Benediktbeuern:Liederabend ohne Sänger

Oberland Konzerte 2017

Catherine Rechsteiner (Klavier) und Dorothee Binding (Querflöte) eröffneten die Konzertsaison der Oberland Konzerte in Benediktbeuern.

(Foto: Manfred Neubauer)

Bezauberndes Konzert mit Flöte und Klavier im Benediktbeurer Barocksaal

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Vor gut 20 Jahren erregten Musiker noch Aufsehen, wenn sie Bach nicht auf dem modernen Konzertflügel spielen wollten, sondern auf diesem merkwürdig antiquierten Instrument namens Cembalo. Böse Zungen wurden nicht müde zu behaupten, sein Klang ähnele dem einer Nähmaschine. Gleichwohl hat sich das Cembalo bei Aufführungen Alter Musik mittlerweile durchgesetzt, so dass es heute wiederum ungewöhnlich ist, einen Bach auf dem Flügel zu hören. Catherine Rechsteiner, die am Sonntagabend in Benediktbeuern die Flötistin Dorothee Binding bei der Sonate E-Dur BWV 1035 begleitete, verstand es jedoch, das große schwarze Tier zu zähmen: Ihr zart angeschlagener, leichter, flexibler Ton war stilistisch durchaus angemessen und musikalisch überaus differenziert.

Die beiden Musikerinnen nahmen den 1. Satz mit zarter Wehmut, entfalteten sprühende Vitalität im 2., nachdenklich-versonnen kam der 3. daher und in übersprudelnder Freude eilte der 4. und letzte dahin. Eine stimmige, packende Interpretation. Zum zweiten Werk des Abends hätte das Cembalo dann ohnehin nicht mehr gepasst: Für Franz Schubert müsste es historisch korrekt ein Hammerflügel sein. Dieser ist im Konzertsaal allerdings selten vertreten, der moderne Flügel daher die übliche Wahl. Vom ersten Takt der Variationen über das Lied "Trockne Blumen" D 802 an konnten die Musikerinnen eine dichte Atmosphäre schaffen und mit spannender Gestaltung überzeugen. Catherine Rechsteiner verstand es meisterlich, zwischen der zurückgenommenen Begleitfunktion und dem großen Auftritt, sobald die (ursprüngliche) Gesangsstimme im Klavier lag, zu wechseln - eine Herausforderung, die längst nicht allen Pianisten so mühelos geliengt.

Was ihre ebenso intelligente wie souveräne Gestaltung hier schon ahnen ließ, verdichtete sich bei den nach der Pause folgenden fünf Liedern aus Schuberts "Winterreise": Mit dieser Musikerin möchte man unbedingt einen Liederabend erleben! Doch damit ist auch ein gewisses Manko dieses Konzertabends angesprochen: Dem Liebhaber der Liedkunst blutet das Herz, wenn er ein ausgesprochenes Juwel dieser Gattung hören muss, dem das elementare Element des Textes fehlt. Schubert hat hier Sprache vertont, und zwar nicht irgendwie zufällig, sondern äußerst bewusst und gezielt. Eine rein instrumentale Version, wie gut auch immer sie vorgetragen sein mag, muss ein Fragment bleiben.

Von diesem generellen Einwand abgesehen bleibt allerdings zu konstatieren, dass Dorothee Binding eine hervorragende Interpretation bot, die hörbar vom Stimmungsgehalt des Textes ausging. So kann Bindings feinfühlig-nuancierte Gestaltung musikalisch als Vorbild für so manchen Sängerkollegen dienen. Doch die so wichtigen sprachlichen Feinheiten, etwa die Kälte, die ein guter Sänger in die Textzeile "des ganzen Winters Eis" zu legen vermag, kann die Flöte bei aller Kunstfertigkeit eben doch nicht ausdrücken.

Zum Abschluss des Abends stellten sich Binding und Rechsteiner einer noch größeren Herausforderung: In der "Fantaisie sur le Freischütz" von Paul Taffanel wollten Flöte und Klavier gleich ein ganzes großes Orchester nebst etlichen Gesangssolisten darstellen. Ob man eine solche Bearbeitung überhaupt sinnvoll findet, ist eine Geschmacksfrage. Die beiden Musikerinnen gaben denn zwar auch ihr Bestes, vermochten aber nicht völlig zu überzeugen. Die orchestrale Wucht kam im Klavier nur ansatzweise zur Geltung; die Flöte verstieg sich in extrem virtuosen Passagen, die technisch bewundernswert waren, aber keinen höheren musikalischen Sinn offenbarten, was zumindest den Intentionen Webers, der den "Freischütz" komponierte, zuwider laufen dürfte. So gab es schöne Momente wie den Anklang an Agathes zauberhafte Arie "Leise, leise, fromme Weise" oder Ännchen flottes "Kommt ein schlanker Bursch gegangen", aber zwingend scheint diese Werkauswahl nicht.

Im trotz Schneegestöber gut besetzten Barocksaal gab es abschließend viel Applaus für zwei hervorragende Musikerinnen, die mit Bach als Zugabe dramaturgisch stringent den Kreis schlossen.

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