Bad Tölz-Wolfratshausen:Im Zustand der Ausnahme

Wie der G-7-Gipfel in Elmau den Landkreis betrifft. Rettungsdienste sind in Schulen und im Kloster untergebracht, Richter abgestellt und im Notfall wird die A 95 gesperrt

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Extreme Sicherheitsvorkehrungen begleiten das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsnationen zum G-7-Gipfel am 7. und 8. Juni in Elmau. Mit Auswirkungen bis in den Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Schließlich liegt die Region wie ein Puffer zwischen München, wo etliche Protest-Veranstaltungen mit teils tausenden Teilnehmern geplant sind, und dem Veranstaltungsort Schloss Elmau im Kreis Garmisch-Partenkirchen. Deshalb hier ein Überblick, worauf sich Bürger hierzulande einstellen müssen:

Unterrichtsausfall

Schülern des Geretsrieder Schulzentrums beschert der Gipfel eine Verlängerung der Pfingstferien um zwei Tage: Statt am Montag, 8. Juni, beginnt er für die Gymnasiasten und Realschüler der Schulalltag erst am Mittwoch, 10. Juni. Der Grund: Das Schulzentrum wird als Reserve-Quartier für Sicherheits- und Rettungskräfte benötigt. In den Klassenzimmern werden Polizei sowie Helfer des Roten Kreuzes und des Katastrophenschutzes unterkommen. Darüber hinaus wird dort auch Material für den Einsatz gelagert. Sollten Kinder in dieser Zeit nicht im elterlichen Haus betreut werden können, kümmern sich die Schulen um alternative Angebote.

Weil der Gipfel auch in den Zeitraum der Abschlussprüfungen fällt, gibt es zudem Sonderregelungen für Geretsried. Noch ausstehende mündliche Abiturprüfungen sowie die sogenannten Sprachfertigkeitsprüfungen der Realschule werden ebenfalls erst am 10. Juni stattfinden.

Mittelschüler des Schulzentrums indes haben nur einen Tag frei: Einzelne Klassen werden jeweils entweder am 8. oder 9. Juni am Unterricht in der Karl-Lederer-Schule teilnehmen. Weil das Schulzentrum samt Pausenhof, Parkplatz und Umgriff während des Gipfels als Sicherheitsgebiet gilt, fällt am 8. und 9. Juni auch der Musikunterricht an der Geretsrieder Musikschule aus.

Polizeipräsenz G-7-Gipfel

Gipfelvorbereitung und Gipfelgegner: Im Klosterhof Benediktbeuern stehen Polizeiwagen parat.

(Foto: Manfred Neubauer)

Station Feuerwehrschule

Neben dem Schulzentrum wird auch die Geretsrieder Feuerwehrschule für die Stationierung von Einsatzkräften herangezogen. Bereits am Freitag reisten 250 Einsatzkräfte von Hilfsorganisationen aus ganz Bayern an. Am Freitag, 5. Juni, dürfen sich Besucher von 11 bis 14 Uhr ein Bild von der Lage in der Schule und zum Einsatz machen. BRK-Krisenmanager und Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk wird über die "Herausforderung G-7-Einsatz" referieren.

Retter und Ehrenamtliche

Laut offiziellen Zahlen des bayerischen Innenministeriums werden beim G-7-Gipfel 17 000 Polizisten im Einsatz sein, dazu rund 1800 ehrenamtliche Rettungs- und Sanitätsdienstkräfte sowie Polizisten aus ganz Bayern. Wie viele von ihnen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen untergebracht sein werden, kann Toni Stowasser vom Amt für Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt nicht beziffern. In der Geretsrieder Feuerwehrschule sind allerdings derzeit konkret 250 Ehrenamtliche einquartiert, in der Königsdorfer Jugendsiedlung haben 30 Polizeibeamte Logis gefunden. Auch im Südlandkreis kommen Einsatzkräfte unter für den "größten Polizeieinsatz in Bayerns Geschichte", wie Polizeipräsident Robert Heimberger den G-7-Gipfel nennt. So sind die Miriamsherberge und das Kloster in Benediktbeuern mit je 80 Polizisten derzeit voll belegt.

Die Kreis-Feuerwehr entsendet zehn Führungskräfte nach Elmau, die vor Ort in der Einsatzleitung abwechselnd jeweils Zwölf-Stunden-Schichten übernehmen. Weil zugleich eine Urlaubssperre gilt, soll das abgezogene Personal bei Polizei und Feuerwehr keine Lücken hinterlassen.

Sperren und Ausweichrouten

Hier werden Landkreisbürger wohl die stärkste Auswirkung des G-7-Gipfels merken: Wenn durch die Sperrungen im Nachbarlandkreis die Straßen großräumig umfahren werden und dadurch der Verkehr hier zunimmt. Vom 4. Juni an ist der Bereich Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald bereits für den Transitverkehr gesperrt. Straßensperren im hiesigen Landkreis sind indes nicht vorgesehen. Mit Staus und Behinderungen muss vor allem dann gerechnet werden, wenn am An- oder Abreisetag der Staatsgäste kein Flugwetter herrschen sollte und der Tross der Gipfelteilnehmer vom Münchner Flughafen über die Garmischer Autobahn fährt. Dabei soll nach Angaben von Kriminalhauptkommissar Christian Wacker nicht die komplette Autobahn gesperrt werden, sondern jeweils nur die betreffende Auffahrt für den Zeitpunkt, da ein Staatschef im Konvoi vorbeifährt. "Danach kann der normale Verkehr fließen, bis der nächste Tross ansteht, denn die Gäste reisen ja zeitversetzt an", erklärt Wacker.

