Dietramszell:Den richtigen Ton getroffen

Dietramszell: Der Haberfeldmeister und seine Kumpane lasen den Großkopferten und Wichtigtuern die Leviten - ironisch, witzig und nie beleidigend.

Der Haberfeldmeister und seine Kumpane lasen den Großkopferten und Wichtigtuern die Leviten - ironisch, witzig und nie beleidigend.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Starkbierfest in Ascholding: Beim Haberfeldtreiben wird über die große und die kleine Politik kräftig-deftig hergezogen. Thema ist auch die umstrittene Hindenburg-Kunstaktion von Wolfram Kastner.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Der große Saal beim Holzwirt in Ascholding ist am Samstagabend voll, die Bedienungen in Schürzen mit weiß-blauem Rautenmuster haben alle Hände voll zu tun, den bernsteinfarbenen Salvator-Bock beim Starkbierfest unters Volk zu bringen. Stimmengewirr und Gelächter von 230 Gästen erzeugen ein veritables Grundrauschen, dazu die Ascholdinger Blasmusik, die mit gut 30 Musikanten schmissige Polkas und Märsche spielt. Dirigent Sebastian Kastenmüller ist mit vollem Körpereinsatz dabei und hüpft beizeiten in die Höhe, um die Musikanten zu Höchstleistungen anzuspornen. Trommler Ernst Ausfelder, der den Abend moderiert, begrüßt die Geistlichkeit und die Politprominenz: Einige Gemeinderäte sind gekommen, die stellvertretenden Bürgermeister Michael Häsch und Josef Hauser, Bürgermeisterin Leni Gröbmaier ist nicht dabei. Seit zehn Jahren findet beim Starkbierfest der Blaskapelle Ascholding ein Haberfeldtreiben statt, und in diesem Jahr war die Spannung nach der "Galgen"-Entgleisung bei der Bettelhochzeit in Schönegg besonders groß: Würden die Haberer das Thema übergehen oder womöglich noch einmal draufschlagen?

Nun, sie haben es gut gemacht: Denn ganz am Ende ihres halbstündigen Auftritts, als die große und die kleine Politik ihr Fett abbekommen hat, huscht eine mit Affenmaske, orange-farbener Warnweste und Kappe gekleidete Gestalt durch die Reihe der Haberer, entfernt einen Modellkopf von seiner Halterung und schleicht schnell davon. "Ich hoff, der Auftritt ist jetzt nicht verhunzt, doch der Mann da hinten - der macht Kunst. Hat er mit jemand Ähnlichkeit, das ist reiner Zufall, tut uns leid", kommentiert der Haberermeister.

Es ist ein leichtfüßiger Auftritt, der ironisch Stellung bezieht, aber nicht wehtut. Die Ascholdinger Haberer haben einen wohltuend humorvollen Ton getroffen - den richtigen, in diesem so aufgeladenen Konflikt um den Künstler Wolfram Kastner und der Entfernung der Hindenburg-Büste.

Bei ihrem Auftritt um 22 Uhr geht das Licht im Saal aus: Neun dunkle Gestalten mit geschwärzten Gesichtern, dunklen Mänteln, tief in die Stirn gezogenen Hüten und Hanfbärten marschieren ein. Manche haben einen Rucksack dabei, aus dem ein Geweih ragt, die meisten Mistgabeln oder Rechen mit allerhand Grünzeug und natürlich die Schellen. Schaurige Musik mit Eulengeheul dringt durch den Saal - Zeit um Gericht zu halten "über die Ruacherten und die Begierigen, über die Bestechlichen und die Schmierigen, über die Geldverschwender und die Schmutzigen, und über die Wichtigtuer, die zu nixnutzigen", erklärt der Haberermeister, dessen Name nicht genannt werden darf. Treffsicher und nicht immer ganz jugendfrei wird vor allem die große Politik hergewatscht: Freihandelsabkommen und Chlorhühnchen ("Und in Kinschdorf drom, ganz gwiß is wahr, da bodt im Chlor der Mensch sogar"), von der Leyen ("Wenn auch hint und vorn nix funktioniert, sie ist wenigstens gut frisiert"), Snowden und die NSA ("A beim Seehofer da war man ungeniert, doch von sein Gschwafel hot ma nix kapiert, mal hü mal hott, es war ein Graus, der Geheimdienst beißt die Zähn sich aus") und Freigänger Uli Hoeneß.

Bürgermeisterin und Räte werden geschont, dafür über die befürchtete Verkehrszunahme an der Isarstraße geschimpft ("De Dorf-Straß endlich neu und breit, an Fuaßweg gibts zur Sicherheit, der ist hart erkämpft nach vielen Jahren, jetzt wersd in der Isarstraß hint überfahren"). Auch das knappe Wahlergebnis ist Thema: "Bloß um vier Stimmen hats gfehlt, ham sich wohl ein paar verwählt." Witzig ist die Abrechnung mit den Wildparkern am Kirchplatz: "Für d'Ascholdinger stellt sich die Frag, wann soll ich sterbn an welchem Tag? Weil gebettet wirst zur letzten Ruah, nur an Tagen wo der Wirt hot zua."

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