Bad Tölz-Wolfratshausen:Krisendienst kommt im Schneckentempo

Steuerungsverbund im Landkreis rechnet erst in einigen Monaten mit mobiler Hilfe für psychisch Kranke

Von Petra Schneider, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wenn Menschen ihre Lebens- oder Arbeitsumstände dauerhaft als belastend empfinden, wenn sie Ereignissen ausgesetzt sind, die sie nicht alleine bewältigen können, kann das zum Verlust des seelischen Gleichgewichts führen. Die Folge: eine psychische Krise, die ebenso einer Behandlung bedarf wie eine körperliche Erkrankung. Einen psychiatrischen Krisendienst gibt es bislang aber immer noch nicht, die Betroffenen müssen sich an einen Notarzt wenden. Bis eine Gesetzesnovelle greift, die zurzeit erarbeitet wird, entscheidet im Freistaat die Polizei über die weitere Unterbringung. "Seit 20 Jahren gibt es den Ruf nach einer geeigneten Krisenhilfe", sagte Arnold Torhorst, Geschäftsführer im Verbund ReAL Isarwinkel und Vorsitzender des "Steuerungsverbunds Psychische Gesundheit", dem Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Kliniken und Selbsthilfegruppen angehören.

Mit der Einrichtung eines Krisendienstes sollen Betroffenen passgenaue Hilfen angeboten werden, um vorschnelle Einweisungen in psychiatrische Kliniken zu vermeiden. Der Bezirk Oberbayern stellt dafür gut sieben Millionen Euro zur Verfügung. Das Projekt ist vorerst auf fünf Jahre angelegt. Geplant ist, dass Hilfesuchende bei einer Leitstelle im Atriumhaus in München unter einer einheitlichen Telefonnummer anrufen können. Dort sollen geschulte Fachkräfte über weitere Hilfen entscheiden sowie Information und Erstberatung anbieten. Zentraler Bestandteil des Konzepts ist die Einrichtung eines "mobilen Ausrückdienstes", der zu den Betroffenen nach Hause fährt.

Alle Anbieter von sozialpsychiatrischen Leistungen im Landkreis müssten sich daran beteiligen, sagte Torhorst: Fachärzte, Psychotherapeuten und der Sozialpsychiatrische Dienst. Die Einsätze sollen von zwei Gebietskoordinatoren organisiert werden, die für die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach, Starnberg, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim und Landsberg zuständig sind. "Das Ziel ist, dass wir einen Krisendienst rund um die Uhr anbieten können", sagte Torhorst. Noch befindet sich das Projekt in der Anfangsphase. Doris Beuth, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes, rechnet damit, dass in einigen Monaten eine einheitliche Notrufnummer und der mobile Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehen.

Ebenfalls in der Anfangsphase befindet sich ein weiteres Angebot: "Ex-In" (Experienced-Involvement) bezeichnet ein Konzept, bei dem ehemalige Psychiatrie-Patienten den Betroffenen Hilfe und Hoffnung geben sollen. Sie fungieren als "Genesungsbegleiter", die Therapeuten nicht ersetzen, sondern ergänzen sollten, wie Christel Hansing sagte. Sie ist die Gründerin der einzigen Selbsthilfegruppe für "Seelische Gesundheit" im Landkreis und bislang auch die einzige Genesungsbegleiterin, die den einjährigen Qualifizierungskurs absolviert hat. Ähnliche Erfahrungen erleichterten Verständnis und Kommunikation mit den Betroffenen, wie sich im Bereich Suchthilfe immer wieder zeige, sagte sie. Auch für die Genesungsbegleiter ergeben sich Chancen: Sie könnten durch die Kursteilnahme den Wiedereinstieg in eine berufliche Tätigkeit schaffen.

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