Dietramszell:Die neue Not der Milchbauern

Dietramszell: Johann Falter ist Kreisvorsitzender des Bunds Deutscher Milchviehhalter. Er selbst hat einen Bio-Betrieb.

Johann Falter ist Kreisvorsitzender des Bunds Deutscher Milchviehhalter. Er selbst hat einen Bio-Betrieb.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wegen der Niedrig-Preise brechen den Landwirten heuer Einnahmen von rund 20 000 Euro weg. Darum rufen Hans Hainz und Johann Falter nach politischer Unterstützung. Deren Halter-Verband mit 350 Mitgliedern im Kreis fährt am Dienstag zur Demonstration nach München

Von Claudia Koestler, Dietramszell

"Im Moment sehen wir einfach kein Licht mehr im Dunkel", sagt Hans Hainz. Der 42-jährige Landwirt aus Hölching ist Vize-Vorsitzender des Bunds deutscher Milchviehhalter (BDM) im Kreis. Am kommenden Dienstag wird er sich auf den Weg nach München machen, um vor der Staatskanzlei eine neue Milchpolitik zu fordern. Denn die Lage für Milchbauern sei inzwischen prekär, sagt Hainz, selbst Halter von rund 55 Kühen. Zum dritten Mal binnen weniger Jahre sei der Milchpreis in der Krise und kenne nur eine Richtung: nach unten. "Anfang 2014 lag der Milchpreis inklusive Zuschlag noch bei 40,9 Cent pro Liter, im Januar 2015 war er bereits auf 31,96 Cent gesunken", berichtet BDM-Kreischef Johann Falter. Im Mai dieses Jahres erreichte der Preis schließlich die 30-Cent-Grenze, im Moment liegt er sogar noch darunter. Ein Landwirt, der durchschnittlich 250 000 Liter im Jahr produziere, verliere bei acht Cent weniger pro Liter insgesamt rund 20 000 Euro, rechnet Hainz vor.

Die Ursachen des Preisverfalls sehen Hainz und Falter in der Politik von Land, Bund und EU, die aus den vergangenen Krisen nichts gelernt hätten. "Es wurde verpasst, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Milchbauern eine Perspektive haben", sagt Falter. Nach der Abschaffung der Milchquote seien die weltweit produzierte Milchmenge gestiegen und die Erzeugerpreise gefallen. "Lange hat man versucht, uns weiszumachen, der Weltmarkt sei wie ein großer Staubsauger", sagt Falter. Doch "dass er alles aufsaugt, war eine falsche Annahme", sagt der 53-jährige Landwirt aus Unterleiten.

Um das Überangebot am Markt, das für den niedrigen Milchpreis verantwortlich sei, zu reduzieren, müsse vielmehr die Produktion zurückgefahren werden. Hainz und Falter setzen dazu Hoffnungen in sogenannte Marktkrisenelemente - "von denen aber die Politik derzeit nichts wissen will", bedauern beide. Dabei gebe es bereits Monitoringstellen. Wenn Molkereien verpflichtet würden, Mengen zu melden und diese europaweit erfasst würden, könnten Marktverwerfungen frühzeitig erkannt werden. "Und dann muss man die Landwirte animieren, die Mengen zurückzunehmen. Manchmal ist weniger eben mehr", erklärt Falter. Als Anreiz schlägt Hainz vor, die Bauern für geringere Milchlieferungen finanziell zu entschädigen. Die dafür nötigen Mittel könnten aus Neuregelungen für Subventionen bestritten werden. Politisch sei das schwer durchzusetzen. "Denn dort herrscht die Sorge, wenn die Lebensmittelpreise steigen, müssten auch die Hartz IV-Sätze, steigen."

Nischen im Markt, etwa die Bereiche Bio oder regionale Herkunft, seien zwar ein Weg nach vorne, sagen Hainz und Falter. Wer im Einzugsgebiet der Molkerei Berchtesgadener Land in Piding liegt und dorthin liefern darf, erhält derzeit noch 38 Cent. Der Verbraucher kann sich dann für diese regionale Milch für rund 1,10 Euro entscheiden, statt für Milch im Discounter für etwas mehr als 50 Cent, die möglicherweise aus China oder Neuseeland stammt.

Falter selbst hat einen Biobetrieb und kann somit seine Milch auch zu einem fairen Preis absetzen, Hainz will bis Ende des Jahres umstellen. Allerdings sei nicht abschätzbar, wann im Bereich Bio der Markt gesättigt ist. Wenn alle auf biologische Landwirtschaft umstellten, wandere der Druck auf den Preis eben dorthin, gibt Hainz zu bedenken. Deshalb sei es so wichtig, sich solidarisch zu erklären mit den 350 Mitgliedern des BDM im Kreis, die konventionell arbeiteten. Denn nicht nur sei es unabdinglich, dass sich der Milchproduktionszweig selbst trage. Auch das vom Verbraucher geforderte Tierwohl könne nur mit einem vernünftigen Preis garantiert werden.

Protestaktion der Milchbauern am Dienstag, 1. September: 11 Uhr Kundgebung am Münchner Odeonsplatz. Um 12.30 Uhr beginnt der Marsch vorbei am Landwirtschaftsministerium zur Staatskanzlei, wo ab 13.30 Uhr Aktionen stattfinden. Wer sich aus dem Landkreis beteiligen möchte, erhält Informationen unter Telefon 0160/502 60 98.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: