Endspurt:Die Maschkera packen an

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In Königsdorf zeigt der Faschingszug überraschende Lösungen für drängende Probleme der Nachbarstädte. Die Benediktbeurer sorgen sich um Störche und das Wetter, und auch in Geretsried feiern ein paar Unentwegte.

Barbara Szymanski, Thekla Kraußeneck und Jessica Christian

So hätten sie's gern, die Königsdorfer. Ob da Geretried mitspielt? (Foto: Hartmut Pöstges)

Schneetreiben, scharfer Wind, Minustemperaturen: Keine Faschingsstimmung beim Gaudizug in Königsdorf und nur wenige unerschrockene Zuschauer? Von wegen. Dicht gedrängt standen kostümierte Narren aus der ganzen Region entlang der Hauptstraße und amüsierten sich über die Motivwagen. Die Themen liegen zwar nicht auf der Straße, dafür aber in Rohren: Das seit August vorigen Jahres wegen unbekannter Verunreinigungen gechlorte Wasser war Anlass für Spott und Hohn. Aber auch die Wol-Fraas-Hauser - da war der kritische Stadtrat Alfred Fraas gemeint - bekamen wegen ihrer Schrankengegnerschaft eines auf die Mütze. Einen spöttischen Blick warfen die Maschkera auch auf das Hallenbad: Ein Wagen zeigte, wie eine "kleine Lösung" ausschauen könnte. Nur das Bier wollte nicht so in Strömen fließen. "Wir haben falsch eingekauft. Glühwein und Punsch gehen bald aus", klagte ein Standlbetreiber.

Bewegendes Thema: die S-Bahn. (Foto: Hartmut Pöstges)

Fast ein kleines Theaterstück bot die Besatzung des Wagens mit dem Thema S-Bahn-Verlängerung. Kernige Männer in blauen DB-Overalls verlegten echt aussehende Gleise und sperrten immer wieder die Straße mit einer rot-weißen Schranke. Dazu das Lied von der Schwäbischen Eisenbahn. Der Spruch auf dem Wagen: "In WOR ruht der S-Bahn-Scheiß, und wir verlegen scho die Gleis."

Endlich eine praktikaable Lösung im Hallenbad-Dauerzwist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der elfjährige Martin Demmel war als Brunnenwart verkleidet, sein Vater als SEK-Mann, der am Trinkwasserbrunnen tote Mäuse mit einem Vergrämungsgerät behandelte: "Die Maus hat's derwischt. Tätää." Die Nagetiere sollen schuld sein, dass das Wasser verunreinigt ist.

Applaus erhielt auch das Wägelchen von Lorenz Schwaiger, Narr der ersten Stunde, zum Kennzeichen WOR und dem Kommentar von Landrat Josef Niedermaier: "So ein Schmarrn." Dahinter ein flinkes, kleines Fahrzeug in Weiß, Vorhut eines brummenden Boliden mit Bohrturm. Das Thema -klar, Geothermie. Die Männer auf dem Wagen waren schwer beschäftigt. "Auf geht's, Manna, da vorn bohrn ma no amoi an Kilometer diafa." Die Kinschdarfa Maschkera (Königsdorfer Maskierte) blickten auch zurück. Auf den Maibaum 2011, der mit 48 Meter der höchste gewesen sein soll bei einem Wettbewerb eines Radiosenders. Dabei waren es "nur" 36 Meter. Die Burschen kommentierten das mit einer langen Gumminase à la Pinocchio. Unter die kurzen Hirschledernen hatten sie Strumpfhosen angezogen, wie die feschen Mädchen auf dem Catwalk-Wagen.

Echt narrisch: die Pläne für ein Pumpspeicherkraftwerk am Jochberg. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Königskerze stand in Benediktbeuern, beim "Beira" Faschingszug, im Mittelpunkt. Ein Wagen und eine Fußgruppe widmeten sich der Pflanze und Sepp Haslinger. Der Benediktbeurer hatte in der BR-Sendung "quer" anhand der Blume das Winterwetter vorhergesagt. Dumm nur, dass der für Mitte Februar angesagte Schnee schon im Januar fiel. Das verwirrte auch Frau Holle, die auf einem der Wagen saß und nicht wusste, ob sie es nun schneien lassen sollte oder nicht. Vom milden Wetter waren auch die Störche verunsichert, die im Kloster blieben statt wegzuziehen. Auch sie waren beim Faschingszug dabei.

Die Urzeln sind in Geretsried traditionell d a s Thema. (Foto: Thekla Kraußeneck)

Etwa 3000 Zuschauer waren gekommen, um sich das Spektakel anzuschauen. Vom Ortseingang in der Rieder Straße bis zum Gasthof Post zogen die Narren zu Fuß und auf 16 Wägen durch den Ort. Mit einer Todesanzeige gedachten die Benediktbeurer des Penzberger Faschings: Der Umzug in der Nachbarstadt fiel heuer wegen zu strenger Auflagen aus. Auch das geplante Speicherkraftwerk am Jochberg wurde thematisiert. Die Maschkera hatten es noch geschafft, den geplanten Bau zu modellieren: mit Berg, See und Kraftwerk. Rund herum liefen "Mitarbeiter" von Energiekonzernen, die von dem Kraftwerk profitieren würden.

Schon in den Morgenstunden hatte ein Auto, das mit Lautsprechern durch die Straßen fuhr, die Geretsrieder Bürger auf das bevorstehende Faschingstreiben am Karl-Lederer-Platz hingewiesen. Doch das Wetter spielte nicht mit: Bei Schnee und Temperaturen unter null Grad kamen nur etwa 30 Menschen zum Urzellauf. Diese aus Agnetheln in Siebenbürgen stammende Faschingstradition wird von der Urzeln-Zunft in Geretsried seit 1986 gepflegt und dient dem Austreiben der Wintergeister und dem Schutz der Frühjahrssonne sowie der Schutzpatronin Sankt Agnetha, die den Frieden sichern sollte. Der Brauch beruht der Sage nach auf einem 800 Jahre zurückliegenden Ereignis - als Feinde eine Kirchenburg belagerten, nähte eine Frau namens Ursula aus Fellen, Kleidungsfetzen und Handtüchern die wilden Urzel-Kostüme, band sich laute Schellen um und stürmte nach draußen, wo die Belagerer vor Schreck die Flucht ergriffen.

Gegründet wurde die Geretsrieder Urzel-Zunft vor 27 Jahren von Michael Herberth und dem jetzigen Zunftmeister Horst Wagner. Er und die 50 Geretsrieder Urzeln holten Bürgermeisterin Cornelia Irmer im Rathaus ab. Ihren Schlüssel nahmen die Urzeln Irmer nicht weg, wie es sonst Brauch ist - "weil ich selber immer so närrisch bin", sagte Irmer. Die Urzeln versuchten mit lauten Rasseln, knallenden Peitschen und einem Walzer auf dem Karl-Lederer-Platz die Wintergeister fort zu tanzen.

© SZ vom 13.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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