Bad Tölz:Unaufgeregt hinterfragen

Marieluise Wittreich  Neue Objekte Stelen

Neben aktuellen Themen inspirieren Erich Frieds Werke die Tölzer Künstlerin Marieluise Wittreich. Hier etwa dessen "Meilen nach Babylon".

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Steinbildhauerin und Kunsttherapeutin Marieluise Wittreich stellt im Stadtmuseum ihre Werk aus - eher unfreiwillig, denn sie ist sehr kritisch, vor allem sich selbst gegenüber

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

Es sind bewegte Zeiten, das belegt jeder Blick in die Nachrichten. Da ist es sicherlich nicht länger genug, wenn Kunst nur um sich selbst kreist. Es braucht Kunst, die kreativ genug ist, sich in gesellschaftliche Themen und Transformationsprozesse einzubringen. Solche Kunst gibt es auch in der Region, wie das Tölzer Stadtmuseum mit einer Sonderausstellung belegt: Zu sehen sind dort Werke der Tölzer Steinbildhauerin und Kunsttherapeutin Marieluise Wittreich. Trotz großen Gespürs für Ästhetik schafft Wittreich keine Arbeiten, die selbstreferenziell sind, sondern die klar von aktuellen, politischen Themen angeregt sind und wachrütteln wollen, hinterfragend, unaufgeregt, feinsinnig und vielseitig.

Doch das mit der Wirkung und der Öffentlichkeit, das ist nicht immer ein einfacher, klarer Bogen. Denn obwohl Wittreich, Jahrgang 1943, bereits seit Jahrzehnten an Ausstellungen im Oberland und Österreich beteiligt war oder auch einzeln ausstellte: Gerade in ihrer Heimatstadt Tölz hatte sie sich zuletzt rar gemacht mit ihrer Kunst und es scheint sie obendrein auch nicht ins Rampenlicht zu drängen. Umso beachtlicher nun also die "Werkschau", die dem Stadtmuseum gelang. Deshalb nutzte Elisabeth Hinterstocker, Leiterin des Stadtmuseums, ihre Laudatio bei der Vernissage am Donnerstag dazu, das Geheimnis zu verraten, wie es zur Ausstellung kam: "Ich durfte im Haus von Wittreich ein historisches Exponat abholen", erzählte sie. Bei der Gelegenheit fielen ihr im Treppenhaus drei Frottagen ins Auge , die sie ungemein beeindruckten. Genauso wie ein Stein, den sie ebenfalls im Hause sah. "Als ich nachfragte, erfuhr ich, dass es Wittreichs eigene Werke waren. Da reifte in mir der Gedanke, dass wir unbedingt eine Ausstellung machen müssen."

Das aber erwies sich nicht als Spaziergang, denn: "Wittreich ist sehr kritisch", sagte die Museumsleiterin. Ein kritischer Geist münde aber eben auch in Selbstkritik, vor allem ihren Werken gegenüber. Trotzdem haben es einige Exponate geschafft, dem standzuhalten und nun eben öffentlich wachzurütteln. Im ersten Raum trifft der Besucher dabei auf Steine: Weißer Alabaster etwa, grauen Alabaster oder einen Schwarzstein, aufwendig mit Diamantschleifscheiben gerundet. Auch Tönernes ist zu sehen, etwa eine Tonfigur neben Hüllen. Die Mehrzahl der Exponate sind indes aus Papier und Naturmaterialien wie Holz und Knochen, gepaart mit Eisenteilen und Farbe. Festlegen lässt sich Wittreich ungern: "Ich arbeite mit diversen Materialien, weil das von der jeweiligen Anregung abhängt."

Augenfällig das Thema Turm in Variationen. So stehen etwa Türme aus Bambus und Bast in einem Raum, in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit. Ein Triptychon von Frottagen in Pastellkreiden auf Transparentpapier wiederum heißt "Turm, dreiteilig". Vor allem auch Erich Frieds Werke inspiriert Wittreich, etwa dessen "Meilen nach Babylon". Die Verse hat Wittreich auf Tonplatten geschrieben und diese aufeinander gestapelt: "Der Turm zu Babel". Eine Collage und Holzdruck auf Chinapapier nennt sie wiederum "dass Nord und Süd sich verstehen und Ost und West", ebenfalls nach einem Titel von Fried: Hieroglyphen und Zeichen auf langen Papierrollen, die man inhaltlich nicht lesen kann, und die trotzdem etwas vermitteln: Sprachverwirrung, Orientierungslosigkeit, Zerbrechlichkeit, wenn sich Menschen nicht mehr verstehen, aus welchen Gründen auch immer. Und es stellt die Fragen nach Menschenwerk, Fragilität, Miteinander. Kunst voller Sanftheit, Ruhe und Allegorien also, die aller Ästhetik zum Trotz das Unbequeme mahnt.

Die Ausstellung ist Sonntag, 5. April, im Stadtmuseum Bad Tölz, Marktstraße 48, zu sehen, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

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