Energieautarkie rückt in die Ferne:Klimaschutz braucht mehr Dynamik

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Andreas Süß erstattet dem Umweltausschuss Bericht. Nach jetzigem Stand wäre der Landkreis nicht wie geplant 2035 unabhängig von fossilen Energieträgern, sondern erst 2060

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen muss sich beeilen, um sein selbst gesetztes energiepolitisches Ziel zu erreichen. Vor allem in der E-Mobilität und der Wärmeerzeugung gebe es Defizite, erklärte der Klimaschutzbeauftragte Andreas Süß kürzlich im Umweltausschuss des Kreistags. Vor vier Jahren hat der Landkreis ein Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht, um bis zum Jahr 2035 vollständig unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein. Vor zwei Jahren wurde der Fachbeirat Energie eingesetzt, der sich aus Fraktionsvertretern und Experten zusammensetzt, und vor einem Jahr eine Halbtagsstelle für den Klimaschutzbeauftragten geschaffen.

Süß sagte, man sei zwar auf einem guten Weg, manches müsse aber deutlich schneller gehen, damit das Ziel erreicht werden könne. "Wenn man da im jetzigen Tempo weitermacht, sind wir 2060 noch nicht am Ziel": Bei Wärme aus erneuerbaren Energiequellen wie Biomasse liege der Landkreis derzeit bei 17 Prozent. Und von 112 599 zugelassenen Fahrzeugen waren Ende August gerade mal 141 E-Autos und 327 Hybridfahrzeuge gemeldet - was einem Anteil von gut 0,4 Prozent entspricht. Immerhin sei die Tendenz leicht steigend, denn im April lag die Zahl der E-Autos noch bei 124. E-Bikes dienten aber nicht dazu, Strom zu sparen, gab Süß zu bedenken. "Dabei wird zusätzlicher Strom gebraucht."

Um eine bessere Versorgung mit Ladestationen zu erreichen, erstellt der Klimamanager derzeit eine landkreisweite "Ladeinfrastruktur-Analyse". Dabei wird erfasst, wo die Abdeckung noch schlecht ist, und wo geeignete Standorte für Ladesäulen wären. "Wir haben alle Kommunen gesichtet", sagte Süß. Die Analyse sei eine Entscheidungsgrundlage, keine Verpflichtung. "Es ist den Kommunen überlassen, was sie damit machen."

Auch bei der Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO) und dem angegliederten Energiekompetenzzentrum (EKO) räumt man der E-Mobilität hohe Priorität ein. "Das ist das Thema, das am meisten nachgefragt wird", sagte Andreas Scharli (EKO). Viele Privatleute und Betriebe seien an Eigenstromproduktion durch Photovoltaik interessiert. Technisch sei das kein Problem, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW). "Aber es kostet." Zum Fuhrpark des Landratsamts gehören derzeit drei E-Autos und sechs Hybridfahrzeuge. Laut Scharli müssten für die Installierung einer Ladesäule etwa 2000 Euro investiert werden, dazu kämen die Anschlusskosten. "Ein Haus, zwei Autos, eine Ladesäule, das funktioniert hervorragend."

Kreisrat Michael Häsch (CSU) sagte, es brauche dringend kostengünstige und umweltfreundliche Speichertechnologien. "Denn wenn für das E-Auto Atomstrom verwendet wird, ist das sinnlos." Süß lobte die Biomasse-Heizzentrale am Tölzer Schulzentrum als "vorbildlich". Um dem Vorwurf zu begegnen, für die Energieversorgung würden "unsere Wälder abgeholzt", hatte er 18 Vertreter von Umwelt- und Forstverbänden zu einem Runden Tisch eingeladen. Fazit: Energieholz muss ein wichtiger Teil in der regionalen Energiewirtschaft sein. Etwa 5000 zusätzliche Haushalte im Landkreis könnten so nachhaltig mit Wärme versorgt werden. Ende des Jahres soll es einen weiteren Runden Tisch geben, bei dem über das Thema Feinstaubbelastung und Luftreinhaltung im Zusammenhang mit Energieholznutzung diskutiert werde.

Insgesamt 13 Themenfelder umfasst der Aktionsplan, für dessen Umsetzung der Landkreis heuer 40 000 Euro im Haushalt hat; 27 000 Euro sind laut Süß bereits ausgegeben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Photovoltaik, denn "unglaublich viel Potenzial gibt es noch auf Privatdächern", sagte Süß. Deshalb soll bis Ende Oktober ein landkreisweites Solarkataster fertiggestellt sein, wie es bereits in Geretsried und Wolfratshausen abrufbar ist: Jeder Hausbesitzer könne sich online über die Eignung seines Daches für eine PV-Anlage informieren und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen. Süß will die Internet-Plattform für gelungene Beispiele im Klimaschutz ("Best Practice") erweitern, Infoveranstaltungen anbieten und die Energieberatung im Landratsamt bekannter machen, die derzeit nur selten in Anspruch genommen werde.

Cornelia Irmer (FW), Sprecherin des Fachbeirats, lobte die gute Arbeit des Klimabeauftragten, der die umfangreichen Maßnahmen im Rahmen einer Teilzeitstelle umsetzen müsse. Es sei zu bedenken, "ob wir das nicht ein bisschen stärker aufstellen müssen", regte sie an. Auch das Energiekompetenzzentrum (EKO), das den Fachbeirat bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen unterstützt, bietet Info- und Beratungsangebote: So würden derzeit Energiekonzepte für Bad Tölz und Bad Heilbrunn erstellt, sagte Scharli. Mit Wolfratshausen gebe es Gespräche über das Projekt "Energiekarawane": Es sieht vor, Stadtviertel aus den Sechziger-, Siebzigerjahren zu betrachten und dort eine Steigerung der Sanierungsquote zu erreichen.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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