Bad Tölz-Wolfratshausen:"Reichsbürger" im Visier

'Reichsbürger' schießt auf Polizisten

Reichsbürger lehnen die Bundesrepublik ab. Der Georgensgmünder hatte diese Flagge gehisst.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Laut Behörden gibt es im Landkreis 34 Personen, die zur Gruppe der rechtsextremen Gesetzesverweigerer gehören könnten. Vier von ihnen besitzen legal Waffen. Wenn sich der Verdacht bestätigt, müssen sie diese abgeben

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Wappen des Königreichs Bayern gibt es zu kaufen, als Fahne, auf T-Shirts, Tassen oder als Aufkleber für das Auto. Das Königreich selbst gibt es aber lange nicht mehr. Wer also in offiziellen Formularen als Staatsangehörigkeit "Königreich Bayern" statt Bundesrepublik Deutschland angibt, sich selbst einen Pass ausstellt oder Steuern nicht bezahlt mit der Begründung, die Bundesrepublik nicht anzuerkennen, macht sich verdächtig, ein sogenannter Reichsbürger zu sein. Im Landkreis betrifft das derzeit 34 Personen, darunter zehn Frauen, wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigt. Vier Männer unter ihnen besitzen zudem legal eine Waffe, weshalb sie derzeit von der Kriminalpolizei Weilheim überprüft werden.

Wie ernst das Thema ist, hat Mitte Oktober ein Fall in Georgensgmünd gezeigt: Als die Polizei anrückte, um einem Reichsbürger die Waffen abzunehmen, eröffnete der 49-jährige Jäger das Feuer. Ein Polizist wurde getötet. Die rechtsextreme Gruppierung der Reichsbürger, die man zuvor eher für einzelne harmlose Widerspenstige gehalten hatte, wird spätestens nach dieser Attacke als potenziell gefährlich eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet.

Die derzeit 34 Landkreisbürger waren auffällig geworden, weil sie zum Beispiel einen Antrag auf einen Staatsangehörigkeitsnachweis gestellt hatten, wie man ihn etwa für einen Auslandsaufenthalt oder ein Auslandsstudium braucht. Im entsprechenden Formular hatten sie "andere Staatsangehörigkeit" angekreuzt oder sich auf das "Königreich Bayern" bezogen. Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetze nicht an. Sie behaupten, sie lebten im Deutschen Reich in den Grenzen von 1937. Deshalb sprechen sie Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Das Tölzer Landratsamt habe nun eine Liste mit verdächtigen Personen von Seiten des Ausländeramts, das Anträge auf Staatsangehörigkeitsnachweis bearbeitet, an die Kripo Weilheim geleitet, erklärt die Sprecherin der Behörde Marlis Peischer.

Doch das Problem bei der Überprüfung: "Bislang gibt es noch keine abschließende Definition des Innenministeriums, was einen Reichsbürger im Detail kennzeichnet, lediglich eine vorläufige Definition", erklärt Stefan Narr von der Fachabteilung Staatsschutz im Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Nicht jeder Königstreue oder jeder, der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leistet, sei gleich der rechtsextremen Bewegung zuzuordnen. Bis eine solche verbindliche Richtlinie vorliege, seien deshalb abschließende Beurteilungen kaum möglich - "es sei denn, die Hinweise sind absolut eindeutig", sagt Narr. Das sei bei den vier Tölzer verdächtigen Waffenbesitzern bislang nicht der Fall gewesen. Nach Angaben von Narr ist nicht abzusehen, wann diese abschließende und eindeutige Definition vorliegen wird.

Eine Waffenbesitzkarte, wie sie die vier verdächtigen Landkreisbürger haben, benötigt jeder Jäger, Sportschütze, Sammler oder Erbe einer eintragungspflichtigen Waffe. In dieses Dokument werden alle Waffen eingetragen; und sie werden ausgetragen, wenn sie beispielsweise verkauft werden. Es ist somit der Nachweis, dass die Waffen angemeldet sind. Nicht zu verwechseln ist diese Karte mit einem Waffenschein, der ausgestellt wird für Personen, "die wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet sind", wie es offiziell heißt. Darunter fallen Polizeibeamte oder Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen, die etwa im Personenschutz tätig sind. Diese dürfen eine scharfe Waffe mit sich führen und können dafür auch Munition erwerben. Weil die vier Verdächtigen im Landkreis keinen Waffenschein, sondern Waffenbesitzkarten haben, dürften sie aus dem Kreis der Jäger, Schützen oder Waffensammler kommen.

Sollten einer oder alle vier Verdächtigen tatsächlich als Reichsbürger eingestuft werden, sobald die Definition vorliegt, werde der Rechtsstaat Konsequenzen ziehen, sagte ein Weilheimer Kripobeamter. "Wer den Staat und die Gesetze ablehnt, der kann nicht zuverlässig im Sinne des Gesetzes sein." Gerade die juristische Kategorie der "Zuverlässigkeit" spielt im Waffenrecht nämlich eine zentrale Rolle. Wird sie dem Waffenbesitzer abgesprochen, wird die Lizenz widerrufen. Der Betreffende muss Pistole, Revolver oder Gewehr abgeben. Tut er das nicht, werden Waffen und Munition von der Waffenbehörde im Landratsamt sichergestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: