Geretsrieder Stadtrat beschließt:Platz für mehr als 630 Flüchtlinge

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Geretsried erlaubt unerwartet Standort für weitere 184 Asylbewerber im Gewerbegebiet an der Jeschkenstraße. Eine GmbH soll das Haus betreiben, die Kosten für den Kreis sind offen. Damit ist die vierte Unterkunft in Planung.

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Die Stadt Geretsried erhält zwei weitere Flüchtlingsunterkünfte, eine davon kommt überraschend: Die Vitalis Grundbesitz GmbH darf auf ihrem Grundstück an der Jeschkenstraße 14a zwei miteinander verbundene Wohnstätten für 184 Asylbewerber bauen, obwohl sich das Gelände mitten im Gewerbegebiet befindet. Der städtische Bauausschuss hat dem Vorhaben in seiner Sitzung am Dienstag das gemeindliche Einvernehmen erteilt.

Eine Wahl hatte er ohnehin kaum: Eine Ablehnung wäre durch das Landratsamt ersetzt worden. Auch der Container-Unterkunft am Schulzentrum hat der Ausschuss grünes Licht gegeben; wann mit dem Bau jeweils begonnen wird, steht jedoch in beiden Fällen noch nicht fest. Die Unterkunft am Robert-Schumann-Weg mit rund 80 Flüchtlingen darf drei weitere Jahre fortbestehen, so der einstimmige Beschluss.

Die öffentliche Hand arbeite zu langsam, sagt Markus Daniel

Derzeit ist das Grundstück an der Jeschkenstraße 14 a noch eine unbebaute Kiesfläche, 2900 Quadratmeter groß. Gekauft habe er es vor etwa einem Jahr, sagt Markus Daniel, Geschäftsführer der Vitalis Grundbesitz GmbH: Ursprünglich sei etwas "ganz anderes" darauf geplant gewesen, doch dann sei ihm eine Unterkunft für Flüchtlinge wichtiger erschienen. "Alle reden nur", klagt Daniel: Er aber und sein Partner, die 2-rent Group GmbH aus München, wollten endlich etwas tun. Auch ihm ergehe es nicht anders als der gesamten Hotelbranche in Bayern, die Arbeitskräfte und Azubis fehlten. Deshalb seien die Flüchtlinge "so wichtig für unser Land". Die öffentliche Hand arbeitet seiner Einschätzung nach zu langsam, dank der ungünstigen Gesetzgebung - da müsse man eben privat aktiv werden.

In der Jeschkenstraße neben der Firma Eisenblätter soll eine Einrichtung für 184 Asylbewerber entstehen. Der Bau soll so schnell wie möglich beginnen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die benachbarte Firma befürchtet Einschränkungen

Mit dem Bau begonnen werden soll "so bald wie möglich", "am besten gestern", aber ein Termin stehe noch nicht fest. Was den Landkreis die Unterbringung von Flüchtlingen in der Unterkunft kosten wird, ist angeblich offen: Die Verhandlungen stünden noch bevor. Die Firma Eisenblätter, unmittelbarer Nachbar der Unterkunft, ist wenig begeistert - nicht wegen der Flüchtlinge, sondern weil sie Einschränkungen für den eigenen Betrieb fürchtet. So etwas sei in der Vergangenheit bereits vorgekommen, heißt es.

Eigentlich ist ein Gewerbegebiet deshalb nicht für Wohnnutzung gedacht, weil Betriebe dort Maschinen laufen lassen dürfen, die über das Firmengelände hinweglärmen. Seit November 2014 sei jedoch - aufgrund der Flüchtlingskrise, wie der stellvertretende Geretsrieder Bauamtsleiter Andreas Porer erklärt - eine Änderung im Baurecht in Kraft, durch die eine "wohnähnliche Nutzung im Gewerbegebiet" erstmals zulässig sei. Deshalb ist der Vitalis-Antrag rechtlich einwandfrei. Die Firma Eisenblätter, die derzeit einen Drei-Schichten-Betrieb aufbaut und mit lauten Maschinen arbeitet, befürchtet nun nachträgliche Einschränkungen, durch welche die Flüchtlinge vor Lärmbelästigung geschützt werden sollen. Landrat Josef Niedermaier (FW) hat der Firma Eisenblätter jedoch Bestandsschutz zugesichert.

Das Gebäude wird so groß wie die Adalbert-Stifter-Turnhalle

Das Gebäude wird zwar in Modulbauweise errichtet, aber nicht aus Containern zusammengesetzt, so wie die für 220 Menschen gedachte, dreigeschossige Unterkunft, die der Landkreis am Schulzentrum bauen will. Insgesamt werde das Gebäude an der Jeschkenstraße so groß wie die Adalbert-Stifter-Turnhalle, in der zusätzlich eine Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 150 Neuankömmlinge entstehen soll, falls der Notfallplan in Kraft tritt. Damit sind in der Stadt neben der bestehenden Unterkunft drei weitere vorgesehen - für insgesamt mehr als 630 Flüchtlinge.

Eine einzige Gegenstimme - wegen heikler Lage

CSU-Stadtrat Franz Wirtensohn stimmte als einziger gegen das gemeindliche Einvernehmen, eben wegen der heiklen Lage im Gewerbegebiet. Dass das Landratsamt eine Ablehnung ohnehin ersetzen würde, störte ihn dabei nicht: "Dann sollen die das eben tun." Der Zweite Bürgermeister Gerhard Meinl, der stellvertretend für Bürgermeister Michael Müller (beide CSU) die Sitzung leitete, redete ihm und dem Ausschuss ins Gewissen. Zum einen müssten sie die Güter abwägen - Gewerbe oder Flüchtlinge; zum anderen werde die Unterkunft am Schulzentrum nicht ausreichen, um die Quote der Stadt zu erfüllen. Man werde die neue Unterkunft also brauchen.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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