Aktion:Vierzig Tage ohne Kunsttoff

Plastikfasten Plastikverbrauch reduzieren

Es geht auch ohne: Bettina Kelm mit konkreten Beispielen zur Plastikvermeidung.

(Foto: Manfred Neubauer)

Im Benediktbeurer Zentrum für Umwelt und Kultur starten 50 Teilnehmer eine besondere Fastenaktion. Die Schäftlarner Fotografin Bettina Kelm illustriert dazu das Verhängnis von Kunststoff in den Meeren.

Von Ingrid Hügenell, Benediktbeuern

Die Bilder sind schockierend: Die Meeresschildkröte ist im Plastik gefangen. Ein dünnes Band schnürt ihr eine Vorderflosse ab, eins hat sich um den Hals gewickelt. Ein großer, undefinierbarer Klumpen zieht sie unter Wasser. Aus dem Maul hängt eine halbe Plastiktüte. Das Tier hat sie wohl für eine Qualle gehalten - eine wichtige Nahrungsquelle für Meeresschildkröten. Das Tier ist schon fast tot, erstickt und stranguliert vom Plastik. Die Menschen im Saal des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) im Kloster Benediktbeuern sind an diesem Samstag gekommen, weil sie ihren Plastikverbrauch einschränken möchten: An die 50 sind es, darunter viele Familien mit kleinen Kindern. Auch Isabelle Hagen und ihr Sohn Quirin (6) aus Bad Heilbrunn sind dabei. Die 37-jährige Sozialarbeiterin und ihr Mann Tobias (36) wollen sich an der Plastikfasten-Aktion des ZUK beteiligen. Die Bilder der traurigen Schildkröte bestärken sie in ihrem Wunsch.

Bettina Kelm, Fotografin und Journalistin aus Schäftlarn, hat außer den Bildern, die im Golf von Panama entstanden, auch einige Zahlen mitgebracht: 30 Prozent des weltweit verwendeten Plastik landen in den Ozeanen, das sind pro Jahr 150 Millionen Tonnen. Fische, Schildkröten, Seevögel, Pinguine, Wale, Delfine und Robben halten den Müll für Nahrung oder verfangen sich darin. Für viele bedeutet das den Tod.

Die Meeresschildkröte auf den Bildern konnte fürs erste gerettet werden: Kelm und ihre Begleiter fischten sie aus dem Wasser und befreiten sie vom Müll. Sie habe sich schnell erholt, berichtet die Fotografin. Doch dann musste sie zurück ins Meer, zum Plastik.

Auch in Flüssen und Seen gibt es das Problem. An manchen Stellen schwimmen in der Donau mehr kleinste Plastikpartikel als Fischlarven.

Die Menschen, die zum Auftakt der Plastikfasten-Aktion gekommen sind, haben viele Ideen, wie man Müll vermeiden kann. Manche, wie eine Familie aus Tutzing, sind schon sehr erfahren, verwenden praktisch kein Plastik mehr. Es entspinnen sich rege Diskussionen, Erfahrungen werden ausgetauscht. Kelm zeigt und erklärt Produkte ohne Plastik.

"Man muss halt mal anfangen", sagt Isabelle Hagen, dürfe sich aber nicht überfordern. "Das muss alltagspraktisch umsetzbar sein. Man muss klein anfangen, sonst scheitert man."

Also: Beim Einkaufen darauf achten, dass Obst und Gemüse nicht in Plastik stecken. Milch, Joghurt und Sahne in der Glasflasche kaufen, Nudeln im Pappkarton. Statt der Plastiktüte eine wiederverwendbare Tüte verwenden, besonders umweltverträglich sind solche aus Recyclingmaterial. Kaffee zum Mitnehmen könne man sich häufig auch in den eigenen Becher füllen lassen, der natürlich nicht aus Kunststoff sein sollte, erklärt Kelm. Auch bei Kosmetik lassen sich Produkte finden, die in einer Glas- statt in einer Plastikflasche stecken. Die Fortgeschrittenen verwenden statt Frischhaltefolie mit Bienenwachs beschichtetes Papier, haben Zahnbürsten aus Holz, sogar auswaschbare und wiederverwendbare Damenbinden gibt es. Viele verzichten auf Dinge, die es ohne Plastik nicht gibt.

Dass sie alleine wenig ausrichten werden, ist den Teilnehmern aber schon klar. Deshalb wird in der Diskussion immer wieder der Ruf nach gesetzlichen Regelungen laut, etwa einem Verbot von Plastiktüten. Die Familien, die mitmachen wollen, unterschreiben eine Plastikfasten-Erklärung, in der sie sich selbst verpflichten, in den kommenden vier Wochen möglichst wenig Plastik zu verwenden. Ihre Erfahrungen sollen sie in Tagebüchern festhalten. Familie Hagen wird ihre Erfahrungen regelmäßig mit den SZ-Lesern teilen. Und möglichst eine Routine entwickeln, um auch nach den vier Wochen weiterzumachen mit dem Plastikfasten.

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