Benediktiner:Das Leben miteinander lernen

Kreisbildungswerk  UnternehmerWerkstatt

Jeder müsse mitgenommen werden, damit Gemeinschaft entstehen könne, sagt Abt Johannes Eckert.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Mönchsregeln der Benediktiner sind auch für Unternehmen wertvoll. Warum das so ist, erklärt Abt Johannes Eckert bei einem Vortrag in Benediktbeuern

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Dass Mönche ein Leben hinter den buchstäblichen Klostermauern führen, abgeschottet, weltabgewandt, diese Auffassung dürfte immer noch weit verbreitet sein. Insofern mag die Einladung des Tölzer Bildungswerks an Unternehmer der Region manchen zunächst verblüfft haben. Der Abt des Klosters Andechs, Johannes Eckert, referierte über das Thema "Dienen statt herrschen - Vorsprung durch agile Führungskultur".

Alle Tische im Barocksaal sind besetzt; Vertreter der Automobilbranche, des Produktions- und Baugewerbes, aus dem Dienstleistungssektor und dem Gesundheitswesen haben sich eingefunden. Andreas Käter, Geschäftsführer des Bildungswerks, ist erfreut über die Resonanz. Heutige Unternehmer sähen sich vor ganz neue Herausforderungen gestellt, was den Umgang mit Mitarbeitern und Kunden angehe, so Käter. Und da könne man von den 1500 Jahre alten Regeln der Benediktiner lernen.

Abt Johannes Eckert konnte Erfahrungen in modernen Wirtschaftsleben in einer fünfjährigen Tätigkeit bei BMW sammeln. Abt Johannes entspricht dem Klischeebild, das man sich vom Oberhaupt eines Bier brauenden Klosters so machen könnte, in keiner Weise: Er ist ein sehr jugendlich wirkender, schlanker, agiler Mann, der ohne weiteres auch Vorstandsvorsitzender eines großen Konzerns sein könnte, trüge er nicht seine Ordenstracht. Doch da wird schon der erste Irrtum aufgeklärt: Die Benediktiner seien gar kein Orden wie etwa die Jesuiten oder die Salesianer (die Hausherren in Benediktbeuern), erläutert der Abt.

"Wir denken immer von unten nach oben. Jede Abtei ist selbständig und organisiert sich selbst. Zusammen bilden sie eine Konföderation, die einen Vorsitzenden wählt. Dieser greift aber niemals ins Innenleben der Klöster ein." Das Motto der Veranstaltungsreihe "Lernen von den Besten" wird von Abt Johannes gleich ein wenig modifiziert: "Vielleicht reicht es ja schon, gut zu sein? Unsere von Benedikt stammende Leitregel lautet eher Lerne vom Bewährten." Auch das heutige Motto "Dienen statt Herrschen" gehe auf Benedikt von Nursia zurück.

Dieser lebte etwa 480 bis 547 und erließ die bis heute für alle Benediktiner geltenden Regeln für das Kloster bei Montecassino, das er 529 gründete. Diese Richtlinien immer aufs Neue auf ihren Gehalt zu prüfen und sie den Lebensumständen gemäß zu interpretieren ist das tägliche Tun eines Benediktinermönchs. "Im Benediktinerkloster denkt man vom Einzelnen her, geht nicht vom Kollektiv aus", erklärt Abt Johannes den modern wirkenden Ansatz. Jeder Mönch könne und solle seine Bedürfnisse gegenüber dem Abt äußern; jeder müsse mitgenommen werden, damit eine echte Gemeinschaft entstehen könne.

"Auch für ein Unternehmen ist es fatal, wenn ein Mitarbeiter die innere Kündigung vorgenommen hat." Drei Bilder hat Benedikt für das Leben im Kloster gefunden: Jeder muss sich als menschlicher Stein in das Bauwerk einfügen, das heißt, zur Stabilität beitragen, aber auch Anpassungsfähigkeit entwickeln. Das zweite Bild beschreibt das Kloster als eine Schule, um "das Leben mit- und aneinander zu lernen" und das dritte als eine Werkstatt. "Wo gehobelt wird, da fallen Späne! Auch ein Kloster ist kein konfliktfreier Raum", merkt Abt Johannes an. Doch hier wie in jedem Betrieb müsse man den Konflikt als Chance begreifen, sich ihm stellen und ihn gemeinsam überwinden. Dass Benedikt als zweites Gelübde neben der Beständigkeit den Gehorsam verlange, müsse näher erläutert werden, denn es gehe keinesfalls um blinden Gehorsam.

In seiner ursprünglichen Bedeutung meine das Wort das Bemühen um genaues Hinhören. Und so habe Benedikt, der die Regeln nicht auf Deutsch, sondern Lateinisch verfasst hat, statt des parere, das sich in unserem parieren wiederfindet, obaudire, also aufeinander hören, verwendet. Das setzt aber immer ein Bemühen auf beiden Seiten voraus. Drei Verhaltensschritte, die im Kloster wie in jedem Unternehmen anzuwenden seien, leitet der Abt daraus ab.

Erstens: Höre im Schweigen! Gemeint ist Selbstreflexion, für die Ort und Zeit gefunden werden muss, die im Kloster gängige und im Betrieb einzurichtende Klausur. Zweitens: Hören im Dialog. Dabei sind alle Stimmen einzuholen, ist der Konsens zu suchen, ehe Entscheidungen getroffen werden. Und an dritter Stelle folgt die daraus resultierende Umsetzung, die Tat. Dass ein Kloster sich dabei mehr Zeit lassen kann als manch ein Unternehmer, räumt der Abt ein. Aber als Orientierung für das Qualitätsmanagement und die Mitarbeiterorientierung seien diese Grundsätze allemal hilfreich.

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