Ein außergewöhnliches Konzert:Zwei Meister in Iffeldorf

Bruno Ganz Iffeldorfer Meisterkonzerte

Bruno Ganz hat für den ersten Teil des Abends W.G. Sebalds "Schwindel. Gefühle" gewählt.

(Foto: Manfred Neubauer)

Standing Ovations für Bruno Ganz und Kirill Gerstein mit "Enoch Arden" von Richard Strauss

Von Felicitas Amler, Iffeldorf

Glückliches Iffeldorf: Einen Raum zu haben, in dem man einem Ifflandring-Träger eine Bühne geben kann; und dazu einen Verein, der einen so bedeutenden Schauspieler engagiert - und dann noch mit einem wahrlich nicht alltäglichen Werk. Ein großer Abend für die kleine Gemeinde. Bruno Ganz als Erzähler und Kirill Gerstein am Piano sind zwar mit "Enoch Arden" schon ein eingespieltes Team. Doch allzu oft wird man das Melodram von Alfred Tennyson in der Vertonung von Richard Strauss hier in der Provinz gewiss nicht zu hören bekommen.

Der Förderverein "Kulturbegegnungen an den Osterseen" hat diesen Abend in der Reihe der weit über den Ort hinausstrahlenden "Iffeldorfer Meisterkonzerte" organisiert. Und ausgerechnet seine künstlerische Leiterin Andrea Fessmann kann nun an diesem Montag nicht dabei sein: Als Sängerin im Chor des Bayerischen Rundfunks ist sie dort unabkömmlich. Was Fessmann verpasst hat, sind zwei große, souveräne Künstler und ein Melodram, das dank der unprätentiösen Interpretation des Erzählers wie des Pianisten nie melodramatisch wurde. Nach Ansicht des Kritikers der Frankfurter Rundschau hätte das Stück "gut in Heilsarmee-Versammlungen gepasst, wo nach der Erschütterung des Publikums ob solchen Edelmuts sicher die Sammelbüchsen erfolgreich gekreist wären". In Iffeldorf reagiert das Publikum im beinahe ausverkauften Gemeindesaal dagegen mit Standing Ovations.

Wer vor dem Konzert die Einführung des SZ-Kritikers Reinhard Szyszka gehört hat, kann das Werk literarisch wie musikalisch ohnehin besser einordnen. Enoch Arden erleidet Schiffbruch, wird auf eine einsame Insel verschlagen und kehrt erst nach zehn langen Jahren nach Hause zurück. Ein wenig Odysseus klingt da an. Doch Enoch Arden findet seine Frau Annie verheiratet mit dem gemeinsamen Jugendfreund Philipp, die beiden haben bereits ein Kind. Enoch gibt sich heroisch-liebevoll nicht zu erkennen und prägt sich selbst wie einen Refrain ein: "Ihr's nicht zu sagen, dass sie's nie erfahre." Er stirbt in Einsamkeit.

Bruno Ganz rezitiert diese britische Erzählung im Blankvers mal mit Tempo in einer Art Sprech-Legato wie auf einem Atem, mal getragen, mal ton- und trostlos, aber gelegentlich auch kraftvoll und mit anschwellender Stimme. Nie gibt er zu viel, stets bleibt es eine still erschütternde Geschichte. Das wird noch unterstützt durch die Stimme des Schauspielers, die nicht nur wegen ihrer Schweizerischen Färbung immer etwas Raues, Gebrochenes hat.

Der bedeutende und viel gefragte Pianist Gerstein untermalt dies feinfühlig mit der Strauss'schen Komposition, die teils zwischen, teil zu den Versen erklingt. Dass sie in einer Richard Wagner nachempfundenen Leitmotivtechnik aufgebaut ist, weiß wiederum, wer in Szyszkas Vortrag war. Und er hört auch, dass Enoch Ardens Tod musikalisch - in reinem Dur - ein wenig Verklärung in sich trägt.

Ein an Erkenntnissen und Hörgenuss reicher Abend. Im ersten Teil vor dem Hauptwerk las Bruno Ganz Passagen aus "Schwindel. Gefühle" von W.G. Sebald. Gerstein spielte zwei Stücke aus Mussorgskis Zyklus "Bilder einer Ausstellung". Im Programm waren sie nicht angekündigt, weil der Künstler sich kurzfristig dafür entschieden hatte.

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