Dokumentarfilm:Die Poesie der Flößer

Das Publikum feiert Walter Steffens Dokumentarfilm "Fahr ma obi am Wasser" bei der Premiere in Wolfratshausen. Der Regisseur setzt der Zunft ein Denkmal - vom halsbrecherischen Transport der Stämme bis zu den zwölf Mass Bier zum Feierabend.

Von Felicitas Amler

Zweimal geht bei diesem Film-Open-Air ein Raunen durchs Publikum. Einmal ist es die schiere Ehrfurcht. Man sieht in Schwarzweiß, wie die Flößer einst das Langholz hinunter zur Loisach brachten. Das ging nur im Winter und nur mit Schlitten. Steil bergab. Auf jedem Gefährt sitzt ein Mann allein, ganz vorn, dicht hinter sich die erdrückende Last eines Dutzends hoch aufgestapelter riesiger Baumstämme, und es geht rasend hinab wie bei einer Bobfahrt im Eiskanal. Harte Arbeit, man spürt es. Und gefährlich, das ahnt man.

Das zweite Mal ist es eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Amüsement, die den Zuschauern die Ahs und Ohs entlockt. Der Wolfratshauser Flößer Josef Seitner erzählt von seinem Großvater und den willkommenen Gelegenheiten, sich nach der schweren Arbeit bei einem Bier auszuruhen. Einem? Zwölf Mass hätten die Männer schon gepackt. Wenn sie mal saßen, hätten sie leicht "an Hockableiba ghabt" und sich "wia a Schwamm ogsaugt".

Walter Steffens eineinhalbstündiger Dokumentarfilm "Fahr ma obi am Wasser" kommt bei der Premiere in Wolfratshausen sehr gut an. Die Zuschauer im Biergarten des Gasthauses "Flößerei" an der Loisach zeigen es mit ihrem Beifall. Die Lokalprominenz ist voll des Lobes. "Großartig", sagt CSU-Stadtrat Peter Plößl. Für die internationale Flößerstadt Wolfratshausen sei der Film eine enorme Bereicherung - "auch als Vermächtnis an zukünftige Generationen". Kulturreferent Alfred Fraas (CSU) teilt die Bewertung. Beide haben auf filmische Besonderheiten geachtet: "Die Einstellungen waren ein bisschen langgezogen", sagt Fraas, das sei wohl ein Kennzeichen des Seeshaupter Filmemachers Steffen: "Es hat die Wirkung, dass man mehr nachdenkt." Plößl hat festgestellt, dass der Wechsel von Farb- zu Schwarzweiß-Aufnahmen "im Kopf einen Rückblick in eine andere Zeit darstellt; da packt es einen immer noch ein bisschen mehr".

Steffen hat einen respektvollen Film gedreht. Er lässt die Menschen des Landes zwischen dem Isarursprung im Hinterautal und der Hauptstadt München zu Wort kommen, Handwerker, Historiker, Fremdenführer, Musiker. Er entfaltet ein kulturgeschichtliches Panorama vom 12. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Und liefert, nicht zuletzt dank Luftaufnahmen der Wolfratshauser Drohnenfilmer Marinus und Kilian Vogl, wunderbare Naturimpressionen. Sie habe sich auf dieser "Reise an der Isar entlang und durch die Zeiten keinen Moment gelangweilt", sagt die Wolfratshauser Grünen-Stadträtin Annette Heinloth. Sachverstand und Herz attestiert Hannelore Greiner vom Historischen Verein Wolfratshausen dem Regisseur. Und eine Art von Heimatliebe, die sehr gut verträglich sei: "Da hat nichts getümelt, das hat mir so gefallen."

Vor der Vorführung dankt Steffen der Vorsitzenden des Wolfratshauser Vereins Flößerstraße. Gabriele Rüth habe ihn schon vor acht Jahren auf das Thema aufmerksam gemacht: "Und dann ist sie mir immer wieder auf die Zehen gestiegen." Natürlich dreht sich sein sorgfältig recherchierter Film im Kern um das beeindruckende, traditionsreiche und schwere Handwerk der Flößerei. Aber er erzählt drumherum eine Menge mehr. Von der Gipsherstellung und der Kalkbrennerei, dem kirchlichen Klammzins, vom Kraftwerksbau, den 22 Brauereien, die das stolze Tölz einst zählte, und den reichen Brauersgattinnen dort, die zu Zeiten 95 Schneiderinnen beschäftigten, weil sie stets die neuesten Kleiderstoffe aus dem Süden schon vor den Münchnern in den Händen hielten - dank Flößerei. Sogar die Weltwirtschaftskrise scheint auf, wenn der Lenggrieser Bauunternehmer Kilian Willibald von seinem Großvater berichtet. Der kaufte Ende der Zwanzigerjahre 27 000 Festmeter Holz und brachte sie nicht mehr los: "Und dann ist mein Großvater mit allem, was er hatte, untergegangen."

Dokumentarfilm: Der Flößerfilm von Walter Steffen wurde im Garten des Wirtshauses Flößerei gezeigt.

Der Flößerfilm von Walter Steffen wurde im Garten des Wirtshauses Flößerei gezeigt.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Flößer sprechen handfest und selbstbewusst über ihr Metier, schildern Grundlagen und Erfordernisse. Die Floßaxt: "Unser wichtigstes Werkzeug, mehr brauchen mia ned." Und: Bei abgehendem Mond ohne Wasserzeichen müsse gefällt werden, "sonst werd's dürr". Sie wissen um ihre Bedeutung: Nirgendwo sonst gebe es noch - wie in Wolfratshausen - zwei Flößer, die das alte Handwerk ausüben. Am Ende werden sie noch poetisch. So schwärmt Josef Seitner vom "leichten Kieselgeräusch" unterm Floß und vom klaren Wasser der Isar: "Einfach unvergesslich!" Da passt es gut, dass der Film mit dem "Isarflimmern" von Willy Michl ausklingt, mit einer Blue Note für den grünen Fluss.

"Fahr ma obi am Wasser": Dienstag, 16. Mai, 20 Uhr, Filmgespräch mit dem Regisseur, Bad Tölz, Capitol Kino; Donnerstag, 1. Juni, 20 Uhr, Sondervorstellung mit dem Regisseur, Beuerberg, Gasthaus zur Mühle

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