Bad Tölz-Wolfratshausen:Festhalten am G 8

Elternvertreter, Lehrer und Schüler im Landkreis wollen nicht mehr zurück zum neunjährigen Gymnasium. Sie fordern stattdessen einen deutlich entrümpelten Lehrplan und mehr Personal.

Von Thekla Krausseneck

30 Prozent aller Schüler haben Probleme mit dem G 8 - einfach, weil sie gestresst sind. Das geht aus einer Studie der Landeselternvereinigung der Gymnasien in Bayern hervor, die deren Sprecherin Susanne Arndt zitiert. Der Stress entstehe durch Wissenslücken, sagt Arndt, und diesem ließe sich vorbeugen: durch mehr Lehrkräfte, kleinere Lerngruppen und eine intensivere Förderung für schwächere Schüler. Die politische Debatte, die derzeit geführt werde, ist nach Arndts Meinung die falsche: "Durch das G 9 wird es nicht besser." Ihre Ansicht teilen Direktoren und Schülersprecher der Gymnasien von Icking bis Bad Tölz. Auch dass Schüler zwischen G 8 und G 9 wählen können sollen, stößt auf Kritik.

"Das ist Politik und nicht Realität an den Schulen", sagt Harald Vorleuter über die Behauptung, die Schüler seien mit dem G 8 völlig überfordert. Vorleuter ist Direktor des Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums und als ehemaliger Büroleiter der früheren Kultusministerin Monika Hohlmeier einer der Väter des G 8. Hinter diesem stehe er auch heute noch, sagt Vorleuter. Virulent seien dagegen strukturelle Mängel: Die Oberstufe müsse anders aufgebaut werden; es fehlten Personal und eine Leistungsdifferenzierung, wie sie im G 9 durch die Leistungskurse gegeben war. Dass alle Schüler verpflichtend Abiturprüfungen in Mathematik, Deutsch und Englisch ablegen müssen, habe dazu geführt, dass die Notenschnitte abgesackt seien. Aber: "Überlastet sind wir nicht."

Auch am Gymnasium Geretsried hätten nicht viele Schüler Probleme mit dem G 8, sagt Direktor Hermann Deger. Nur drei nähmen das Flexibilisierungsjahr in Anspruch, was eine Art Indikator dafür ist, ob die Schüler überlastet sind. Auf der Schüler-Eltern-Lehrer-Konferenz, die einmal im Jahr stattfinde, sei das Thema noch nie aufgetaucht. Eine "schlimme Vorstellung" wäre es für ihn, könnten die Schüler zwischen G 8 und G 9 wählen: Die Schule bräuchte mehr Räume, eine parallele Klassenführung und Bücher. Unterm Strich bedeute dies für die Schule also mehr Aufwand und höhere Kosten.

Zum G 8steht auch Linda Heue, Schülersprecherin des Geretsrieder Gymnasiums, "weil wir nur so international rechtzeitig fertig werden". Das einzige Manko sieht die 17-Jährige im überlasteten Lehrplan: Zu spät werde auf Stärken und Schwächen der Schüler eingegangen, außerdem verhinderten die vollgestopften Stundenpläne, dass sich Jugendliche intensiv mit Musik oder Sport auseinandersetzen könnten. Ganz ähnlich sieht es die Schülersprecherin des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking, Mathilda Geisbauer. Lernintensiv sei das G 8 zwar, "aber wenn man sich anstrengt, kann man das schon schaffen", sagt die 18-Jährige.

Der Philologenverband hat angeregt, das G 9 wieder einzuführen; gute Schüler sollen dann eine Klasse überspringen dürfen. Die LEV hat eine andere Lösung: Das G 8 bleibt erhalten, wer aber ein Zusatzjahr benötigt, kann die Mittelstufe in drei oder vier Jahren durchlaufen. Letzteres gefalle ihm am besten, sagt Hans Härtl, Direktor des Ickinger Gymnasiums. Die Rückkehr zum G 9 hält er für unnötig. "So schlimm, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird, ist es nicht."

Sollte es dazu kommen, dass zwischen G 8 und G 9 gewählt werden kann, stünden vor allem ländliche Schulen vor Problemen. Wie sie zwei Züge umsetzen soll, ist Carmen Mendez, Schulleiterin des Max-Rill-Gymnasiums im Schloss Reichersbeuern, ein Rätsel. Auch sie sieht das Problem eher im überfrachteten Lehrplan. "Ich finde, es ist eine extrem populistische Debatte, die die wirklichen Probleme nicht beleuchtet." Größter Stressfaktor seien Stegreifaufgaben: Schüler könnten sich an einem Abend nicht auf acht verschiedene Fächer vorbereiten, müssten also zwangsläufig eine Auswahl treffen. Der resultierende Stress könnte umgangen werden - in Reichersbeuern etwa werden Kurzarbeiten eine Woche vorher angekündigt. "Viele Lehrer wissen gar nicht, dass sie diese Flexibilität haben", sagt Mendez.

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