Bad Tölz-Wolfratshausen: An der Feuerwehrschule in Geretsried werden Betten und Matratzen für die Rettungsdienste geschleppt.

An der Feuerwehrschule in Geretsried werden Betten und Matratzen für die Rettungsdienste geschleppt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Gleitschirmflugverbot

Straßenarbeiten wird es hingegen währende des Gipfels nicht geben, sagt Michael Kordon, Chef des Straßenbauamts in Weilheim. Wohl aber Sperrungen des Luftraums: Gleitschirm- und Segelflieger aus dem Landkreis müssen während der Gipfeltagung am Boden bleiben.

Ausweispflicht

Seit 26. Mai sind vorübergehend Grenzkontrollen auch an Schengen-Binnengrenzen wieder eingeführt. Das diene dazu, "gewaltbereite G-7-Kritiker rechtzeitig zu erkennen", sagt Thomas Borowik von der Pressestelle des Bundespolizeidirektion in München. An fünf Übergängen zwischen Bayern und Tirol werden Grenzstationen temporär neu errichtet oder alte wiedereingesetzt. Bis zu acht Hubschrauber sollen regelmäßig Patrouille an den Grenzen fliegen. "Grundsätzlich sind solche Grenzkontrollen aber flexibel überall möglich", betont Borowik. Kontrollen könnten nicht nur an den Übergängen des Landkreises, Vorderriß und Achenkirch, auf den Straßen und in Zügen stattfinden, sondern auch an Wanderwegen und den "grünen Grenzen". Die Bundespolizei empfiehlt dringend, bis zum Ende des Gipfels stets Ausweispapiere dabei zu haben.

Richter

Involviert sind auch fast alle der zehn Richter des Amtsgerichts Wolfratshausen. Sie stehen in Bereitschaft, um im Rahmen des Gipfels an den Amtsgerichten in Garmisch und München Schichten zu übernehmen. Der Bereitschaftsplan geht vom 25. Mai an bis Ende Juni. Doch es werden nicht alle gleichzeitig eingesetzt, sondern immer nur einer, so dass der reibungslose Betrieb in Wolfratshausen gewährleistet bleibe. Aufgabe ist die Gefahrenabwehr, etwa indem die Richter Platzverweise verhängen.

Aktionen und Proteste

Bislang sind nach Auskunft des Landratsamts und des Polizeipräsidiums im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen keine Aktionen und auch keine Camp-Flächen für Gipfelgegner angemeldet. Allerdings wird eine Friedensradtour hier Station machen: Am Donnerstag, 4. Juni, wird die etwa 20-köpfige Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen in Bad Tölz erwartet. Zwischen 17.30 und 18.30 Uhr werden sie am Wolfratshauser Marienplatz eine Anti-Kriegs-Performance darbieten. Am Freitag wiederholen sie diese zwischen 9.30 und 10 Uhr am Tölzer Max-Höfler-Platz, ehe die Gruppe nach Garmisch zur Großdemo aufbricht.

G7 Gipfel 2015

In einem Degerndorfer Garten hängt ein Protest-Plakat.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Verein "Guat's Klima" veranstaltet am 30. und 31. Mai mit Unterstützung des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) im Kloster Benediktbeuern eine Klimaschutztagung, um auf ein nachhaltiges Leben aufmerksam zu machen. Die Ergebnisse präsentieren sie der Öffentlichkeit am Sonntag bei einem "Gipfeltreffen der Weltbürger" auf dem Herzogstand.

Tourismus-Effekte

Tourismusunternehmen im Landkreis hatten ähnliche Umsatzeinbußen befürchtet wie ihre Kollegen in Garmisch, weil Urlauber das Gebiet wegen des Gipfels ausgerechnet in den Pfingstferien meiden könnten. Das hat sich inzwischen relativiert, weil gerade im stärker betroffenen Südlandkreis viele Bereitschaftspolizisten in Hotels und Gaststätten untergekommen sind. "Auch bei uns ist derzeit Bereitschaftspolizei im Haus", sagt Alfred Eggersberger, Besitzer des Hotels Karwendelblick am Walchensee. Zwar habe er wegen der Belegung andere Urlauber vertrösten müssen, "aber ein volles Haus ist ein volles Haus". Und das sei "ein nachhaltiger Werbeeffekt."

Haftung

Für den Fall, dass es bei Bürgern zu unmittelbaren gipfelbedingten Schäden kommen sollte, wurde eine zentrale Schadensausgleichsstelle im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen eingerichtet. Dort und auf der Homepage des Landratsamts (www.lra-gap.de) können Antragsformulare bezogen werden. Ob diese Schadensausgleichsstelle auch zuständig ist für Schäden auf Fluren des Nachbarlandkreises, wird derzeit noch verhandelt.

Informationen

Seit Mitte Mai gibt es zu Fragen rund um den Gipfel ein Bürgertelefon. Es ist Montag bis Samstag von 6 bis 22 Uhr besetzt unter der kostenfreien Rufnummer 0800/776 63 30.

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