Bad Tölz-Wolfratshausen:Pro und contra Quote

Die Bürgermeister stehen nach dem Vorschlag aus dem Landratsamt vor einer kontroversen Diskussion über Asylbewerber

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Langweilig dürfte es nicht zugehen, wenn sich die Bürgermeister der 21 Städte und Gemeinden im Landkreis am nächsten Montag im Tölzer Landratsamt treffen. In der obligatorischen Dienstbesprechung müssen sie sich mit dem Verteilungsschlüssel auseinandersetzen, den der Landkreis zur Aufnahme von Flüchtlingen einführen möchte. "Das wird eine heftige Diskussion", glaubt Thomas Holz (CSU). Der Rathauschef von Kochel am See findet ein solches Modell grundsätzlich richtig, "weil nicht die einen die ganze Last tragen können und die anderen nichts". Allerdings hegt er Zweifel, dass eine solche Quote überhaupt umzusetzen ist: "Stellt das Landratsamt den Gemeinden dann die Asylbewerber vor das Rathaus?"

Zwiegespalten äußern sich auch andere Bürgermeister im Landkreis. Michael Müller (CSU) aus Geretsried befürchtet, dass ein starrer Verteilungsschlüssel die Flexibilität gefährdet, die er in der Unterbringung von Flüchtlingen für notwendig erachtet. Konkret ausgedrückt: Obwohl sie noch Unterkünfte hätte, könnte eine Stadt dann die Aufnahme weiterer Flüchtlinge mit dem Argument ablehnen, dass sie die Quote ja schon erfüllt habe. Außerdem ist Müller der Maßstab für die Berechnung nicht ganz klar: "Wird dann die Einwohnerzahl durch die Kopf-Anzahl der Flüchtlinge geteilt?" Der Bürgermeister von Geretsried, wo mehr als 120 Asylsuchende leben, setzt eher auf die Einsicht seiner Amtskollegen und auf eine freiwillige Selbstverpflichtung. Vom Tisch wischen mag er das Modell allerdings nicht. Er verweist auf die Folgekosten, die eine Kommune alleine tragen muss, wenn sie Flüchtlinge beherbergt: in der Stadtverwaltung, mit einer neue Stelle für einen Betreuer ehrenamtlicher Kräfte, mit dem Sachaufwand für ihre Schulen und Kindergärten. Mitunter gebe es da schon "ein krasses Missverhältnis" zu einzelnen anderen Gemeinden, sagt er.

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Bürgermeister Georg Riesch, Jachenau

(Foto: Manfred Neubauer)

Josef Janker (CSU) ist weder gegen eine Quote noch unbedingt dafür. Der Bürgermeister von Bad Tölz, wo gut 150 Asylbewerber untergebracht sind, wünscht sich etwas anderes vom Landkreis: Die ehrenamtlichen Kräfte, die sich um die Flüchtlinge kümmern, benötigten dringend Hilfe und Koordination. Solche Stellen könne der Landkreis über die von den Gemeinden geleistete Kreisumlage finanzieren, fordert Janker: "0,01 Stellen pro Asylbewerber, da käme in Tölz eine Stelle auf den Landkreis zu." Einen Koordinator, der von Oktober an im Mehrgenerationenhaus für etwa 170 ehrenamtlich Engagierte eingesetzt wird, bezahlt die Stadt hingegen erst einmal selbst.

Zurückhaltend äußert sich Michael Grasl (Freie Wähler). Für den Münsinger Rathauschef und Sprecher der Landkreis-Bürgermeister sind die Kommunen zwischen Icking und Jachenau nicht zu vergleichen. Deshalb müsse man zusammenarbeiten und dürfe "hier nicht nur ein Ranking im Fokus haben", meint Grasl. Manche Gemeinden hätten sich um Wohnraum für Asylsuchende bemüht, aber vergebens. Daher wäre für Grasl eine Vorgehensweise nach dem Motto "Nur Quote, und basta" der falsche Weg. In Münsing sind derzeit 16 Asylbewerber in zwei Privathäusern untergebracht. Zudem hat München knapp 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Schullandheim Seeheim einquartiert.

Bad Tölz-Wolfratshausen: Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU)

Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU)

(Foto: Hartmut Pöstges)

Werner Weindl (CSU) wundert sich über den Vorstoß des Landratsamts. Eine Quote habe der Gaißacher Bürgermeister Stefan Fadinger schon früher ins Gespräch gebracht, doch sei sie damals von Landrat Josef Niedermaier (FW) abgelehnt worden, weil sie rechtlich nicht durchsetzbar wäre, erzählt Weindl. In der Sache ist der Bürgermeister von Lenggries, wo aktuell 55 Flüchtlinge leben und weitere 70 bald in Containern unterkommen sollen, durchaus für einen Verteilungsschlüssel. "Persönlich habe ich nichts dagegen, im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung", sagt er.

In die Jachenau hat der Landkreis bisher noch keinen Asylsuchenden geschickt. Dafür gibt es vor allem infrastrukturelle Gründe: Das Tal ist abgelegen, es gibt keinen Supermarkt, keine Apotheke, keinen Arzt. Mit dem Thema Asyl hatte sich der Gemeinderat deshalb bis vor kurzem nicht näher befasst, in der jüngsten Sitzung nun allerdings doch. Geplant sei zunächst ein Informationsabend mit den Vertretern des Landratsamts, sagt Bürgermeister Georg Riesch (FWG). Außerdem hätten die Räte als mögliche Unterkunft für Flüchtlinge den Gasthof zur Post ins Auge gefasst, der im Besitz der Kommune ist und eigentlich umgebaut werden soll. Die Debatte darüber habe jedoch nichts mit dem geplanten Verteilungsschlüssel zu tun, betont Riesch. Mit der steigenden Anzahl an Asylsuchenden werde der Druck auf den Landkreis zunehmen, zu dem auch die Jachenau gehöre: "Es ist jeder gefragt, da kann man sich nicht verschließen."

Mädchenrealschule St. Immaculata in Schlehdorf schließt 2018

Bürgermeister Stefan Jocher aus Schlehdorf.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das hat die kleine Gemeinde Schlehdorf von Anfang an nicht getan. Die Zahl der Flüchtlinge betrage "prozentual drei Prozent der Bevölkerung", sagt Bürgermeister Stefan Jocher (CSU). Die geplante Quote hält er für eine "gute Idee", schließlich hätten sich bei der Unterbringung der Asylbewerber "manche Gemeinden in der Vergangenheit bewusst herausgehalten". Andererseits glaubt Jocher, dass ein solcher Schlüssel "höchst schwierig" anzuwenden sei. Wenn es etwa heiße, jede Kommune müsse zwei Prozent aufnehmen, treffe dies vor allem Wolfratshausen, Geretsried oder Tölz. "Die sind dann gleich mit fast 400 Flüchtlingen dabei."

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