Bundestagswahl im Kreis:Entsetzen im Landratsamt

Die Direktkandidaten verfolgen die Auszählung in der Tölzer Behörde. Die Gespräche drehen sich vor allem um die Partei, deren Bewerber nicht da ist - die AfD, was sie groß gemacht hat und wie mit ihr umzugehen ist.

Von Ingrid Hügenell

Klaus Koch bringt es auf den Punkt. "Das ist eine massive Watschn für die Große Koalition", sagt der Grünen-Politiker. Der dritte Landrat ist wie Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) und der Stellvertreter Thomas Holz (CSU) ins Tölzer Landratsamt gekommen. Da sind auch die Direktkandidaten von CSU, SPD, FDP und Bayernpartei. Sie alle verfolgen mit Entsetzen die ersten Prognosen, dann die Hochrechnungen. Das starke Abschneiden der AfD, obwohl nicht unerwartet, erschreckt sie. "Ich habe in den letzten zwei Wochen eine entsprechende Stimmung gespürt", sagt Alexander Radwan (CSU). "Jetzt wurden meine Negativerwartungen übertroffen."

Die CSU kommt im Landkreis auf 41,1 Prozent und bricht um mehr als zwölf Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 ein. Die AfD wird zweitstärkste Partei und verdoppelt ihren Anteil auf 11,9 Prozent. Auch die FDP verdoppelt ihre Stimmen und kommt auf 11,7 Prozent. Der zweite große Verlierer im Kreis ist die SPD, die von 14,4 Prozent auf 11,0 Prozent schrumpft. Um drei Prozentpunkte klettern die Grünen auf 10,5 Prozent. Auch die Linke legt zu auf 5,4 Prozent. Mit 46,0 Prozent setzt sich einmal mehr Radwan als Direktkandidat durch.

Dass eine große Koalition mit diesem Ergebnis nicht infrage kommt, ist sowohl für Radwan wie auch für Hannes Gräbner (SPD) klar. "Die Opposition würde der SPD schon gut anstehen", sagt Gräbner. "Bei einer großen Koalition werden immer die radikalen Ränder gestärkt." Wie man mit dem sehr großen radikalen Rand im Bundestag nun umgehen wird, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Radwan will einerseits "eine Politik, die sie überflüssig macht". Andererseits müsse man "entlarven, dass sie für vieles keine Lösung haben." Bei der Arbeit im Bundestag müsse es nun auch um gegenseitigen Respekt gehen. Klaus Koch hofft auf eine klare Opposition im Bundestag, in der Hoffnung, dass das die AfD schwächt.

Sein Sohn Jakob Koch, Vorsitzender der Grünen Jugend im Landkreis, ist mit drei Mitstreitern ins Landratsamt gekommen. Er sagt: "Der Rechtsruck der Union hat die AfD salonfähig gemacht, das zeigt sich am Wahlergebnis." Koch junior freut sich andererseits über das Ergebnis der Grünen. Bei den Wählern zwischen 18 und 24 Jahren habe die Partei bundesweit 16 Prozent geholt. "Die jungen Leute, das ist das, was nachkommt", sagt er. Andererseits haben auch neun Prozent der Jungen AfD gewählt. Mit denen will Koch junior ins Gespräch kommen, sie überzeugen

Freuen kann sich auch Fritz Haugg, der Kandidat der FDP, die mit einem sehr guten Ergebnis wieder ins Parlament einzieht. "Dass wir nicht im Bundestag vertreten waren, hat man bis in den Ortsverband gemerkt." Es habe einfach der Ansprechpartner gefehlt. Nun steht eine Koalition aus Union, FDP und Grünen im Raum. Haugg nennt gleich mal ein Thema, bei dem FDP und Grüne weit voneinander entfernt sind: die Zukunft der Mobilität. Während die FDP nicht für einen festen Termin ist, ab dem Verbrennungsmotoren nicht mehr zugelassen werden, fordern die Grünen genau das. "Es kommt auf die Inhalte an", sagt Haugg über das Jamaika-Bündnis, die "klare liberale Handschrift" müsse zu erkennen sein. Darüber sollten die Mitglieder entscheiden. Von einer "großen Herausforderung" spricht auch Klaus Koch bezüglich der Jamaika-Koalition. "Die wird es nur geben, wenn Grüne Grundpositionen sichtbar umgesetzt werden." Die Basis werde darüber entscheiden.

Als Kreispolitiker und Freier Wähler ist Landrat Niedermaier vom Wahlausgang nur mittelbar betroffen. Erschrocken ist er trotzdem. Er bezeichnet das Ergebnis als "Watschn für das bestehende System. Keine der großen Parteien kann die schwierigen globalen Probleme und Themen erklären." Gleichzeitig mache sich bei ihm auch Frust breit. "Die politische Klasse kommt insgesamt nicht gut weg." Auch er selbst sei schon unfair angegangen worden. Was man dagegen tun kann - Niedermaier weiß es auch nicht. Wie Radwan und Niedermaier nennt auch Karl Bär, der Direktkandidat der Grünen, die grassierende Respektlosigkeit "völlig unmöglich". Koch sieht auch das mediale Interesse am "Rüpeltum", vor allem der sozialen Medien, als Grund für diese Entwicklung.

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