Benediktbeuern:Mensch und Tier fehlt oft die Routine

Bei Leonhardifahrten sind in den vergangenen Jahren schon öfter Unfälle passiert

Von Ingrid Hügenell, Benediktbeuern

Pferde sind eigentlich scheue Fluchttiere und neigen zu unberechenbarem Verhalten. Die meisten der Tiere, die bei Leonhardifahrten die Wägen ziehen, sind weder große Menschenansammlungen noch viele andere Pferde in der Nähe gewöhnt. Und auch die Menschen, die mit ihnen umgehen, tun das nicht mehr so routiniert wie in den Zeiten, als man auf jedem Hof noch Arbeitspferde hielt. Deshalb kommt es bei Fahrten und Ritten immer wieder zu schweren Unfällen, und eigentlich ist es erstaunlich, dass nicht noch mehr passiert.

Der schwerste Unfall ereignete sich 2001 noch vor der Benediktbeurer Wallfahrt. Ein 46-jähriger Landwirt aus Bichl hatte sein Gespann fertig gemacht und wollte auf seinem Hof gerade losfahren, als ein Pferd aus dem Vierer-Gespann ausbrach. Die anderen drei Rösser gingen durch. Der Mann, der auf dem linken hinteren Pferd saß, wurde zu Boden geworfen und von dem eisenbeschlagenen Wagen überrollt, der zum Glück noch leer war.

Der Bichler musste mit einem Hubschrauber ins Unfallkrankenhaus Murnau gebracht werden. Er trug schwerste Kopfverletzungen davon. Ein ebenfalls verletztes Pferd wurde gleich nach dem Unfall notgeschlachtet. Der Sohn des Verunglückten, der die vorderen Pferde führte, konnte sich durch einen Sprung zur Seite retten. Der Landwirt starb drei Wochen nach dem Unglück. Im gleichen Jahr gab es im oberschwäbischen Illertissen während der dortigen Brauchtumsveranstaltung drei Verletzte, ein 64-Jähriger musste ins Krankenhaus gebracht werden.

2012 wurden bei der Leonhardifahrt in Froschhausen bei Murnau sieben Zuschauer verletzt, darunter zwei Kinder. Zwei Pferde, die einen Motivwagen zogen, gingen nach dem Umzug und der Segnung der Gespanne durch. Der Umzug hatte in Murnau stattgefunden, es regnete stark. Es wurde vermutet, die beiden Kaltblüter seien wild geworden, weil sie im Matsch steckten und ihnen das Ziehen schwer fiel. Der 44-jährige Kutscher aus Spatzenhausen schaffte es nicht, sie zu beruhigen. Die Tiere rissen den Motivwagen, auf dem sich eine Miniaturdarstellung eines Bauernhofs befand, mit sich und rasten auf die Menschenmenge zu. Panik kam auf. Zu dem Zeitpunkt befanden sich mehrere hundert Teilnehmer und Zuschauer auf dem Areal.

Das Gespann überfuhr laut Polizeiangaben eine 22-Jährige, die gestürzt war. Sie erlitt Schürfwunden. Eine 29-Jährige sprang mit ihrer eineinhalbjährigen Tochter zur Seite, um nicht überrollt zu werden. Sie zog sich eine Handverletzung, das Mädchen eventuell eine Gehirnerschütterung zu. Der fünfjährige Sohn der Frau schaffte es nicht, sich in Sicherheit zu bringen. Er wurde von dem Wagen erfasst und erlitt Verletzungen am Fuß, eine Gehirnerschütterung und Prellungen. Eine 48-Jährige rettete ihr Kleinkind und erlitt einen Schock. Auch ein älteres Ehepaar wurde leicht verletzt. Dennoch sprach die Polizei damals davon, dass alles noch schlimmer hätte ausgehen können.

2011 gab es in Bad Tölz eine Situation, die gerade noch glimpflich ausging: Auf dem Kopfsteinpflaster der Salzstraße, kurz hinter dem Khan-Turm, gingen einem Gespannführer die Gäule durch. Am Straßenrand hatten Zuschauer den unabsichtlichen Galopp noch beklatscht, als sie plötzlich zur Seite springen mussten. Der Fuhrmann konnte seine vier Pferde auf dem Bürgersteig stoppen. Verletzt wurde niemand. Eine ähnliche Situation gab es vor wenigen Jahren in Benediktbeuern, als ein Gespann nicht um die Kurve kam und mehrere Zuschauer in Sicherheit springen mussten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: