiter Wasserbau im Wasserwirtschaftsamt, verblüfft. "Von einem Gutachten weiß ich nichts", sagt er. Tatsache sei, dass die Behörde "nichts abgelehnt hat". Derzeit sei man am letzten Bauabschnitt für den Hochwasserschutz auf dem Moralt-Areal dran.

Zwischen der Firma Moralt, der Stadt und dem Landkreis gab es laut Bürgermeister Janker mehrere lange Gespräche, an denen außer ihm auch Landrat Josef Niedermaier (FW) und alle wichtigen Abteilungsleiter teilnahmen. Aber der Hochwasserschutz sei ein Problem, das der Grundeigentümer mit dem Mieter lösen müsse. "Es müssen halt die Hausaufgaben gemacht werden", sagt Janker. Stadt und Kreis seien an Vorschriften gebunden und in diesem Fall "nicht die Bösen".

Wechselvolle Geschichte

Der Name Moralt ist mit Bad Tölz seit einem Jahrhundert verbunden. 1915 kaufte Schreinermeister August Moralt, der zuvor eine Holzbearbeitungsfabrik auf dem Grundstück des heutigen Tölzer Gymnasiums gegründet hatte, die sogenannte Schletzbaumsäge im Süden der Stadt. Damit begann die Geschichte der Firma Moralt in Bad Tölz. Sie erfand und entwickelte 1926 die Stäbchenplatte, womit die industrielle Fertigung von Tischlerplatte begann, 1975 dann den Haustürrohling. Die Moralt-Werke wurden 1979 von dem Baustoffkonzern Pfleiderer AG übernommen. Dies blieb so bis 2003, als die Moralt Tischlerplatten GmbH & Co. KG aus der Taufe gehoben wurde, verbunden mit der Ausgliederung aus der Pfleiderer AG. Neuer Eigentümer des Areals an der Lenggrieser Straße wurde die Certina Holding AG. Nach der Insolvenz der Moralt Tischlerplatten GmbH im Jahr 2011 stieg das westfälische Unternehmen SWL ein. Sie übernahm 2012 einen Teil von Moralt und mit 50 Mitarbeitern die Stäbchen -Produktion, die neu gegründete Moralt AG mit 35 Beschäftigten konzentrierte sich auf Türrohlinge für Hightech-Holztüren. "Unser Kerngeschäft sind Funktionstürensysteme für Innen- und Außentüren und leichte Holzwerkstoffe mit Vollholzkern für hochwertige Anwendungen", sagt Vorstand Klaus Feile. Dazu zählen Schall-, Rauch- und Brandschutztüren. In den neuen Standort in Hausham will die Moralt AG eine halbe Million Euro investieren. "Wir werden unsere Produktion deutlich modernisieren und effizienter gestalten", sagt Feile. sci

Eigentümer des Areals ist Hans Wehrmann, Geschäftsführer der Certina Holding AG. "Er will keinen Pachtvertrag mehr machen", sagt Feile. Für die Moralt AG sei dies "existenzgefährdend" und noch ein Grund für den Wegzug. Wehrmann schildert dies anders. Sein Vertrag mit Moralt und SWL läuft noch bis Ende 2017. In den Gesprächen über eine langfristige Miete von 2018 an habe er von der Firma Moralt Mitte Juni erfahren, dass sie kein Interesse daran habe, erzählt er.

In Hausham siedelt sich der Tölzer Traditionsbetrieb auf dem Gelände der pleite gegangenen Druckerei Rotaform an. 5000 Quadratmeter für die Produktion, 1200 für das Lager, 450 für die Verwaltung - "das ist perfekt auf uns zugeschnitten", sagt Feile. Seine Mitarbeiter nahm er am Montag auf eine Art Betriebsausflug mit, damit sie sich an Ort und Stelle ein Bild vom künftigen Firmensitz machen. Empfangen wurden sie von Bürgermeister Jens Zangenfeind. "In Hausham sind wir willkommen", so Feile. Der Umzug soll nach Umbauarbeiten in einem halben Jahr erfolgen. In Tölz möchte SWL laut Wehrmann die frei werdenden Flächen nutzen. Ob der Moraltpark ohne die Firma Moralt noch ihren Namen behält? Auf jeden Fall, sagt Janker: "Der Name Moralt hat ja Gewicht in Bad Tölz, aus der Historie heraus."

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