Bürgerbegehren:Der Wert der Landschaft

Bürgerbegehren: Die Büsche und Bäume am Ufer des Lainbach stellen für Tiere und Pflanzen eine wichtige Verbindung von Bergen und den Loisach-Kochelsee-Mooren dar. Eine Bürgerinitiative und Naturschützer wollen sie erhalten.

Die Büsche und Bäume am Ufer des Lainbach stellen für Tiere und Pflanzen eine wichtige Verbindung von Bergen und den Loisach-Kochelsee-Mooren dar. Eine Bürgerinitiative und Naturschützer wollen sie erhalten.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Gegner des Gewerbegebiets am Benediktbeurer Lainbach stemmen sich auch gegen die zunehmende Flächenversiegelung.

Von Konstantin Kaip

Wald oder Gewerbegebiet? Diese Frage stellt sich derzeit in Benediktbeuern, und wenn es nach der großen Mehrheit des Gemeinderats geht, ist die Antwort klar: Das Gewerbegebiet soll erweitert werden, auf Kosten des naturschutzrechtlich geschützten Waldes am Lainbach im Süden, von dem etwa drei Hektar gerodet werden sollen. Dagegen hat sich nun eine Bürgerinitiative formiert, die den Wald mit einem Bürgerbegehren retten will. Die Gruppe um Gemeinderat Cölestin Allgäuer (Freie Bürgerliste Miteinander), Hans Schweiger und Sprecher Markus Wenzl verweist auf den Schutzstatus des Waldes und will nun Unterschriften sammeln, um ihn zu retten.

"Das ist ihr gutes Recht", sagt der stellvertretende Bürgermeister von Benediktbeuern, Hanns-Frank Seller (CSU). "Aber wir als Gemeinde müssen auch schauen, dass wir unsere Gewerbebetriebe im Ort halten." Die Gewerbesteuer sei schließlich die wichtigste Einnahme einer Kommune. Aufgrund des Strukturwandels werde es immer schwieriger, Gewerbe in Mischgebieten zu betreiben, wo der Emissionsschutz immer strenger werde, sagt Seller. "Da darf keine Tür laut schlagen. Selbst ein Steuerberater hat es heutzutage schwer." Die Erweiterung sei nötig, das seinerzeit ausgewiesene Gewerbegebiet zu klein geworden. "Wir haben genug Anfragen, die Leute stehen Schlange", sagt Seller.

"Ich kenne die Zwänge und Zielsetzungen der Gemeinden", sagt Friedl Krönauer, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz, die das Bürgerbegehren zur Rettung des Waldes unterstützt. Die Kommune handle nicht fahrlässig und müsse bei der Bewertung der Flächen Gewichtungen setzen. Aber der "Wettlauf um die Gewerbesteuer" führe eben zu immer mehr Gewerbegebieten. "Die Landschaft hat sich verändert", sagt Krönauer. "Es hat Maße angenommen, die nicht mehr okay sind."

Für Krönauer geht es bei dem Bürgerentscheid auch um die Grundsatzfrage: "Wie viel ist die Landschaft wert?" Oberbayern und der Landkreis seien eben auch touristisch geprägt. "Wir handeln mit unserer Landschaft", sagt der BN-Vorsitzende. "Aber wenn es so weitergeht, gibt es irgendwann nichts mehr zu handeln." Im Freistaat werde täglich die Fläche von etwa 18 Fußballfeldern versiegelt. "Bayern hat da die traurige Spitzenreiterrolle." Die Staatsregierung habe mit der Lockerung des so genannten Anbindegebots auch noch "Öl ins Feuer gegossen", sagt Krönauer. "Wenn an jeder Schnellstraße Gewerbebauten stehen, haben wir Verhältnisse wie in Norditalien."

Krönauer sieht aber auch die Bundesregierung in der Pflicht: "Die Steuer- und Finanzpolitik kann der Kannibalisierung entgegenwirken, wenn sie die Gewerbesteuer anders gestaltet", sagt er. Dann könnten Gemeinden auch gemeinsam ein Gewerbegebiet unterhalten. So aber betreibe etwa Kochel eines in Pessenbach, nur zweieinhalb Kilometer vom Benediktbeurer Gewerbegebiet entfernt. "Was die Schönheit der bayerischen Landschaft ausmacht, ist ein Wert an sich", sagt Krönauer. Ihn abzuwägen hätten nun auch die Einwohner Benediktbeuerns die Chance. "Das Bürgerbegehren ist eine gute Sache, weil sich jeder mit der eigenen Lebensweise und Einstellung auseinandersetzen muss."

Zur Erweiterung nach Süden auf Kosten des gemeindeeigenen Waldstücks gibt es laut Seller indes keine Alternative. Die Grünflächen im Norden des Gewerbegebietes würden alle landwirtschaftlich genutzt, von Vollerwerbslandwirten, sagt er. "Die stellen ihre Flächen nicht zur Verfügung." Und mehrere Gewerbegebiete in der Gemeinde zu verstreuen, wolle Benediktbeuern bewusst vermeiden. Seller weist darauf hin, dass das bestehende Gewerbegebiet Süd strukturell gewachsen sei. "Das sind alles einheimische kleine und mittlere Betriebe, die bei uns im Ort angesiedelt waren und was gesucht haben." Ortsansässige Unternehmen sollten auch die neuen Flächen schrittweise besiedeln. "Wir wollen das Gebiet ja nicht mit einem Schlag zupflastern, sondern uns die Option offen halten", begründet Seller die Änderung des Flächennutzungsplans.

Zwar hat die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt das Vorhaben abgelehnt, weil der Wald am Bach unter Naturschutz steht und nach Meinung der Experten Teil einer wichtigen Biotopachse von den Bergen bis ins Kochelsee-Loisach-Moor ist. Zudem hat das Wasserwirtschaftsamt Weilheim auf den Hochwasserschutz verwiesen, den der Wald am Lainbach ausübt. Der Waldanteil, der nach einer Rodung übrig bliebe, wäre nicht in der Lage, diese Funktion auszuüben, heißt es in einer Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. "Wir haben sehr wohl eine Abwägung getroffen", sagt Seller. In der Stellungnahme, die der Gemeinderat mit großer Mehrheit bewilligt hat, werden die Entwicklung des ländlichen Raumes und die Stärkung der Wirtschaft als Ziele dem Naturschutz übergeordnet. Nun werden die Fachstellen erneut Stellung nehmen, bevor der Gemeinderat einen endgültigen Beschluss fasst.

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