Asylbewerber:"Moralischer Zeigefinger"

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Die Geretsrieder Container waren im Februar 2014 die erste große Unterkunft im Landkreis. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Landkreis will die Flüchtlinge, die er selbst zugewiesen bekommt, nach einem festen Schlüssel auf alle seine 21 Gemeinden weiterverteilen und so mehr Gerechtigkeit schaffen. Doch zwingen kann er die Kommunen zu nichts

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Mit einem Verteilungsschlüssel will der Landkreis mehr Gerechtigkeit bei der Aufnahme von Flüchtlingen in den 21 kreisangehörigen Städten und Gemeinden schaffen. Einer solchen Quote könne man "nach dem gesunden Menschenverstand nicht viel entgegensetzen", sagt Michael Foerst, Sozialamtsleiter im Landratsamt. Trotz der steigenden Anzahl von Asylbewerbern gebe es noch Kommunen, die hofften, "dass es per Zufall jemand anderen trifft". Wie dieser Schlüssel genau funktionieren soll, ist noch nicht ganz klar. Eine rechtlich bindende Wirkung hat er nicht.

Foerst verweist auf die Landkreise Miesbach und Fürstenfeldbruck, die eine Quote eingeführt haben. "Mit guten Erfahrungen", wie der Amtsleiter sagt. In Miesbach dient alleine die Einwohnerzahl einer Gemeinde als Berechnungsbasis, in Fürstenfeldbruck überdies auch die Flächengröße einer Kommune und die Anzahl der Asylbewerber, die dort schon leben. Amtsleiter Foerst geht es mit einem solchen Schlüssel auch darum, die "Unterstützungsressourcen" besser zu steuern - die Hilfe für die Asylsuchenden, die auf "behördlicher und ehrenamtlicher Seite vor Ort nicht überlastet" werden dürfe.

Nach ersten Gesprächen mit Bürgermeistern aus dem Landkreis hat der Sozialamtschef den Eindruck, dass Städte, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben, "ein großes Interesse an der Quote haben, weil sie entlastet werden". Dagegen herrsche in manch anderen Kommunen die Sorge, dass sie sehr schnell umgesetzt wird. Dies könne aber nicht von jetzt auf gleich geschehen, sagt Foerst. Geplant ist deshalb eine Übergangsfrist. In dieser Zeit könnten Orte, in denen kaum oder gar keine Flüchtlinge leben, jenen Gemeinden helfen, die viele aufgenommen haben. Das gilt vor allem finanziell. Eine Hintertür, um sich freizukaufen, will der Sozialamtsleiter dadurch aber nicht öffnen. "Jede Gemeinde muss in natura Personen unterbringen", sagt er. Nur in der Zwischenzeit sei "ein Surrogat in Geld" möglich.

Zwingen kann der Landkreis die Kommunen zu nichts. Das weiß Landrat Josef Niedermaier (FW). Er sieht die Verteilungsquote denn auch eher als eine Art moralischen Zeigefinger. Sie solle die Gemeinden "dazu animieren, tätig zu werden und Unterkunftsmöglichkeiten zu schaffen". Einen stillen Vorwurf will er jenen Kommunen, die bislang noch gar keinen Flüchtling beherbergen, damit nicht machen. Bichl zum Beispiel. Dort habe man nach Wohnungen gesucht und auch welche gemeldet, die aber schlussendlich ungeeignet gewesen seien. Auch in der Jachenau werde diskutiert, wie sich der Ort beteiligen könne. "Es gibt bei uns keine Gemeinde, die sich strikt verweigert", sagte Niedermaier. Andererseits habe Schlehdorf mit lediglich 1200 Einwohnern insgesamt 35 Asylsuchende aufgenommen. "Es gibt Gemeinden, die hätten noch Möglichkeiten." Foerst ist klar, dass der Verteilungsschlüssel nicht plötzlich Unterkünfte oder eine Infrastruktur schafft, die es nun mal nicht gibt. "Aber ich sage immer: Was ist die Alternative? Letztlich gar nichts zu leisten." Über die Quote diskutieren die Bürgermeister in der Dienstbesprechung am Montag, 22. Juni, im Landratsamt.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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