Bruno Jonas in Wolfratshausen:Schwere Sprach'

Der Kabarettist philosophiert in der Loisachhalle über Verständigung.

Von Sabine Näher

Dunkelgrauer Anzug, gestreiftes Hemd, Krawatte, dunkler Hut: Wie der klassische Biedermann steht Bruno Jonas auf der Bühne der Loisachhalle. Literaturhistorisch lässt das an Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter" denken. Ordnet man es in die gegenwärtige politische Landschaft ein, was den Intentionen des renommierten Kabarettisten und Autors wohl eher entspricht, gemahnt dieser Aufzug an die "neue bürgerliche Mitte", die zunehmend nach rechts abzugleiten droht. Anders als bei Gerd Dudenhöffer mit seinem Spießbürger Heinz Becker oder bei Rolf Miller sind Duktus und Inhalt seines Vortrags aber gar nicht biedermännisch; ihm geht es nicht darum, dem Publikum mit Stammtischparolen den Spiegel vorzuhalten. Seine Bühnenfigur lässt vielmehr hinter der biedermännischen Maskerade den bekannten und berüchtigten Jonas'schen Intellekt, seine Spitzfindigkeit und scharfe Zunge aufblitzen.

Leichte Kost sind seine Programme jedenfalls nicht. Das fängt schon damit an, dass er zweimal 75 Minuten auf der Bühne steht und unablässig redet. Eine große Leistung seinerseits, eine Herausforderung aber auch für das Publikum, das ihm in der ausverkauften Loisachhalle allerdings bereitwillig und höchst aufmerksam folgt.

Die Einstiegsszene ist zunächst nicht der große Knaller: Das Lamento des zu Hause Arbeitenden, der für alle Nachbarn, die tagsüber aushäusig sind, die Pakete entgegennehmen muss, ist in letzter Zeit schon auf zu vielen Kabarettbühnen gesungen worden. Jonas walzt es derart aus, knüpft Betrachtungen daran über den Niedergang der staatlichen Post, den Einsatz ausschließlich aus dem Osten (inklusive der nicht mehr so neuen Länder) stammender Paketzulieferer, über die Herausforderung, welche die Annahme an den nicht dafür Ausgebildeten stellt ("Wenn die bei DHL erfahren, dass ich hier ganz ohne Ausbildung Pakete annehme!") und überhöht es ins Skurrile, als der Warenanlieferer für Tengelmann nachts um 4.30 Uhr bei ihm klingelt ("Drüben bei Tengelmann ist jetzt noch keiner da...").

Insofern wird's dann doch ein echter Jonas. Und der hat auch Freude daran, Zwischenrufer aus dem Publikum zurückzufragen und sich mit ihnen auf einen fast schon philosophischen Diskurs einzulassen. So auch mit der Zuschauerin, die moniert, seine Bezugnahme auf Sokrates und Plato sei "zu weit hergeholt". Warum sie dieser Meinung sei - ihm stünden die alten Griechen durchaus nahe, will Jonas wissen. Die Antwort: "Das ist doch schon so lange her", veranlasst den Kabarettisten, weit auszuholen, um die Bedeutung der altgriechischen Kultur für unsere Gegenwart zu erläutern. Am Ende bedankt er sich bei der Zwischenruferin, sie habe ihm den Titel für ein neues Programm geliefert.

Kabarett für Bildungsbürger also? In gewisser Weise schon, denn Bildungsinhalte werden zum Verständnis der sprachlichen Feinheiten durchaus vorausgesetzt. Er habe sein Publikum selbst befragt, meint Jonas: "Halten Sie sich für intelligent?" 100 Prozent hätten das bejaht. Ebenso sei die Reaktion auf die zweite Frage: "Haben Sie Humor?" ausgefallen. Er gratuliere sich dazu, ein so intelligentes und humorvolles Publikum zu haben. Das löst natürlich die gewünschten ambivalenten Empfindungen im Saal aus. Und fast schon wie im linguistischen Seminar mutet es an, wenn Jonas zu erklären sucht, dass eindeutige Verständigung über Sprache fast unmöglich sei. Entscheidend sei, was der Sprechende denke und sich bei der Wortwahl vorstelle. Das wiederum könne der Hörende natürlich nicht wissen, der die Worte so deute, wie er sie deuten möchte. Da ist verdammt viel Wahres dran.

Zur Veranschaulichung führt Bruno Jonas den viel zitierten Ausspruch des AfD-Politikers Alexander Gauland über den Fußballer Jerome Boateng an: "Bei ihm hat man das als Rassismus gedeutet. Wenn ich genau das Gleiche sagen würde, würde doch niemand annehmen, dass ich rassistisch bin, sondern überlegen, was ich damit bezwecken wollte." Eine männliche Stimme aus dem Publikum weist das vehement zurück. Ja, es ist tatsächlich schwer mit der Verständigung. Aber lohnend, sich immer wieder darum zu bemühen.

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