Bad Tölz: Trachten Kirner:Ein Original zieht sich zurück

Dirndl mit Tradition und Vision: Rita Braun hat "Trachten Kirner" eröffnet und bundesweit bekannt gemacht - jetzt übergibt sie ihr Geschäft und eine Kartei mit 6000 Stammkunden.

Sandra Schinnagl

Der Trachten Kirner gegenüber der Bad Tölzer Marktstraße ist ein Original, wie auch dessen 80-jährige Besitzerin Rita Braun, die dort seit 62 Jahren ihre Dirndl und Lederhosen verkauft. Dementsprechend schnell machte es die Runde, als auf den Schaufenstern des traditionsreichen Geschäfts "Total Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" zu lesen war.

Bad Tölz: Trachten Kirner: Aus ganz Deutschland kommen Trachten-Liebhaber zu Rita Braun nach Bad Tölz. Auch in Zukunft werden sie nicht auf "Trachten Kirmer" verzichten müssen - ein Nachfolger ist bereits gefunden.

Aus ganz Deutschland kommen Trachten-Liebhaber zu Rita Braun nach Bad Tölz. Auch in Zukunft werden sie nicht auf "Trachten Kirmer" verzichten müssen - ein Nachfolger ist bereits gefunden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Doch kann Braun ihre Kunden beruhigen, es gibt bereits einen Nachfolger, der den Trachtenladen übernehmen wird. Von Rita Braun selbst müssen sich die vielen Stammkunden jedoch bis Ende des Jahres verabschieden.

Die Wände sind voll mit Fotos von Prominenten und einem Sortiment, das von den Wadenstrümpfen bis zum Hut alles bietet. "Der Warenbestand ist der Wahnsinn, die Auswahl gigantisch. Da gibt es Stücke für richtige Liebhaber - nichts, was man nach einer Saison wieder wegschmeißen kann", sagt Alexander Schmid, Wirtschaftsförderer der Stadt. Dass es ihr nicht ganz leicht fällt, ihren Trachtenladen abzugeben, merkt man Braun an.

Immerhin blickt sie auf eine lange und erlebnisreiche Zeit zurück."In den 50er Jahren war die Stadt Penzberg ganz stark mit dem Trachtengeschäft. Irgendwann dachte ich mir, das will ich auch machen. Ich möchte, dass die Leute zu mir nach Tölz fahren, wenn sie Trachten brauchen", sagt Braun. Dies ist ihr zweifelsfrei gelungen. Mit ihren über 6000 Kunden machte sich der "Trachten Kirner" über die Jahre einen Namen im Landkreis. Und darüber hinaus.

"Unsere Stammkunden kommen aus ganz Deutschland. Teilweise fahren die Leute 500, 600 Kilometer hierher. Dann wird die ganze Familie von Kopf bis Fuß eingedeckt." Schmid bestätigt das: "Frau Braun hat der Stadt viel gebracht, vor allem viele Leute nach Bad Tölz." Auch viele Prominente vertrauen der Trachten-Liebhaberin. "In München habe ich Herr Stoiber getroffen und ihn gefragt: Wissen Sie noch, von wem Sie die erste Lederhos'n haben? Da sagte er gleich: Ja, von Ihnen, mit zehn Jahren!"

Über ihre Erlebnisse in den letzten sechs Jahrzehnten geht Braun der Gesprächsstoff nicht aus. "Ich war damals vor 30 Jahren die Erste, die auch am Sonntag geöffnet hatte", sagt sie. "Das war gar nicht so einfach damals, es hieß zum Beispiel, ich würde die Leute damit abhalten, in die Kirche zu gehen." Sie habe gekontert: "Meine Leute gehen auch in die Kirche, wir öffnen erst um 13 Uhr."

Es dauerte, bis die Sonntagsöffnung von den Ämtern akzeptiert wurde. "Ich habe mir ein BGB gekauft und einen Paragraphen gefunden, der sagt, dass kurorttypische Läden auch am Sonntag geöffnet sein dürfen." Damit war das Problem aus der Welt geschafft. "Die Sonntagsöffnung ist ein großer Vorteil."

80 ist nur eine Zahl

Seit 1958 besucht Braun bis zu zehn Messen pro Jahr. "Ich war schon auf der Touristikmesse in Berlin, der Hannoverschen Hausfrauenmesse, der Handwerksmesse in München, sagt sie. Der Name Trachten Kirner sei bundesweit ein Begriff geworden, deshalb solle er weitergegeben werden.

"Ich kann nur hoffen, dass der Kunde meinem Nachfolger auch bleibt", so Braun "Ein Stammkunde is' a gmahte Wiesn", was bedeute, dass man ihn nicht erst neu anwerben muss. "Der Nachfolger muss nur ordentlich und g'scheit weitermachen."

Bei der Auswahl ihres Sortiments legt Braun wert auf eine gelungene Mischung von Tradition und Moderne: "Bayerische Tracht mit Tradition und gleichzeitig mit Vision zur Zukunft", so beschreibt sie ihren Stil. Braun muss schmunzeln, als sie ein paar Anekdoten erzählt, die ihr zu Ohren gekommen sind.

"Es kommt tatsächlich vor, dass Leute in ein Trachtengeschäft gehen, nach einem Gilet verlangen, und die Verkäuferin den Kunden fragt, was der denn mit Apfelkompott wolle. Oder eine Kundin erkundigte sich nach einer "Kotz'n" (ähnlich einem Poncho) und wurde gefragt, ob ihr übel sei."

Im Moment kann sich Braun vor Kunden kaum retten, auch der Umsatz ist seit der Räumungsaktion deutlich gestiegen. Schmid sagt über Rita Braun: "Sie ist ein richtiges Urgestein." Doch wie 80 fühlt sich Braun noch nicht: "Die 80, das ist nur eine Zahl", sagt sie. sie habe hart gearbeitet, "aber wenn man einen Beruf gerne macht, und er Spaß bringt, dann kommt es einem nicht vor wie Arbeit."

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