Bad Tölz:Viel Zeit für die Tölzer

Bad Tölz: Nur 30 Minuten sprach Bürgermeister Josef Janker (rechts) im Kursaal, dann hatten die Tölzer das Wort.

Nur 30 Minuten sprach Bürgermeister Josef Janker (rechts) im Kursaal, dann hatten die Tölzer das Wort.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei der Bürgerversammlung in der Kurstadt hält sich der Rathauschef kurz, dafür bleibt Gelegenheit zu Wortmeldungen und Diskussionen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Manche Rathauschefs im Landkreis dehnen ihren Jahresbericht in den Bürgersammlungen gerne auf Spielfilmlänge aus. Detailverliebt referieren sie neben wichtigen Projekten auch Geburten und Sterbefälle, die Zahl der Ratssitzungen und den Personalstand im Rathaus, kommen vom Stock zum Stöckchen. Hernach müssen sie kaum noch Fragen oder kritische Kommentare gewärtigen, weil die Zuhörer längst ermattet sind. Das ist in Bad Tölz anders.

Bürgermeister Josef Janker (CSU) genügen in der Regel um die 30 Minuten, um die Stadtentwicklung zu skizzieren. Das war auch so am Donnerstagabend im Kurhaus, wofür sich Klaus Koch (Grüne) dankbar zeigte. Als Vertreter von Landrat Josef Niedermaier (FW) tourt er heuer von einer Bürgerversammlung zur nächsten, "normalerweise laufen da Powerpoint-Präsentationen, wo man sich stundenlang den Wasserverlust einer Gemeinde anschauen kann", sagte Koch. Zwei Stunden blieben den etwa 100 Tölzern nach Jankers Rede, um ihre Anliegen und Klagen vorzutragen, die vom Kurviertel über Verkehrsprobleme bis zum geplanten Immobilientausch im Stadtzentrum reichten.

Diese Rochade des Franziskuszentrums, des Pfarrheims Franzmühle und der Alten Madlschule zwischen Stadt und Erzdiözese sieht die "Komische Gesellschaft" nach wie vor mit großer Sorge. Vorsitzende Verena Peck drückte ihre Angst aus, dass die Theatergruppe ihr Zuhause in dem Gebäude mit seinem subkulturellen Flair verliert. Sie appellierte an Janker und die Stadträte, "in der Argumentation vom wirtschaftlichen Faktor abzusehen und zu überlegen, ob unser Verein, der in der Alten Madlschule wirkt, seinen Platz behalten darf". Stadtkämmerer Hermann Forster verwies auf das in Auftrag gegebene Wertgutachten für alle drei Gebäude, das vermutlich im Herbst vorliegt. "Wir brauchen erst Basics, dann kann man reden." Janker versprach, "eine akzeptable Lösung für alle" und gegebenenfalls auch Alternativen zu finden.

Einen breiten Raum nahm in der Bürgerversammlung einmal mehr die Entwicklung im Kurviertel ein. Mehrere Redner störten sich daran, dass das Stadtgebiet neuerdings als "Bäderviertel" und nicht als "Badeteil" apostrophiert wird. Die Bürger wollen diesen historischen Begriff behalten. Sylvelie Bergmann beklagte außerdem, dass das Kurviertel nur mehr eine Bleibe für Senioren sei, für junge Leute gebe es dort nichts. Ein richtiger Kinderspielplatz befinde sich bloß an der Isar, und der sei "hoffnungslos überfordert". Bergmann regte auch an, die Wandelhalle wieder mit Veranstaltungen für die Jugend zu belegen.

Ansonsten herrscht aus Bergmanns Sicht "profitorientierter Wohnungsbau im Übermaß". Alles werde zugebaut, "für uns bleibt nichts", sagte sie. Diese Kritik betrachtete Bürgermeister Janker als "erstaunlich negativ". Immerhin sei im Kurviertel das neue Vitalzentrum neben der Kurbücherei entstanden. Mit dem Binderbräu habe ein neues Gasthaus eröffnet. Spielplätze seien sie aus Gründen des Emissionsschutzes schwer zu realisieren, sagte Janker. Schon wegen der Anlieger.

Seine Unzufriedenheit artikulierte auch der Verein Freundeskreis Badeteil. Willibald Raab bemängelte die "massive Bebauung" des Stadtviertels mitsamt "mächtigen Tiefgaragen", die benachbarte Altbauten gefährdeten. Er forderte ein Gesamtkonzept für den Badeteil in Richtung Gesundheit und Mehrtagestourismus. Denn nach dem Ende des Spaßbads Alpamare und des Hotels Jodquellenhof seien die Übernachtungszahlen in Tölz deutlich gesunken, sagte er.

Das sah Kurdirektorin Brita Hohenreiter anders. Immerhin seien 300 000 Übernachtungen bei 80 000 Gästen im Jahr geblieben, sagte sie. Die Verweildauer liege im Schnitt bei 4,2 Tagen, das sei mehr als in anderen Städten. Hohenreiter räumte aber ein: "Wir brauchen dringend mehr Betten."

Bauamtsleiter Christian Fürstberger erklärte, dass sich neue Wohnhäuser von der Größe her in die umgebende Bebauung einpassen müssen. Das Kurviertel sei von alten, großen Hotels geprägt. "Wir brauchen einen städtebaulichen Grund, um zu sagen, da machen wir kleinere Häuser." Dem widersprach Wilhelm Wesselmann. "Das glaube ich nicht", sagte er und warf der Stadt vor, gegen die Renaissance des Bäderviertels zu handeln.

Weitere Wortmeldungen drehten sich um das Zuparken der Eichberger Straße, den missratenen Umbau eines Gehwegs am Oberhof, die schlechte Anbindung an den Stadtbus in der Karwendelsiedlung und den vier Meter hohen Deich, den das Wasserwirtschaftsamt Weilheim dort zum Hochwasserschutz an der Gaißach plant. Traudl Fischer forderte, den Bolz- und den Kinderspielplatz nicht dem Deich zu opfern und die Verhältnismäßigkeit dieses Vorhabens zu prüfen. All dies versahen Janker und seine Referatsleiter mit dem Vermerk: "Wir prüfen das."

In seiner Rede widmete sich Janker den Themen Asyl, Haushalt, Spa "Natura Tölz", sozialem Wohnungsbau, Sporthallen, Immobilientausch und dem geplanten Neubau des Pflegeheims Josefistift an der Asklepios-Klinik. Neues berichtete er dabei nicht. Zwei Mal gab es Lob für Bad Tölz. Koch pries die Stadt und ihre Einwohner für den Umgang mit Flüchtlingen: "Der ganze Landkreis schaut mit Respekt auf eure Tatkraft." Patricia Zewe, die den Tölzer Kunstsalon betreibt, gab eine Liebeserklärung ab: "Ich bin seit drei Jahren hier, ich finde es toll, wie sich in diesen Jahren alles entwickelt hat."

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