Chancengerechtigkeit:Weil Männer immer noch gleicher sind als Frauen

Gleichstellung von Frauen - Gleichstellungsstelle

"Make Feminism great again" - ein Bekenntnis mit Augenzwinkern: Felicitas Wolf (links) und Karin Weiß.

(Foto: Manfred Neubauer)

Karin Weiß und Felicitas Wolf sind die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises. In ihrer Arbeit sehen sie nicht nur Fortschritte

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Frauenbeauftragte sollten Humor mitbringen - das kann im mühsamen Kampf um bessere Chancen, Positionen, Bezahlung und Anerkennung von Frauen nie schaden. Als Karin Weiß, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, vor knapp zwei Jahren forderte, der Kreis solle bei der Vergabe seines Wirtschaftpreises mehr Frauen bedenken, schlug Landrat Josef Niedermaier vor, gleich noch die Förderung von Behinderten mit aufzunehmen. Weiß antwortete damals mit trockenem Humor: "Finden wir noch eine Randgruppe, die wir aufnehmen ..."

Natürlich weiß auch der Tölzer Landrat, dass Frauen keine Randgruppe sind, sondern mit 51 Prozent sogar etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Sicher ist aber auch, dass dieses Bewusstsein bei vielen Männern und nicht selten auch bei Frauen immer wieder geweckt werden muss. Deshalb gibt es in den Landkreisen Gleichstellungsstellen. Damit Artikel 3 des Grundgesetzes realisiert wird: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Karin Weiß leitet jene im Landratsamt Bad Tölz seit 2005. Manches hat sich nach Ansicht der 56-jährigen Verwaltungsfachwirtin in dieser Zeit für die Frauen verbessert. Landesweit etwa: "Die Quote - nicht geliebt, aber doch notwendig." Und in der eigenen Behörde: "Bei uns im Haus die Großtagespflege - das wäre früher undenkbar gewesen." Weiß sieht darin wie in der Möglichkeit der Telearbeit von zu Hause aus durchaus eine Chance für Frauen, Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinen.

Wie schwer das sein kann, hat sie selbst erfahren. Weiß hat zwei Kinder weitgehend allein großgezogen. Und sie ist Tochter einer alleinerziehenden Mutter. Genauso wie Felicitas Wolf, seit einem Jahr stellvertretende Leiterin der Gleichstellungsstelle. Die 28-jährige Soziologin findet es wichtig, dass ihre Generation "nicht wegschmeißt, was unsere Vorgängerinnen erkämpft haben". Sie erlebe dies aber bei Gleichaltrigen: Ganz viele Frauen hätten das Gefühl, "es passt schon", und "drücken sogar auf die Bremse". Wolf sieht das anders.

Frauen verdienen im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Das ist einer der Punkte, die Wolf ändern möchte. Außerdem sei die Frage offen: "Wie können Frauen in Führungspositionen gebracht werden? Die gläserne Decke ist noch lange nicht durchbrochen." Für beide Ziele, so meint sie, müsse auch am Selbstbewusstsein der Frauen gearbeitet werden. Auch unter diesem Aspekt hält sie eine geschlechtergerechte Sprache für essenziell. Das gesprochene und das geschriebene Wort beeinflussten das Denken, erklärt sie: Wenn sie höre, dass von "Bürgern" die Rede ist, habe sie das Gefühl: "Ich bin raus." Karin Weiß unterstützt das: "Es entstehen andere Bilder im Kopf. Wenn man sagt, der Arzt, stellt man sich einen Mann vor."

Beide Frauen wissen sehr wohl, dass sie mit dem Bemühen um sprachliche Gleichstellung manchen auf die Nerven gehen. "Da kochen die Emotionen hoch", sagt Wolf. Männer fühlten sich angegriffen, hätten vielleicht auch insgeheim Angst, Macht teilen zu müssen. Und von Freundinnen höre sie manchmal auch, Texte würden einfach zu lang, wenn man immer die männliche und weibliche Form verwendete. Weiß lacht: "Dann schreiben wir halt mal alles weiblich."

