Benediktbeuern:Vergnügliche Floßfahrt mit Griesgram

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Andreas Pehl, Robert Schröter und Johannes Heim (v.l.) hatten sichtlich Spaß beim dreihändigen Klavierspiel. (Foto: Hartmut Pöstges)

Beim Benediktbeurer Silvesterkonzert dreht sich diesmal alles um Charles Burney. Das "Ensemble raccanto" präsentiert den Barockkomponisten auf humorvolle Weise und musikalisch auf hohem Niveau

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

Das fing ja gut an! Andreas Pehl hatte gerade eine Arie des englischen Barockkomponisten Burney begonnen, als der Komponist in den Saal gepoltert kam. Für viele Musikfreunde in Benediktbeuern und Umland gehört das jährliche Konzert im Barocksaal des Klosters so untrennbar zu Silvester wie "Dinner for one", Feuerwerk und Sekt. Das "Ensemble raccanto", bestehend aus dem Countertenor Andreas Pehl und dem Pianisten und Cembalisten Robert Schröter, brilliert nicht nur musikalisch, sondern lässt sich jedes Jahr ein originelles, aber wohldurchdachtes Programm einfallen.

Diesmal also ging es um Charles Burney, verkörpert vom Münchner Schauspieler Burchard Darbinnus, der mit mürrischem Tonfall aus dem Reisetagebuch in einer zeitgenössischen deutschen Übersetzung vorlas. Und wehe, wenn einer der Musiker den Namen Burney fallen ließ, ohne den Doktortitel dazuzusetzen! Dann funkte der Herr Doktor aber sofort dazwischen.

Charles Burney - Pardon: Doktor Charles Burney - war nicht nur Komponist, sondern auch Kritiker und Musikwissenschaftler. Als solcher unternahm er im Jahr 1772 eine mehrmonatige Reise durch Kontinentaleuropa, um Materialien für sein mehrbändiges Werk zur Musikgeschichte zu sammeln. Das Tagebuch, das er während dieser Reise führte, war von vorneherein zur Veröffentlichung bestimmt. Und dieses Tagebuch stand im Mittelpunkt des Benediktbeurer Silvesterkonzerts 2014. Das Programm umfasste einige Burney-Kompositionen, hauptsächlich aber Werke von Musikern, die Burney auf seiner Reise getroffen hatte. Der Engländer hatte die Angewohnheit, nicht nur seine musikalischen Erfahrungen im Tagebuch aufzuzeichnen, sondern sich auch unverblümt über das Aussehen und die persönlichen Angewohnheiten der Komponisten auszulassen.

Man erfährt, dass Carl Philipp Emanuel Bach eher klein als groß war, und dass Christoph Willibald Gluck gerne bis 11 Uhr im Bett blieb. Auch über die durchreisten Länder wusste Burney einiges zu berichten. In Deutschland, so meinte er, zeigen die vielen unnützen Wälder und Forsten ein barbarisches Volk an.

Und auf der Floßfahrt von München nach Wien bekam der arme Burney Pumpernickel vorgesetzt, "welches so schwarz und dünne ist, dass sich zwei Sinne zugleich dafür ekelten." "Pumpernickel und Sachertorte" lautete denn auch das Motto des Abends. Die musikalische Seite war bei Pehl und Schröter in den besten Händen; als dritter im Bunde kam Johannes Heim auf der Barockvioline hinzu. Die drei Musiker spielten ausgewogen und kammermusikalisch. Pehl sang mit angenehmem Altus, sauberer Intonation und vorbildlicher Atemführung. Hervorgehoben sei sein an- und abschwellender Ton zu Beginn der Arie "Alto Giove". Doch auch die beiden Instrumentalisten durften ihr Können unter Beweis stellen. Gemeinsam bestritten sie Violinsonaten von Benda und Mozart; Schröter präsentierte auf dem Hammerflügel eine etwas bizarre Sonate von Carl Philipp Emanuel Bach. "Sein Stil ist so verschieden von dem aller anderen, dass man sich erst gewöhnen muss" - so Burney über diesen Komponisten.

Doch wie es sich bei einem Silvesterkonzert gehört, kam auch der Humor nicht zu kurz. Eine dreihändige Sonate von Burney spielten die Musiker, indem sie sich zu dritt ans Hammerklavier setzten und mit je einer Hand in die Tasten griffen. Bei der Zugabe wurden Pehl und Schröter zu Bratschisten und spielten gemeinsam mit dem Geiger Heim ein Trio von Johann Georg Holzbogen. So wie der Name des Komponisten klang auch das Spiel der drei. Aber hier sei letztmalig Burney zitiert, mit einem Satz, dem man als Kritiker nur beipflichten kann: "Man lobt eigentlich nichts, wenn man alles lobt."

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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