Bad Tölz:Mehr Glanz, weniger Narretei

Georg Ringsgwandl ist milder geworden, aber vom Mainstream-Mittelmaß ist der Songpoet und zuweilen bitterböse Kabarettist immer noch meilenweit entfernt.

Von Petra Schneider

Nur einen Hauch Lippenstift hat Georg Ringsgwandl am Donnerstag aufgelegt. Auch die Klamotten bei seinem Auftritt im fast ausverkauften Kurhaus entbehren ein wenig des Glanzes früherer Tage. Jeansjacke, weißes T-Shirt, beige Hose. "Vom Outfit her habe ich einen neuen Weg beschritten", sagt er. Mehr Mainstream, weniger Narretei. Auch wenn er sich nach der Pause doch noch in ein grün-rotes Rosen-T-Shirt schmeißt und den obligatorischen Hut nur bei den balletteusen Einlagen ablegt.

Georg Ringsgwandl

Georg Ringsgwandl trägt bei seinem Auftritt in Bad Tölz etwas weniger Lippenstift als früher, aber der Hut gehört zu seinem Outfit noch immer dazu.

(Foto: Manfred Neubauer)

Mainstream-Mittelmaß ist dieser Abend natürlich ganz gewiss nicht. Auch, weil die Musik ihrem Titel alle Ehre macht: "Mehr Glanz!" heißt das aktuelle Album, und glänzend klingt das, was Daniel Stelter (Gitarre, Mandoline), Tommy Baldu (Schlagzeug), Christian Diener (Kontrabass und E-Bass) und Ringsgwandl mal an der Gitarre, mal an der Zither oder am Keyboard spielen.

65 Jahre alt ist der Vater dreier erwachsener Töchter im November geworden. Seit genau zwanzig Jahren überlässt der gebürtige Reichenhaller seinen erlernten Beruf als Kardiologe anderen. Vorsorgeuntersuchungen an "Top-Level-Performern" vorzunehmen ist ihm zu dröge. Lieber räsoniert er über den "emotionalen Wärmetod", sein Lied für die große Koalition. Oder über die "Serien-Zuchtel mit mentalem Trachtenhut" und widmet der "Vroni von der Verkehrsüberwachungszone" ein Liebeslied. Allerweltsthemen in Texte gegossen, die kritisch und witzig sind. Anspruchsvoll, aber nicht moralinsauer und ein bisschen milder als früher.

Natürlich spielt er am Donnerstag einen seiner Klassiker, die böse Karikatur vom "Garten-Nazi". Man muss höllisch aufpassen, dass man Pointen im Text nicht überhört, weil man sich womöglich zu sehr auf die mitreißende Musik konzentriert. Oft hat Ringsgwandl seine Band ausgetauscht, seit drei Jahren spielt er mit einer hochklassigen Besetzung versierter Jazzmusiker.

Vor allem Gitarrist Daniel Stelter würzt die Musik, die querbeet von Blues über Country und Funk bis hin zum Heavy-Metal-Landler reicht, mit seinen virtuosen Gitarren- und Mandolinensoli. Selten gelingt die Symbiose aus Text und Musik so gut wie bei Ringsgwandl, der in einem Interview den intellektuellen Musik-Poeten Bob Dylan als Vorbild genannt hat. Ringsgwandls Kunst lebt aber nicht nur von der kraftvollen Musik und den anregenden Texten.

Er ist auch Performer, Dadaist, Diva - wenn auch nicht mehr ganz so schrill wie früher. Einer, der sich ans Keyboard stellt und eine irre Geschichte über die Ausgrabung einer Wagner-Partitur im eigenen Garten erzählt. Mit einer Stimme, die in den hohen Lagen irgendwo zwischen Pumuckl und Klaus Nomi changiert, jenem schwulen Kontertenor und Underground-Star im New York der Siebzigerjahre. Oder der sich eine blonde Perücke überstülpt und mit heiligem Ernst die neumodische Selbstreflexions-und Palaversucht aufs Korn nimmt: "Ich bin verunsichert. Bilde ich mich ausreichend fort, oder ist meine Karriere am Abbröckeln. Ich muss in mich hineinhören, was das mit mir macht."

Um sich dann durch einen weiteren Ringsgwandl-Klassiker, "Hühnerarsch, sei wachsam", zu grooven. Bei aller Skurrilität bleiben Texte und Bewegungen präzise und konzentriert. Ein angedeuteter Flügelschlag, ein federleichter Hüpfer - mehr braucht dieser bunte Vogel nicht. "Für die wirklich hohe Kunst bin ich zu primitiv, für die Popmusik zu kompliziert", singt er. Für einen wunderbar-verrückten Abend ist er genau der Richtige.

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