Die Gleichstellungsbeauftragten sollen nach innen wie nach außen wirken. Zwei Beispiele für hausinterne Verbesserung hat Weiß genannt: die Großtagespflege "Amtszwergerl" und die Telearbeit. Ein neues Konzept für Veränderungen ist in Arbeit. Extern hat die Stelle heuer verschiedene Veranstaltungen gestaltet oder mitverantwortet: "One Billion Rising", die weltweite Kampagne für ein Ende der Gewalt gegen Frauen, gemeinsam mit dem Kreisjugendring (Weiß: "Ein Riesenevent"); Vorführung des Films "Die Hebamme" samt Diskussion mit dem Historischen Verein Wolfratshausen und dem Kulturverein Isar-Loisach als Hinweis auf die prekäre Lage der Geburtshilfe im Kreis ("Sehr gute Gespräche"); Vortrag und Diskussion "Eigheirat" mit Kreisbäuerin Ursula Fiechtner; eine Messe mit der Servicestelle Frau und Beruf.

Vernetzung sei ihr ganz wichtig, sagt Weiß. Sie ist auch Inhalt und Ziel des Runden Tisches "Gemeinsam gegen häusliche Gewalt", den sie 2016 initiiert hat. Vom Frauenhaus bis zur Polizei, vom Weißen Ring bis zum Jugendamt, von der Eheberatungsstelle bis zum Kindernetzwerk sind daran Verbände und Organisationen beteiligt. "Man entwickelt ein besseres Verständnis füreinander", sagt Weiß, "und man kann Synergieeffekte nutzen." Sie wolle als nächstes am Runden Tisch einbringen, dass man sich auch einmal mit der sogenannten Täterarbeit befasst, wie das etwa bei der Männerberatung in Rosenheim oder beim Münchner Informationszentrum für Männer (MIM) geschehe.

Sichere Plätze für misshandelte Frauen und ihre Kinder bleiben ein akutes Thema. Weiß sagt, das Frauenhaus im Landkreis - getragen vom Verein Frauen helfen Frauen - müsse mangels ausreichender Plätze immer wieder Frauen abweisen. "Und die Verweildauer ist länger, als man es sich wünscht - das hat natürlich mit der Lage auf dem Wohnungsmarkt hier zu tun."

Um solche Fragen, gar Forderungen in den Kreistag einzubringen, müsste die Gleichstellungsstelle die Initiative ergreifen. Denn anders als in anderen Kreisen steht es in Bad Tölz nicht auf der Agenda, dass sie dem Gremium jährlich einen Bericht gibt. Eine solche Eigeninitiative war Weiß' Vorstoß zum Wirtschaftspreis des Landkreises. Sie hatte festgestellt, dass bei insgesamt 41 Vergaben gerade einmal zu 4,6 Prozent Frauen geehrt wurden. Es sei aber wichtig, Führungsfrauen als Vorbilder sichtbar zu machen, so argumentierte sie. Bei CSU und Teilen der Freien Wähler stieß sie auf glatte Ablehnung; eine dünne Mehrheit des Kreisausschusses einigte sich schließlich darauf, "Unternehmen, die besondere Erfolge in der betrieblichen Gleichstellung von Mann und Frau erzielt haben", in die Richtlinien aufzunehmen.

Aktuell haben Weiß und Wolf ein Ziel vor Augen, zu dem sie keine Zustimmung des Kreistags brauchen: "Frauen in die Politik". Mit Blick auf die Kommunalwahlen 2020 wollen die beiden Frauen sich dazu etwas einfallen lassen. Neben Qualifikationsangeboten, da sind sie sich sicher, werde es auch einer Motivation bedürfen: "Wie kriege ich Frauen so weit, die Notwendigkeit zu erkennen, dass wir mehr Frauen in der Politik brauchen?"

www.lra-toelz.de/buerger/behoerdenleistungen/gesellschaft-familie/gleichstellungsstelle/

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