Bühne:Bügelnde Kaffeemaschine

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Auf Stichwort eine Geschichte erfinden - das erfordert Konzentration und Kreativität. Das Ensemble GEH 5 punktete damit im Hinterhalt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Münchner Ensemble GEH5 gastiert mit Impro-Theater im Geltinger Hinterhalt

Von Sabine Näher, Geretsried

Noch vor wenigen Jahren wusste kaum jemand, was das sein soll: Impro-Theater. Nun schießen die Ensembles, die sich dieser besonderen Bühnenkunst verschrieben haben, wie Pilze aus dem Boden. Improvisationstheater scheint angesagt. Und wie bei jedem Boom besteht die Gefahr der Übersättigung. Jedenfalls hat das Publikum mittlerweile ausreichend Vergleichsmöglichkeiten, um die Qualität des jeweiligen Ensembles bewerten zu können. Die Münchner Truppe, die sich GEH5 nennt, ist da wohl im oberen Mittelfeld anzusiedeln. Elke Gebhard, Britta Loebell, Tanja Witte, Johannes Bockermann, Manuel Hilmer, Hermann Knauer und Stefan Stein boten dem Publikum im "Hinterhalt" am Samstagabend viele gute, witzige Momente, aber auch Szenen, die nicht wirklich zündeten.

Als sei es nicht schon schwierig genug, in einer Spielszene auf spontane Vorgaben der Zuschauer zu reagieren, baut dieses Ensemble gemeinsam mit seinem Pianisten Nino Stübinger obendrein Gesangsstrecken ein. Diese gelangen nicht alle gleichermaßen; letztlich hätte man auf die unnötige Erschwernis besser verzichtet. Denn ein gesungener Text erfordert eine höhere Komplexität als ein gesprochener, ist also wesentlich schwieriger zu improvisieren. Ganz davon abgesehen, dass gewisse stimmliche Mittel auch gegeben sein sollten, was nicht bei allen Akteuren der Fall war.

Doch nun zu den guten Momenten des Abends, die durchaus reich gesät waren. Die "Drei Männer auf dem Apfelbaum" eröffneten die Szene mit gereimtem Text - und hielten dies, fast immer gelungen, bis zum Ende durch. Kleine Kostprobe: "Ihr Männer kommt und helft mir hier. Kommt mit dem Korb - und auch dem Bier . . ." Gereimt wird auf Teufel komm raus, was dem Publikum größtes Vergnügen bereitet. Kurzweilig auch "Drei Sätze frei": Jeder Akteur bekommt drei Wäscheklammern, pro Satz wird eine Klammer fällig. Sind sie aufgebraucht, muss er schweigend weiter spielen.

Die Szene "In der Schlange bei Aldi" nimmt so ganz schön Fahrt auf. Einmal kann auch eine Gesangsszene wirklich punkten: Das Schlussduett aus der Oper "Der Mönch mit der Peitsche" gerät Tanja und Hermann zu einem Kabinettstückchen. Sie: "O ja, o ja, o ja! Ich bin da." Er: "Ist das ein Leben! Jetzt werd' ich ihr's geben . . ." Die Einarbeitung der Sätze, die das Publikum in der Pause auf Zettel geschrieben hat und die wahllos geöffnet und vorgelesen werden, krankt dagegen ein wenig an der Grundszene "Im Jahr 2075", die "die beiden letzten Männer auf Erden" vorführen. Die Idee, eine Spielszene erst in zwei Minuten, dann in einer, in 30 Sekunden, schließlich in 15 Sekunden aufzuführen, ist wieder sehr erheiternd und kommt hervorragend an. Zum Höhepunkt des Abends werden indes die beiden Rateszenen, in denen ein Teil der Akteure nach draußen geht, während drinnen Absprachen getroffen werden. Erste Variante: Zwei gehen vor die Tür, dem dritten gibt das Publikum die Eckdaten einer Kriminalstory vor: Mörder ist der Kapitän eines Segelschiffs, Mordort das Schlafzimmer, Mordwerkzeug ein Kaktus. Nun muss dieser dem ersten, der wieder hereingebeten wird, diese Geschichte erzählen - aber ohne Worte. Glaubt der Ratende, verstanden zu haben, worum es geht, muss wiederum er dem Zweiten, der draußen war, seinerseits pantomimisch verdeutlichen, was Sache ist. Der deutet wie folgt: Ein kurzsichtiger Zugschaffner mordet im Schlafzimmer mit einer Nadel . . . Großes Vergnügen für alle!

Noch lustiger wird es, als der draußen weilenden Britta die Erfindung einer sprechenden Kaffeemaschine, die auch singen und bügeln kann, untergejubelt wird und sie dieses Monstrum erraten muss. Einzige Hilfe: die Hände Manuels, der hinter ihr sitzt und auf die Fragen des Interviewers Stefan stellvertretend für sie gestikuliert. Das ist noch schwieriger, als den Kaktus als Mordwaffe zu entlarven. Und Britta ist ganz schön auf dem Holzweg, was Manuel zu irrwitzigem Gestikulieren verleitet.

Das den Saal zur Hälfte füllende Publikum verlangt schließlich lautstark nach einer Zugabe. Die entpuppt sich als echtes Zuckerl, denn die Truppe greift hier alle Elemente des Abends nochmals kurz auf. Das erfordert wirklich höchste Kreativität und ist absolut gelungen. Allen Respekt.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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