Bad Tölz-Wolfratshausen:Der Jäger und der Wolf

Das Auftauchen des Beutegreifers macht vielen Freude, andere fürchten um ihre Weidetiere - wie man mit dem Rückkehrer umgehen kann.

Von Claudia Koestler

Zunächst war es nur ein dunkler Schatten, der sich bewegte. Dann hob sich langsam die Silhouette eines großen Tieres gegen den Wald zwischen Endlhausen und Eulenschwang ab. "Erst dachte ich, das wird ein Hund sein", sagt Josef Brunner, Vorsitzender der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen. Je länger er das Tier beobachtete, desto klarer wurden die Merkmale: die Rute nicht erhoben, sondern gerade, die Beine höher als bei einem Haushund - es war ein Wolf, den der Jäger vor zwei Jahren im Schutze der Dunkelheit durchs Unterholz in seinem Revier schnüren sah. Wenige Tage darauf tapste ein Wolf im Landkreis Ebersberg in eine Fotofalle - Brunner nimmt an, dass es derselbe war.

Der Wolf ist also wieder da. Nach Angaben des Landesamts für Umwelt (LfU) könnte heute "praktisch in jeder Region in Bayern ein Wolf auftreten". Es sei damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren weitere Einzeltiere nach Bayern einwandern. Damit wird Brunners Sichtung vor zwei Jahren wohl nicht die Ausnahme bleiben. In der vergangenen Woche wollen bereits zwei junge Männer nachts zwischen Mooseurach und Beuerberg einen Wolf gesehen haben.

Seither steht Brunners Telefon nicht mehr still: Fernsehen, Hörfunk und Presse fragen nach Neuigkeiten, Bürger bitten um Rat. Am Mittwoch hatte eine zehnjährige erklärte Wolfskennerin bei Beuerberg eine Spur im Schnee entdeckt, die sie und ihre Familie als Wolfsspur deuteten. Noch konnte dies aber von Experten nicht verifiziert werden. Fest steht jedoch: Weil Sichtungen in angrenzenden Landkreisen belegt sind und die Tiere in der Lage sind, schnell weite Strecken zu überwinden, gilt der Landkreis zumindest als "Wolfserwartungsland". Die Reaktionen darauf sind gespalten. In die Begeisterung über die Rückkehr des Wildtieres mischen sich sorgenvolle Stimmen. Passt der Wolf in die Kulturlandschaft? Wer steht für den Wolf ein, wer würde den Abschuss vorziehen? Ein Überblick über die Positionen.

Minister Schmidt fordert beschraenkte Abschussfreigabe fuer Woelfe

Der Wolf ist wieder da, das beweisen Sichtungen in mehreren Landkreisen.

(Foto: Terry Whittaker)

Der Jäger

Josef Brunner, Vorsitzender der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen, sieht kein Problem, solange nur einzelne Wölfe den Landkreis gelegentlich durchstreifen. Schwieriger werde es erst, wenn sich ein Rudel bilde. "Denn wir leben nun mal in einer dicht bevölkerten Region, in der eigentlich kein Platz mehr für Wölfe ist", gibt er zu bedenken. Der Wolf sei zwar grundsätzlich ein extrem scheues Tier. Die Chancen, dass man als Spaziergänger, Ausflügler oder Freizeitsportler einem Wolf begegne, seien folglich äußerst gering. Dennoch sei Vorsicht geboten: "Man weiß bei Raubtieren nie sicher, wie sie ticken." Sollte irgendwann tatsächlich ein Mensch zu Schaden kommen, "wird die Stimmung in der Bevölkerung sicher gegen den Wolf kippen", sagt er. Unter Jägern werde zudem diskutiert, in welcher Form und in welchem Ausmaß sich die Rückkehr von Wölfen auf die Bestände und das Verhalten des Wilds auswirken werde. Denn Reh-, Rot- und Schwarzwild stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für Wölfe dar.

Sollte er noch einmal einen Wolf in seinem Revier bemerken, werde er ihn allerdings lediglich beobachten und melden, keinesfalls schießen. "Das dürfte ich gar nicht, denn er ist geschützt. Dann wäre mein Jagdschein sofort weg".

Die Naturschützer

"Wir begrüßen es, wenn bei uns Wölfe auftauchen oder heimisch werden sollten", sagt Fabian Unger, regionaler Projektmanager für Isar und Loisach im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Sabine Tappertzhofen, Diplom-Biologin und Geschäftsstellenleiterin des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) in Wolfratshausen, schließt sich an. "Solche Raubtiere gehören einfach zu einem gesunden Ökosystem dazu." Das habe nichts mit verklärender Naturromantik zu tun. Ein überregionales Wolfsmanagement genüge, es brauche keine weiteren Maßnahmen.

