Bad Tölz:"Zur Nachahmung empfohlen"

Der Historiker Wolfram Pyta lobt den neuen Informationsweg über Hindenburg in Bad Tölz bei der Einweihung als "avantgardistisch". Für Bürgermeister Josef Janker sind die Stelen mit Texten und Fotos "beispielgebend"

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Neun Stelen, erst aufrecht, dann schief und schließlich stark geknickt, bilden den Informationsweg Hindenburgstraße, der am Freitag in Bad Tölz eingeweiht wurde. Sie tragen Texte und Fotografien, die über den ehemaligen Reichspräsidenten aufklären, der Adolf Hitler zur Macht verhalf. Für Professor Wolfram Pyta ist dies ein "zur Nachahmung empfohlenes" Modell, weil es bürgerschaftlichen Eifer mit wissenschaftlicher Arbeit verbinde. "Ich muss gestehen, was Sie in Bad Tölz geleistet haben, ist avantgardistisch", sagte der renommierte Historiker und Hindenburg-Biograf beim Empfang für geladene Gäste im Bürgersaal des Stadtmuseums.

Vor zwei Jahren folgte der Stadtrat einer Idee des Bürgermeisters Josef Janker (CSU), die Hindenburgstraße nicht umzutaufen, sondern dort ein "begehbares Mahnmal" zu schaffen. Eine siebenköpfige Expertenrunde wurde gebildet, die diesen Begriff schnell verwarf. "Das erschien uns zu hoch gegriffen", sagte der Geschichtslehrer und Dritte Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU), der diesem Gremium angehörte. In der Hindenburgstraße in Tölz habe sich nichts Bemerkenswertes ereignet, sie sei "weder Täter- noch Opferort". Deshalb habe man sich auf einen "Informationsweg" verständigt, wobei von Anfang an klar gewesen sei, "nicht zehn Tafeln irgendwo an die Wände der Hindenburgstraße zu schrauben". Das Gremium strebte eine professionelle Umsetzung an, inhaltlich wie gestalterisch. Der Stelen-Weg gebe "die Gelegenheit, über die Verwerfungen der deutschen Geschichte nachzudenken", sagte Botzenhart.

Hindenburgstraße Stelen

Mit kurzen Texten und Fotos auf neun Stelen soll der Informationsweg Hindenburgstraße über die Rolle des ehemaligen Reichspräsidenten aufklären.

(Foto: Manfred Neubauer)

In seinem Vortrag räumte Pyta, der an der Universität Stuttgart lehrt und mit "Hindenburg - Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler" ein Standardwerk geschaffen hat, mit Legenden über den Generalfeldmarschall und späteren Reichspräsidenten auf. Eine davon besagt, der greise Hindenburg habe 1933 bei der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler nicht mehr begriffen, was er tat, und sei den Einflüsterungen seiner Berater erlegen. Pyta zufolge bewarb sich Hindenburg im Jahr zuvor hingegen zum zweiten Mal um die Reichspräsidentschaft, weil er die deutsche Rechte als zersplittert ansah, die personalpolitischen Entscheidungen in seiner Hand behalten und den politischen Übergang moderieren wollte. Und nicht etwa deshalb, um Hitler zu verhindern, der ebenfalls kandidierte. "Hindenburg hat ihn so lange nicht zum Reichkanzler gemacht, wie Hitler versuchte, an Hindenburg vorbei Reichskanzler zu werden", sagte der Historiker. Für das verächtliche Wort vom "böhmischen Gefreiten", das der Reichspräsident über den NS-Führer gesagt haben soll, fand er keinen Beleg. "Ich habe keine einzige Quelle gefunden, die belastbar wäre." Vielmehr zeigten Protokolle der fünf Begegnungen zwischen beiden seit 1931, dass Hindenburg seinen Gesprächspartner zumindest als der Offiziersehre für wert befunden habe, als "Unteroffizier mit Portepee".

Hätte der Reichspräsident die Weimarer Republik retten wollen, wäre ihm dies "mit autoritären Mitteln" möglich gewesen, sagte Pyta. Aber dazu hätte sich Hindenburg "von seinem Feldherrenhügel in den Schützengraben" begeben müssen, vulgo in die Niederungen der Politik. Ihm lag jedoch alles daran, seinen Nimbus als nationale Integrationsfigur zu bewahren. Den erwarb er sich als "Sieger von Tannenberg" gegen die russische Armee im Ersten Weltkrieg, wobei die Strategie von anderen ausgetüftelt wurde. "Hindenburg besitzt ein Talent, das wenige Militärs besitzen: Er versteht es, Siege an seine Brust zu heften, er versteht es - und das ist noch entscheidender - eine Symbolfigur zu sein", sagte der Historiker. Er habe alles getan, um auf diesem Denkmal zu bleiben - "und er ist lange auf diesem Denkmal geblieben".

Bad Tölz: Über den Wandel des Hindenburg-Bilds in der Geschichtsforschung sprach der renommierte Historiker und Hindenburg-Biograf Wolfram Pyta.

Über den Wandel des Hindenburg-Bilds in der Geschichtsforschung sprach der renommierte Historiker und Hindenburg-Biograf Wolfram Pyta.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Für Bürgermeister Janker kam es darauf an, dass auf dem Weg "die Distanzierung von der Person Hindenburg und seinem Handeln klar erkennbar wird". Das ist seiner Ansicht nach gelungen, das Ergebnis nannte er "beispielgebend". Die Tölzer Designerin Julia Stelz erläuterte nochmals die Formensprache der zunehmend geknickten Stelen, die einerseits die Entwicklung Hindenburgs vom "Reichsvater " zum Unterstützer der Nazis, und andererseits die veränderte Wahrnehmung seiner Rolle für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zum Ausdruck bringen sollen. Die ersten Reaktionen in Tölz, etwa auf die kippende Stele vor der Post, fielen laut Stelz nicht eben zustimmend aus: Die störe irgendwie, man könne sich damit nicht anfreunden. Die Designerin fühlt sich durch solche Äußerungen zu ihren Objekten bestätigt: "Genau das sollen sie."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: