Fasching:Chlorreiche Königsdorfer

Beim Faschingsumzug macht die Gemeinde noch einmal ihrem Unmut gegen das Gesundheitsamt Luft. Die Kolpingsfamilie hat beim Rosenmontagsball in Wolfratshausen wieder volles Haus.

Von Benjamin Engel UndKristina Kreisel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das wolkenlose Winterwetter lockte die Narren am Faschingsdienstag in Scharen auf die Straßen. Rund 7000 Besucher zog der Königsdorfer Faschingszug an. Von den 14 Motivwagen, die durch die Hauptstraße fuhren, ernte der Wagen der "Chlor-reichen" unter den Zuschauern das meiste Gelächter.

Der Tölzer Gesundheitsamtsleiter Franz Hartmann thronte über der Kanalisation auf einer Toilette. Die Königsdorfer Narren machten ihn offensichtlich als Hauptschuldigen im Streit zwischen Bürgermeister und Gesundheitsamt über das gechlorte Trinkwasser aus. Doch auch Landrat Josef Niedermaier und der Königsdorfer Bürgermeister Anton Demmel ziehen den Spott auf sich und werden ebenfalls zur den "Chlor-reichen" gezählt.

Die Trinkwasser-Querelen inspirierten die Königsdorfer zu weiteren Motivwagen. Mit Rohren bauten sie eine Ultrafiltrationsanlage nach oder verkündeten per Aufschrift, sie tränken jetzt mehr Bier, weil das Wasser durch das Chlor stinke. Der neue Sechser-Sessellift Milchhäusl-Express am Brauneck kam als Miniaturausgabe daher. Die Skifahrer dürfte die Vision von 2021 am Lenggrieser Hausberg kaum glücklich stimmen. Denn unter dem Lift breitete sich nur grüner Rasen aus. Während Toni Holzer Skikarten verteilte, ließen sich die weiteren Motivwagen-Gestalter davon kaum den Spaß verderben. Sie feierten in der "Koa Schnee Bar".

Kräftig spotteten die Königsdorfer auch über die Bundespolitik. Sie nahmen etwa das Vorhaben von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen, mit einem altersschwachen Panzer aufs Korn. Das Pappmasché-Gefährt mit der Aufschrift "Unsere maroden Truppen spielen lieber mit Puppen" zog einen Kinderspielplatz und ein Bobby-Car hinter sich her.

Ein Wagen mit einem übergroßen stilisierten Pokal ließ den Weltmeistertitel der deutschen Fußballnationalmannschaft vom Vorjahr hochleben. Und auch der Automobilclub ADAC blieb nicht verschont. Hinter der Kulisse der Münchner Firmenzentrale stieg ein gelber Hubschrauber empor. Damit spielte der Wagen auf die Affäre um das ADAC-Präsidium an, das die ADAC-Luftrettung für Dienstflüge nutzte.

Die Narren thematisierten weiters die Lebensmittelskandale bei Burger King und brieten Hamburger, die sie in Papiertüten in die Menge schmissen. Mit Verbotsschildern gegen Alkohol und Musik warnten sie, die Faschingszüge vor lauter Vorschriften nicht zu "beerdigen".

In Geretsried traten die Urzeln am Karl-Lederer-Platz auf. Die mit Fellen, Kleidungsfetzen und Schellen kostümierten wilden Gesellen sollen die Wintergeister austreiben. Die Urzeln-Zunft pflegt den Brauch seit 1986. Zum Faschingszug in Benediktbeuern gossen die Haberer mit rußgeschwärzten Gesichtern ihren Spott aus. Einst wirkten die Haberer als Sittengericht in einigen südbayerischen Regionen, um Vergehen anzuprangern, die von der Obrigkeit nicht geahndet wurden.

Auch die Redaktion der Süddeutschen Zeitung bekam närrischen Besuch: Die Faschingsgesellschaft der Narreninsel Wolfratshausen war zu Gast in den Räumen am Untermarkt. Das jüngere der beiden Prinzenpaare der Garde, Luisa Bender und Fabio Stroe, genannt Prinzessin Luisa I. und Prinz Fabio II., eröffneten das Gastspiel im Konferenzsaal im ersten Stock der Redaktion. Gekonnt präsentierten die beiden Zehnjährigen aus Wolfratshausen ihre Walzer-Einlage, die sie bereits am Sonntag beim närrischen Treiben in der Wolfratshauser Innenstadt zum Besten gegeben hatten. Anschließend folgte der Auftritt von Lisa Hobelsberger, 19 Jahre, und Markus Hohn, 22 Jahre, die als Wolfratshauser Prinzenpaar zeigten, wie man Walzer tanzt. Beinahe wären den beiden Geretsriedern bei einer Hebefigur die niedrigen Dachbalken der zur Bühne umfunktionierten Redaktionsräume zum Verhängnis geworden. Doch das Prinzenpaar setzte seinen Tanz souverän fort und wurde mit großem Applaus der Redaktion und der vielen anderen Mitgliedern der Faschingsgarde, die mitgekommen waren, belohnt.

Bereits am Rosenmontag hatte die Wolfratshauser Kolpingsfamilie bei ihrem beliebten Ball volles Haus.

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