Berg/Schäftlarn:Zentimeterarbeit in 145 Metern Höhe

Der erste Flügel an einem der Windräder in den Wadlhauser Gräben ist montiert. Bis Ende November sollen alle vier Anlagen stehen. Das Verwaltungsgericht befasst sich unterdessen mit einer Klage der Windkraftgegner

Von Otto Fritscher, Berg/Schäftlarn

Auch wenn es paradox klingen mag: Die größte Gefahr beim Bau eines Windrads ist zu viel Wind. Bläst er mit mehr als zehn Metern pro Sekunde, müssen die riesigen, 55 Meter langen Flügel am Boden bleiben. So war es am Montag auf der Baustelle von Windrad "Nummer 3" in den Wadlhauser Gräben, an der Gemeindegrenze von Berg und Schäftlarn. Der Wind war zu stark, der 167 Meter hohe Riesenkran konnte die aus Kunststoff gefertigten, 25 Tonnen schweren Flügel nicht in die Höhe von 145 Meter hieven, wo sie an das Maschinenhaus oben am Turm angeflanscht werden.

"Die Gefahr ist, dass der Flügel durch zu starken Wind hin und her zu pendeln beginnt, wenn er am Kranseil hängt, weil er eine große Angriffsfläche bietet", erklärt Udo Janssen. Im schlimmsten Fall könnte der Flügel gegen den Turm des Windrads krachen. Janssen ist Montageleiter auf der Baustelle, und verantwortlich dafür, dass die vier geplanten Windräder, jedes mehrere Hundert Tonnen schwer, sicher und fachgerecht aus diversen Großteilen zusammengesetzt werden. Die Türme der vier Windkraftanlagen stehen schon, das ist von der Garmischer Autobahn aus bei Schäftlarn schon deutlich zu sehen. Die Flügel fehlen aber noch. Das soll sich nun rasch ändern.

Am Dienstag geht es flott voran. Es ist ein eingespieltes Team, das Janssen dirigiert. Vier, fünf Mann am Boden, dazu der Kranführer, der wichtigste Mann überhaupt. Im Maschinenhaus, einem Technik-Gehäuse am oberen Ende des Windradturms warten schon fünf Arbeiter, sie sind mehr als 140 Meter über Leitern im Inneren des Turms hinaufgeklettert. Der Flügel muss in die richtige Position gebracht werden - er muss waagrecht ankommen, dann justiert werden, bis er mit 140 Schrauben befestigt werden kann. Das ist Zentimeterarbeit. Am Boden sausen derweil zwei jeweils zwei Mann starke Trupps im Geschwindschritt hin und her, sie spannen die zwei Halteseile, die mit dem Flügel verbunden sind und verhindern sollen, dass er sich hin und her dreht.

Eine Dreiviertelstunde dauert es, bis Janssen das entscheidende Kommando gibt: "Release the rope." Die Sprache auf der Baustelle ist Englisch. Macht das Seil also los. Das Führungsseil purzelt herunter, der Flügel kann nun angeschraubt werden, was noch einmal zweieinhalb Stunden dauert. Dann geht es gleich weiter. Der nächste Flügel wird auf der drei Kilometer langen Trasse durch den Wald angeliefert, er besteht aus zwei Teilen, die verschraubt werden. "Bodenarbeit" nennt Janssen es. Das passt, denn für den nächsten Tag ist stärkerer Wind angesagt, so dass der Kran nicht verwendet werden kann. Bis Ende der Woche sollen aber die drei Flügel am ersten Windrad montiert sein. Dann geht es auf der benachbarten Baustelle weiter.

Für Udo Janssen ist die Montage eines Windrads Routine. 1500 Windräder, schätzt der hagere Mann aus dem ostfriesischen Aurich, dürften es sein, die er bisher aufgebaut hat, von Narvik im Norden Norwegens bis nach Jamaika. Die vier Windräder in den Wadlhauser Gräben sind aber auch für den Routinier etwas Besonderes, denn hier ist neueste Technik im Einsatz.

Unterdessen beschäftigten die Windräder am Dienstag erneut das Verwaltungsgericht München. Der "Verein zum Schutz der Wadlhauser Gräben" hatte gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung geklagt, die das Landratsamt Starnberg erteilt hatte. Das Urteil soll erst am Mittwoch bekanntgegeben werden, doch Beobachter der Verhandlung erwarten, dass die Klage abgewiesen wird. Noch entschieden werden muss auch über die zweite Klage des Vereins, dem bisher als nicht anerkannten Umweltverband das Klagerecht verwehrt ist.

Robert Sing, Geschäftsführer der Bürgerwind Berg GmbH, zeigte sich indes sehr erfreut, dass der erste Flügel am Dienstag in luftiger Höhe montiert werden konnte. "Wir sind voll im Zeitplan", sagte er. Und Montageleiter Janssen will die vier Windräder bis Ende November stehen haben. "Weihnachten bin ich hundertprozentig zu Hause." Einen Strich durch die Rechnung könnte ihm nur der Wind machen.

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