Der Almbauer

"Persönlich habe ich nichts gegen den Wolf, ich mag grundsätzlich alle Tiere", sagt Hans Probst, Bezirksalmbauer aus Gaißach. Viehzüchter wie er fürchten aber die Gefahr, die mit der Rückkehr des Wolfes einhergeht. Keine Sitzung, in der die Mitglieder der Almbauernvereinigung nicht über das Thema sprächen und darüber, wie die Herden auf den Almen geschützt werden können. Aus Probsts Sicht könne es nur ein Entweder-Oder geben: "Entweder wollen wir bei uns den Wolf oder wir wollen Weidewirtschaft. Weidewirtschaft mit Wolf wird nicht funktionieren", sagt Probst. Sollte sich irgendwann im Landkreis ein Rudel bilden, müsse nicht nur mit einzelnen Rissen gerechnet werden. "Das Problem ist, dass Panik in den Herden entsteht und die Tiere abstürzen", sagt er. "Es ist definitiv nicht schön, wenn die Schafe oder Kälber dann in Felsspalten mit gebrochenen Gliedmaßen auf den Tod warten, und wir kriegen davon erst mal gar nichts mit". Hütehunde seien keine Lösung. Andernorts habe man die Erfahrung gemacht, dass Wolfsrudel zwei, drei Tiere abstellten, um den Hund abzulenken, während die anderen jagten. Auch eine Umzäunung sei unrealistisch, nicht nur wegen der exorbitanten Kosten. "Es verlaufen Grenzen in den Almweidegebieten, Wanderwege, Bergsteiger und Skitourengeher laufen durch." Auch die Tiere abends in den Stall zu treiben sei nicht machbar - zu groß der zeitliche Aufwand. In seinen Augen könne nur versucht werden, das Gebiet der Almbauern wolfsfrei zu halten, sagt Probst. Mit Vergrämung, und - als letztes Mittel - dem Abschuss einzelner Tiere, um den anderen Mitgliedern des Rudels klar zu machen, sich ein anderes Gebiet zu suchen.

Wolf Geschichte

In der Ankunft der Wölfe sieht Jäger Josef Brunner erst mal kein Problem. Zumindest solange die Tiere nur selten und vereinzelt den Landkreis durchstreifen und nicht im Rudel auftauchen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wanderer

"Wir sind ein Einwanderungsland für den Wolf", sagt Franz Mettal, Naturschutzreferent in der Tölzer Sektion des DAV. "Die Ängste, die uns schon mit Märchen wie Rotkäppchen und der Wolf eingetrichtert werden, entsprechen nicht der Realität. Menschen zählen nicht zum natürlichen Beutespektrum des Wolfes", sagt er. Weder er noch sein Referentenkollege Richard Hoch seien bereits einem Wolf begegnet. "Der Wolf ist ein so extrem scheues Tier, ich sehe auch für die Zukunft keine Konflikte zwischen Wanderern und Wölfen", sagt Richard Hoch. "Man sollte nur überlegen, wo man geht, vor allem, wenn es dunkel ist, aber das sollte man ja generell immer tun und auf Wegen bleiben", sagt er. Zwar habe er Verständnis für die Sorgen der Bergbauern, "aber ich hoffe, dass die Debatte sachlich geführt werden kann." Mettal wünscht sich, dass "der Wolf angenommen wird. Er setzt zudem auf ein gezieltes Wolfsmanagement wie in Sachsen: "Monitoring und Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Schadensprävention, -begutachtung, -ausgleich."

Das Landesamt

Die Rückkehr der großen Beutegreifer bedeute die Wiederherstellung eines kompletten Ökosystems, heißt es von Seiten des Landesamtes für Umwelt (LfU). Um Gefahren zu minimieren, verfüge Bayern bereits über ein langjährig erfolgreich praktiziertes Wolfsmanagement. An oberster Stelle stehe dabei "die Sicherheit der Menschen", betont das LfU. Um mögliche Konflikte zu minimieren, gehören zum Wolfsmanagementplan, der seit 2014 vorliegt, unter anderem die Beobachtung der Wildtiere und ihrer Ausbreitung, die Beratung zum Thema Herdenschutz sowie ein Schadensausgleich bei nachweislich von einem Wolf verursachten Rissen von Nutztieren. Der Wolf ist europaweit streng geschützt. Es gibt jedoch Ausnahmen: Im Einzelfall kann auch heute schon der Abschuss eines Tieres behördlich angeordnet werden. "Damit können die Behörden jeweils auf auffällige Einzeltiere reagieren, die beispielsweise zu einer Gefahr für den Menschen werden könnten", erklärt die Presseabteilung des LfU.

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