Brot und Spiele:"Ritual zur Vermüllung"

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Christian Stadelbacher. (Foto: Manfred Neubauer)

Christian Stadelbacher organisiert eine ungewöhnliche Künstlerparty

interview Von Stephanie Schwaderer

Christian Stadelbacher (Foto Neubauer) ist einer von zwölf Künstlern, die am Wochenende zu den ersten "Tölzer Ateliertagen" einladen. In allen Werkstätten können sich Interessierte zwanglos umschauen und mit den Künstlern ins Gespräch kommen. Stadelbacher hat noch mehr vor: Er lässt in seinem Atelier am Jungmayrplatz die "erste heitere Vermüllungsparty" steigen.

SZ: Sie geben eine Vermüllungsparty - darf da jeder seinen Müll mitbringen?

Christian Stadelbacher: Natürlich! Das sollte man sogar. Allerdings bitte jeder nur ein Stück. Und zwar eines, von dem man möchte, dass es Archäologen in der Zukunft einmal ausgraben werden.

Könnten Sie das etwas näher erläutern?

Wir senden damit gleichsam eine Botschaft in die Zukunft, wir machen deutlich, was uns heute wichtig ist. Unser Müll ist ja Ausdruck unserer Kultur. Dass er mittlerweile babylonische Ausmaße angenommen hat - das erfordert ein Ritual, das in direkter Verbindung zum Erntedankfest am vergangenen Sonntag steht.

Eine religiöse Müllparty also?

Ich habe ein Wissensbekenntnis geschrieben, in Anlehnung ans Glaubensbekenntnis. Das Ernten hat in unserer Gesellschaft offenbar an Bedeutung verloren, wie man am Milchpreis erkennen kann. Stattdessen prägt die Vermüllung unsere Kultur und zwar in einem Ausmaß, dass nur noch beten hilft. Der Fluxus-Künstler Bazon Brock hat dieses Thema - Gott und Müll - bereits in den 80er Jahren behandelt. Ich knüpfe daran an. Wir brauchen angemessene Haltungen, Umgangsformen und Bräuche. Deshalb werde ich künftig jedes Jahr eine Vermüllungsparty geben.

Und wie vermüllt man richtig?

Richtig? Das kann ich nicht sagen. Ich werde eine kleine Zeremonie abhalten, bei der jeder entscheiden kann, was er der Einheit des Mülls übereignen will - in der Hoffnung, dass es in die Ewigkeit eingehe. Zudem gibt es Fotos, Videos, Texte und andere Reminiszenzen an Kunst-Aktionen zur Verehrung des Mülls.

Was werden Sie in die Tonne stecken?

Ein kleines Kuhbild, weil mir Kühe mit Hörnern wichtig sind.

Und welche Bilder zeigen Sie in Ihrer Sonderausstellung?

Wasserkarren, gemalte und fotografierte. Die Ateliertage stehen unter keinem Motto, aber ich habe mir das Thema Müll vorgenommen. Wasserkarren werden seit Generationen in der Landwirtschaft aus alten Fahrzeugen, aus Eisenbahnschwellen und Fässern zusammengeschweißt, es gibt keinerlei Norm. Sie sind die letzten Vehikel einer Wiederverwertungskultur in unserer Landwirtschaft. Dass man für einen Gegenstand eine Zweit- oder Drittnutzung sucht - das gibt es sonst gar nicht mehr.

Die Vermüllungsparty findet am Samstag, 10. Oktober, im Kunstraum am Jungmayrplatz 1 in Bad Tölz statt, Beginn 19 Uhr. Die Ateliers sind am Wochenende jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Teilnehmer sind in Bad Tölz: Jeannine Rücker, Eichmühlstraße 27b, Gala v. Nauheim und Claudia Schneider, Ludwigstraße 17, Stephanie Kieslinger, Jungmayrplatz 6, Karl Georg Nicklbauer, Bairawieserstraße 11, Peter Remmling, Von-Ketteler-Ring 67, und Marco Paulo, Rieschstraße 6; in Reichersbeuern: Birgit Niedernhuber, Daisenberger Weg 9, Lioba Siemers, Raiffeisenstraße 9; in Gaißach: Petra K. Vogel, Egenberger Weg 10; in Wackersberg: Christian Schöning, Blaika 8, und Heinz Stoewer, Gewerbegebiet Steinbach 16.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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